Christian Pilnacek
ORF.at/Roland Winkler
Pilnacek-Audio

Zadic kündigt Untersuchungskommission an

Nach den am Vortag aufgetauchten Tonaufnahmen des vor Kurzem verstorbenen Justizsektionschefs Christian Pilnacek will Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eine Untersuchungskommission einrichten. Nach den schweren Vorwürfen habe sie ihr Ministerium damit beauftragt, für umfassende Aufklärung zu sorgen, hieß es in einem Statement. Zuvor hatte ÖVP-Chef Karl Nehammer den in die Kritik geratenen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) verteidigt.

Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, ist auf der heimlichen Aufnahme bei einer abendlichen Runde mit Bekannten in einem Wiener Innenstadtlokal Ende Juli zu hören, in der er sagt, die ÖVP habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen abdrehe, was er stets alles abgewehrt habe. Namentlich nannte er unter anderen Sobotka, dem ORF liegt ein etwa zehnminütiger Mitschnitt vor.

„In den medial verbreiteten Tonbandaufnahmen werden schwere Vorwürfe erhoben“, so Zadic dazu am Mittwoch. „Diese zeigen klar, dass es eine von der Politik unabhängige Generalstaatsanwaltschaft braucht, an deren Spitze drei unabhängige Expertinnen gemeinsam entscheiden. Mehrere Köpfe – auf die sich die Macht verteilt – sind der beste Schutz gegen eine erfolgreiche politische Einflussnahme auf die Justiz.“

Zadic kündigt Untersuchungskommission an

Nach den am Vortag aufgetauchten Tonaufnahmen des vor Kurzem verstorbenen Justizsektionschefs Christian Pilnacek will Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eine Untersuchungskommission einrichten. Nach den schweren Vorwürfen habe sie ihr Ministerium damit beauftragt, für umfassende Aufklärung zu sorgen, hieß es in einem Statement. Zuvor hatte ÖVP-Chef Karl Nehammer den in die Kritik geratenen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) verteidigt.

Ähnliche Gremien wie jene vom Justizministerium nun angekündigte Untersuchungskommission wurden bereits nach dem Terroranschlag in Wien und zur Hypo Alpe Adria eingerichtet.

Nehammer: „Sobotka hat mein Vertrauen“

Davor hatte sich ÖVP-Chef Nehammer vor Sobotka gestellt: „Sobotka hat mein Vertrauen.“ Er ortete am Tag nach Bekanntwerden der Aussagen „einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung“. „Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was hier gerade passiert“, sagte der ÖVP-Chef im Pressefoyer nach dem Ministerrat. „Um Politik zu machen, wird die Totenruhe gestört.“ Das warf der Bundeskanzler auch Journalistinnen und Journalisten vor: „Sie würden mir die Frage nicht stellen, würden Sie die Totenruhe nicht stören.“

Pilnacek könne sich nicht mehr dazu äußern, sagte Nehammer, das sei „moralisch nicht vertretbar“. Er werde sich daher nicht an dieser Diskussion beteiligen. Auch der ÖVP-Chef verwies wie schon sein Generalsekretär Christian Stocker tags zuvor darauf, dass Pilnacek in Untersuchungsausschüssen unter Wahrheitspflicht klar gesagt habe, dass es keine Interventionen gegeben habe.

SPÖ: „Schaden von Republik abwenden“

Die Opposition erneuerte unterdessen die Rücktrittsforderungen an Sobotka – geschlossen wurde bei der Budgetdebatte im Nationalrat der Rückzug des Parlamentschefs gefordert. Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Philip Kucher meinte bei der von ihm gestarteten Geschäftsordnungsdebatte, Sobotka müsse wissen, was zu tun sei, um Schaden von der Republik abzuwenden. Das Amt werde durch ihn beschädigt: „Genug ist genug.“

Krainer sieht Van der Bellen in der Pflicht

Zu Wort meldete sich auch noch einmal der einstige SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, Kai Jan Krainer. Er forderte Sobotka ein weiteres Mal auf, das Amt zurückzulegen. Außerdem sah Krainer nicht mehr nur das Justizministerium in der Pflicht, sämtliche von Pilnacek erhobenen Vorwürfe aufzuklären, sondern auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Es sei „an der Zeit, dass der erste Mann im Staat hier Wort ergreift, denn es kann ihm ja nicht egal sein, wer der Mann hinter ihm ist“.

TV-Hinweis

Die Entwicklungen um das publik gewordene Pilnacek-Audio sind Thema der TV-Sendung „Runder Tisch“ um 22.25 Uhr in ORF2.

