Eine Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser gebe es in Gaza praktisch nicht, sagte WFP-Direktorin Cindy McCain. Den Angaben der Organisation zufolge benötige fast die gesamte Bevölkerung Gazas dringend Hilfe.
Da der Winter schnell nahe, die Notunterkünfte unsicher und überfüllt seien und es an sauberem Wasser mangle, sei die Zivilbevölkerung unmittelbar von Hunger bedroht. Nur ein Bruchteil dessen, was benötigt werde, gelange über die Grenzen in den Gazastreifen, teilte McCain mit.
Telekomnetze bleiben unterbrochen
Nach Angaben des größten palästinensischen Telekomanbieters Paltel kamen bereits am Vortag alle Internet- und Telefonnetze in Gaza zum Erliegen. Anrufe gingen nicht durch, Nachrichten würden nicht zugestellt. „Alle Energiequellen, die das Netz versorgen, sind erschöpft, und kein Treibstoff durfte nachgeliefert werden“, hieß es. Die Organisation Netblocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, bestätigte via X (Twitter) die Unterbrechung.
UNO warnt vor Hungersnot in Gaza
Das UNO-Welternährungsprogramm (WFP) warnt vor einer Hungersnot in Gaza. Nach Angaben der WFP-Organisatorin Cindy McCain sei die Lage dramatisch: Nahrungsmittel und Wasser gebe es in Gaza praktisch nicht, fast die gesamte Bevölkerung benötige dringend Hilfe.
„Blackouts gefährden Sicherheit von Zivilisten“
Aufgrund des Treibstoffmangels sind laut WFP auch keine von der UNO betriebenen Bäckereien mehr in Betrieb. Nur ein Viertel der Lebensmittelgeschäfte sei geöffnet, hieß es. Die wenigen Lebensmittel, die in den Geschäften erhältlich sind, werden zu alarmierend überhöhten Preisen verkauft.
Die UNO hatte schon vor dem Stopp der Lieferungen gewarnt, dass der Ausfall die Verteilung der Hilfsgüter erschweren und zu Plünderungen führen könnte. Das UNO-Nothilfebüro (OCHA) erklärte Freitagfrüh mit Blick auf den Zusammenbruch: „Humanitäre Organisationen und Rettungsdienste haben gewarnt, dass Blackouts die Sicherheit von Zivilisten und die Bereitstellung lebensrettender Unterstützung gefährden.“
Israel erlaubt täglich zwei Tankwagen
Am Freitag erlaubte das israelische Kriegskabinett jedoch die Einfuhr von zwei Tankwagen pro Tag nach Gaza. Sie sollen den Bedarf der Vereinten Nationen decken. Die Entscheidung sei auf Anfrage aus Washington gefallen, hieß es. Die Treibstoffmenge werde die Wasser-, Abwasser- und Sanitärsysteme in Gaza „minimal“ unterstützen, um Pandemien vorzubeugen. Israel will verhindern, dass die Hamas sich den Treibstoff aneignet. Sie braucht diesen nicht zuletzt, um die Belüftung des unterirdischen Tunnelsystems aufrechtzuerhalten.
WHO will in Gaza Feldlazarette errichten
Unterdessen will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach den schweren Zerstörungen durch die israelischen Angriffe Feldlazarette einrichten. Das sagte der WHO-Vertreter für die Palästinensergebiete, Richard Peeperkorn, am Freitag. Vor Beginn des Krieges habe es im Gazastreifen rund 3.500 Krankenhausbetten gegeben. Heute stünden nur noch 1.400 zur Verfügung. Der Bedarf liege aber wegen der vielen Verletzungen bei 5.000.
Gleichzeitig zeigte sich die WHO wegen der Ausbreitung von Krankheiten im Gazastreifen alarmiert. Man sei deswegen „extrem besorgt“, so Peeperkorn. In dem dicht besiedelten Küstengebiet seien mehr als 70.000 Fälle von akuten Atemwegsinfektionen und über 44.000 Fälle von Durchfall registriert worden. Die Zahlen seien deutlich höher als erwartet.
Die WHO fordert zudem zur Entlastung der Krankenhäuser tägliche Evakuierungen nach Ägypten. Peeperkorn rief zu einem Mechanismus auf, um die Außerlandesbringung von dringenden Fällen zu erleichtern. Seinen Angaben zufolge müssten jeden Tag 50 bis 60 Patientinnen und Patienten nach Ägypten gebracht werden.
Hunderttausende noch immer in Nordgaza
In nördlichen Teil des Gazastreifens sollen sich fast sechs Wochen nach Kriegsbeginn immer noch rund 800.000 Menschen aufhalten. Das berichtete das OCHA unter Berufung auf die Palästinensische Statistikbehörde (PCBS) im Westjordanland am Freitag. Auf welcher Erhebung diese Schätzung beruht, blieb unklar. Laut nicht überprüfbaren Angaben der Hamas wurden bisher 12.000 Palästinenser im Krieg getötet.
