Ex-ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer
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Kurz-Prozess

Zeuge verteidigt Sideletter-Absprachen

Als erster Zeuge im Kurz-Prozess ist am Freitag der ehemalige ÖBB-Vorstand Arnold Schiefer befragt worden. Schiefer war Teil des Verhandlungsteams für die ÖVP-FPÖ-Regierung und verhandelte mit dem damaligen Finanzgeneralsekretär Thomas Schmid als „Schnittstelle“ bezüglich des Personalpakets etwa für die ÖBAG. Der finale Sideletter entsprach laut Schiefer allerdings nicht den eigentlichen Abmachungen eines Gentleman’s Agreement.

Konkret geht es um ein Personalpaket für die Besetzung des Vorstands und des Aufsichtsrats der ÖBAG, das zwischen Schmid für die ÖVP und Schiefer für die FPÖ ausverhandelt wurde. Im „Ibiza“-U-Ausschuss war eine entsprechende Chatnachricht von Ex-Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) an den früheren Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) vorgelegt worden. Dazu befragt, sagte Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), er wisse nicht, „was die vereinbart haben“.

Grundsätzlich ging es laut Schiefer bei den mündlichen Vorbesprechungen für den schließlich breiter bekanntgewordenen Sideletter um eine Abkehr vom Proporz 50:50 hin zu einer Aufteilung zwei Drittel zu einem Drittel (ÖVP–FPÖ). Allerdings war das Ergebnis des Gentleman’s Agreement ein anderes, als er dann viel später im finalen Sideletter selbst lesen habe können. Dieser sei von jemandem verschriftlicht worden, „der sich nicht auskannte“.

Schmid und Schiefer hatten anderes besprochen

So stehe darin etwa, dass der Vorstand der ÖBAG und der Aufsichtsrat allein durch die ÖVP nominiert werden sollten, die FPÖ sollte dann bis zu einem Drittel an Sitzen in den Aufsichtsräten der Unternehmensbeteiligungen bekommen. Er habe den Eindruck, dass aus dieser Diskrepanz genau die Missverständnisse entstanden seien, die dann auch in den bekanntgewordenen Chats ersichtlich waren.

Richter Michael Radasztics zitierte in seiner Befragung eine Aussage von Schmid, wonach sich dieser auch wunderte, dass die eigentliche Vereinbarung auf Basis der Gespräche, laut denen zwei Vertreter der FPÖ in den ÖBAG-Aufsichtsrat einziehen sollen, so nicht im Sideletter abgebildet sei. Das decke sich ja mit seinen Aussagen, so Schiefer dazu, der solche Gespräche grundsätzlich als Vermeidung von Dissens verteidigte.

Richter Michael Radasztics
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Richter Michael Radasztics befragte Arnold Schiefer zu Aussagen von Thomas Schmid

Schiefer gegen ÖBAG-Alleinvorstand

Er selbst sei immer gegen einen ÖBAG-Alleinvorstand gewesen, sagte Schiefer, der im Zuge der Gespräche auch eine Liste aller Beteiligungen und Aufsichtsräte erstellt hat, „was auch immer die Politik damit machen wollte“. Dabei sei es darum gegangen, alles aufzulisten, um auch etwaige Querschüsse der ÖVP abfangen zu können. So habe diese mehrfach – auch medial – kolportiert, dass die FPÖ womöglich gar nicht genug Personal oder auch Besetzungen zeitlich verpasst habe.

Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Sebastian Kurz ergriff zum Abschluss der Verhandlung das Wort

Seiner Erinnerung nach sei das Papier dann in das Finanzministerium gewandert und womöglich beim damaligen Finanzminister und dem Staatssekretär gelandet. Dass es offenbar Irritationen über die Personalwünsche der FPÖ gegeben habe, sei allein Thema der „ÖVP-Hemisphäre“ gewesen. Grundsätzlich sei die ÖBAG-Beschickung ein „Nebenthema“ gewesen, es sei eigentlich um das Gesetz gegangen.

Keine Party zwischen Schmid und Schiefer

Mit Schmid selbst habe er ein rein berufliches Verhältnis gehabt, so Schiefer. Gefragt vom Richter nach seiner Kommunikation mit Schmid, in der Schmid schreibt, „dann machen wir richtig Party“, sagte er, dazu sei es nicht gekommen. Sein persönliches Ziel sei auch nicht gewesen, von der ÖVP geliebt zu werden, so Schiefer sinngemäß, gefragt nach wenig freundlichen Nachrichten von Schmid über seine Person. Schmid sei seine Schnittstelle zur ÖVP gewesen, damit sei auch das Verhältnis zwischen ihnen definiert.

EX-ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer
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Schiefer beklagte einen SMS-Dschungel

Dass sich Schmid für den ÖBAG-Vorstand interessiert, sei ein „Dauergerücht“ gewesen, es seien aber in der ÖVP nicht alle hinter Schmid gestanden: „Die ‚Türkisen‘ und die ÖVP waren nicht eine Fraktion.“ Nach Vorhalt einer SMS, aus der Schmid sich entsprechend positionierte, meinte Schiefer: „Es ist eines von vielen SMS.“ Nach fünf Jahren könne er sagen, „dass einem nicht eine jede SMS erinnerlich ist“. Schmid sei es wichtig gewesen, Unstimmigkeiten zwischen den beiden Parteien beizulegen, um das Gesetz auf den Weg bringen zu können.

Schiefer: FPÖ mit mehr Handschlagqualität

Nach einer kurzen Pause befragte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Schiefer weiter. Schiefer wiederholte, dass für das Nominierungskomitee jedenfalls ausgemacht war, dass auch jemand von der FPÖ vorgesehen ist, was sich im finalen Sideletter nicht mehr abgezeichnet habe. Darauf habe er als Berater hingewiesen. Es sei allein Sache der Politik, wenn Abmachungen geändert werden.

Die Vertreter der WKStA am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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WKStA-Oberstaatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic

Dass der Finanzminister „nicht verzweifelt einen FPÖ-Vorstand sucht, war mir auch klar“, so Schiefer weiter. Ausgemacht war, dass sechs Aufsichtsräte als Kapitalvertreter in die ÖBAG einziehen. Kurz habe bei ihm jedenfalls niemals wegen einer bestimmten Person interveniert, so Schiefer gefragt von den WKStA-Oberstaatsanwälten Roland Koch und Gregor Adamovic nach seiner Position als ÖBB-Vorstand und der Umgestaltung des ÖBB-Vorstands.

Im Verbund habe es dann keinen Vertreter vonseiten der FPÖ gegeben, die ÖVP habe sich offenbar schwergetan, sich an die Vereinbarungen zu halten. Die FPÖ habe mehr Handschlagqualität gehabt. Im Zuge der Verhandlungen zum ÖBAG-Gesetz gab es offenbar wieder Debatten, Strache wollte alles hinwerfen und ÖBAG- und Aufsichtsreform (Finanzmarktaufsicht – FMA – und Notenbank) verweigern. Er selbst habe im Oktober mit Schmid über die FMA nicht mehr geredet, so Schiefer. Grundsätzlich sei aber sicher laufend über verschiedene Dinge geredet worden, gerade wenn etwas gestockt habe.

Bernhard Bonelli am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Dem ehemaligen Kurz-Büroleiter Bernhard Bonelli wird ebenfalls Falschaussage vorgeworfen

Kurz verweist auf Kontext der Chats

Zum Schluss der Verhandlung ergriffen auch der Anwalt von Kurz, Otto Dietrich, und Kurz selbst das Wort. Dietrich sagte, unter Bezug auf eine Aussage Schiefers, dass es ein einziger SMS-Dschungel (bezogen auf die Unterlagen für den Prozess, Anm.) sei, dass die Gesamtheit und der Kontext der Chats zeige, dass Kurz recht habe. Kurz fügte dann vertiefend hinzu, dass Schmid die Nähe zu ihm gesucht habe und sich selbst auch ungefragt lobe und für alles Mögliche bedanke, auch für absurde Dinge, so Kurz. Allerdings gebe es keinerlei „Herzerl oder Bussi-SMS“ rund um den Zeitpunkt, an dem er, Kurz, Schmid den ÖBAG-Alleinvorstand versprochen haben soll.

Kurz legte dann noch einen Chatverlauf vor, aus der Zeit, in der er die ÖVP als Parteichef übernommen hatte. Damals war Johannes Frischmann Pressesprecher im Finanzministerium, das Team von Kurz habe ihn als Pressesprecher für die Partei haben wollen. Kurz fragte demnach bei Schmid nach, warum Frischmann abgesagt hatte, darauf antwortete Schmid, dass er ihn nochmal fragen werde.

An Frischmann habe Schmid aber kurz davor geschrieben, er solle im Finanzministerium bleiben, da sei er die erste Geige, in der Bundespartei aber nur einer von vielen. Frischmann wechselte 2017 als Sprecher zu Kurz in dessen Funktion als Parteiobmann und Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl. Er, Kurz, sehe darin ein Musterbeispiel, dass die Chats im Kontext zu sehen seien und nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden dürften.