Israels Armee forderte unterdessen die Bewohner in mehreren Stadtvierteln Gazas erneut zum Verlassen derselben auf. Bis zum Nachmittag sollten drei Wohngebiete „unverzüglich“ verlassen werden, teilte ein Armeesprecher am Freitag auf Arabisch via X (Twitter) mit. Zudem kündigte er im Süden des Gazastreifens für mehrere Stunden eine „taktische Pause“ westlich der Grenzstadt Rafah für „humanitäre Zwecke“ an.
Israel: Tote Soldatin geborgen
Zugleich barg das israelische Militär am Freitag nach eigenen Angaben die Leiche einer Soldatin, die von der Hamas als Geisel gehalten worden sei. Die Hamas habe die Soldatin in einem Gebäude in der Nähe des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt festgehalten, teilte das Militär mit. Bereits am Dienstag hatte die israelische Armee den Tod der 19-jährigen Soldatin Noa Marciano gemeldet.
Am Donnerstag wurde die Bergung einer toten Geisel in der Nähe des Spitals gemeldet. Die Zivilistin war den Angaben zufolge aus dem israelischen Grenzort Be’eri verschleppt worden. Gerichtsmediziner hätten die Leiche identifiziert, die Familie sei informiert worden, hieß es. Der Leichnam der Frau mit dem Namen Jehudit Weiss sei „in einer an das Al-Schifa-Krankenhaus angrenzenden Struktur“ entdeckt worden, hieß es. In dem Gebäude seien auch Waffen wie Maschinenpistolen und Panzerfäuste gefunden worden.
Israel meldet Tod von zwei Geiseln
Die israelische Armee gab an, die Leichen von zwei Geiseln gefunden zu haben. Sie seien von der Hamas am 7. Oktober verschleppt worden.
Israel: Waffen in Schule gefunden
Die israelische Armee hat nach eigener Darstellung Dutzende Mörsergranaten der Hamas in einer Kindertagesstätte und Waffen in einer Volksschule im Norden des Gazastreifens gefunden. Ein Teil der Kindertagesstätte habe als Lager für die Granaten gedient, hieß es in einem vom Militär veröffentlichten Video. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Unterdessen kündigte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi eine Ausweitung der Einsätze im Gazastreifen an. „Wir sind kurz davor, das militärische System im nördlichen Gazastreifen zu zerschlagen (…) Wir werden in anderen Gebieten weitermachen“, sagte Halevi laut Mitteilung am Freitag bei einem Truppenbesuch in Gaza. Am Abend bestätigte ein Militärsprecher, die Armee werde überall dort agieren, wo die Hamas existiere, „einschließlich des Südens des Gazastreifens“. Dorthin sind Hunderttausende Menschen, die im Norden wohnten, geflüchtet.
Hamas publiziert neues Geiselvideo
Die Terrororganisation Hamas veröffentlichte am Freitag ein weiteres Video einer Geisel. Der darin zu sehende Mann soll nach Darstellung des bewaffneten Arms der Islamistenorganisation inzwischen tot sein. Die Echtheit des Videos, das im Telegram-Kanal der Kassam-Brigaden veröffentlicht wurde, konnte zunächst nicht überprüft werden. Israel spricht von Psychoterror der Hamas.
Wieder Gefechte an libanesisch-israelischer Grenze
Unterdessen gab es an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon wieder Gefechte. Das israelische Militär meldete am Freitag, mehrere „Terrorziele der Hisbollah“ angegriffen zu haben. Darunter sei auch ein Waffenlager gewesen. Darüber hinaus sei im Grenzgebiet eine „im Libanon identifizierte Terrorzelle angegriffen“ worden. Das Militär habe mehrere Abschüsse aus der Grenzregion identifiziert. Die proiranische Hisbollah erklärte, israelische Ziele mit „angemessenen Waffen“ attackiert und „direkte Treffer“ erzielt zu haben.
Solidaritätsdemos nach Freitagsgebet
Tausende Menschen sind in verschiedenen arabischen Ländern erneut in Solidarität mit den Menschen in Gaza auf die Straße gegangen. In Jordanien fanden sich Hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach dem Freitagsgebet zu einem „Solidaritätsmarsch“ in der Hauptstadt Amman zusammen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Petra berichtete. Auch im Libanon gingen Augenzeugen zufolge Hunderte Demonstranten in der Hauptstadt Beirut auf die Straße. Sie zeigten in Tücher gewickelte Puppen, die die bei israelischen Militäreinsätzen getöteten Kinder in Gaza symbolisieren sollten. In Onlinenetzwerken waren Bilder zu sehen, wie Menschen auch in der katarischen Hauptstadt Doha ihre Solidarität mit den Palästinensern ausdrückten.