Einen Untersuchungsausschuss der Opposition zu Pilnaceks Aussagen – wie ihn tags zuvor die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer von sich aus für möglich gehalten hatte – erachtet Krainer für nicht notwendig, denn: „Die Frage der politischen Verantwortung ist hier gar keine Frage mehr.“

Kickl mit Vorwurf an Voglauer

Ausführlich sprach FPÖ-Klubchef Herbert Kickl, er ortete eine ganze Kette von schwerwiegenden Verfehlungen, die mit dem Nationalratspräsidenten im Zusammenhang stünden. Der zweithöchste Mann der Republik stehe im Verdacht, die Institutionen zum Durchsetzen parteipolitischer Machtinteressen zu missbrauchen, und dann fehlten ihm noch Horizont und Anstand zu wissen, was notwendig wäre.

Kickl warf Voglauer auch vor, die Verantwortung hin zu den Oppositionsparteien zu verschieben. Er appellierte bei einer Pressekonferenz an die „verantwortungsbewussten Kräfte innerhalb der ÖVP“, Sobotka dazu zu bringen, sein Amt niederzulegen und einen neuen ersten Nationalratspräsidenten zu präsentieren.

Eine Stellungnahme Van der Bellens forderte auch Kickl ein. In einer „demokratischen Notwehraktion“ will er die Klubobleute der anderen Parlamentsfraktionen – SPÖ, NEOS und Grüne – außerdem dazu einladen, gemeinsam beim Bundespräsidenten vorstellig zu werden, um ihm die „Dramatik der Situation“ darzulegen.

Er gehe zudem davon aus, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnehmen werde, gehe es doch um „Anstiftung zum Machtmissbrauch“. Die angekündigte Untersuchungskommission hielt er auf Nachfrage für „nichts anderes als eine Überschrift“, es gebe derzeit keinerlei Information dazu.

NEOS begrüßen Untersuchungskommission

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach sich bei einer Pressekonferenz für eine – später vom Justizministerium angekündigte – unabhängige Untersuchungskommission im Justizministerium aus, etwa unter Vorsitz einer Person wie der ehemaligen OGH-Präsidentin und Ex-NEOS-Abgeordneten Irmgard Griss nach dem Vorbild jener Kommission nach dem Terroranschlag in Wien, wie sie sagte.

Gleichzeitig brauche es eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bringe dagegen aufgrund der geringen zur Verfügung stehenden Zeit und der zu erwartenden „Schlamm-Catcherei“ nichts.

Rauch: „Ich hätte den Hut genommen“

„Wäre ich in der Situation von Sobotka, ich hätte meinen Hut genommen. Ich habe einen klaren moralischen Kompass“, zitiert unterdessen die „Kleine Zeitung“ (Onlineausgabe) am Mittwochabend Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Im Pressefoyer verwies Rauch zuvor darauf, dass seine Parteikollegin Zadic die „Garantin“ dafür sei, dass Dinge aufgeklärt werden – „in aller Ruhe, in aller Sorgfalt, in aller Deutlichkeit“.

Nehammer: „Sobotka hat mein Vertrauen“

„Sobotka hat mein Vertrauen“, hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach dem Ministerrat gesagt. Auch er sprach von einem „Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung“, das sei moralisch nicht vertretbar. Er finde es „persönlich mehr als pietätlos, was hier gerade passiert“. Um Politik zu machen, werde die Totenruhe gestört. Pilnacek könne sich nicht mehr dazu äußern. Nehammer wolle sich daher nicht an dieser Diskussion beteiligen.

Auch Generalsekretärin Voglauer hatte am Dienstag gemeint, sie an Sobotkas Stelle hätte angesichts früherer Vorwürfe „schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen“.

In einer schriftlichen Stellungnahme schrieb sie: „Was das Tonband wieder einmal aufbringt, ist, dass es früher offensichtlich ein Problem gegeben hat“, konkret nämlich, „dass es immer wieder die Versuche gegeben hat, dass man Einfluss auf die Justiz nimmt“. Das gehe, wie das auch in der Aufnahme angedeutet werde, mindestens ein Jahrzehnt zurück. „Das ist nichts Neues“, so Voglauer, aber: „Allein der Eindruck, dass das so gewesen sein könnte, ist Gift für eine Demokratie.“

Sonderpräsidiale noch am Mittwoch

ÖVP-Generalsekretär Stocker sah hingegen „aufgewärmte Vorwürfe“, um politisches Kleingeld zu wechseln – „am Rücken eines Menschen, der sich nicht mehr wehren kann“. Sobotka selbst sicherte zu, die von der Opposition gewünschte Sonderpräsidiale einzuberufen und dort alles „umfänglich“ anzusprechen. Ihm gehe es darum, dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen. Wie am späten Abend bekanntwurde, steht die Sonderpräsidiale noch am Mittwoch unmittelbar nach der Nationalratssitzung an. Beginn dürfte nach derzeitigem Stand gegen 19.30 Uhr sein.

ÖVP bringt Petzner ins Spiel

Fragen zu möglichen Hintermännern der heimlichen Aufnahme stellte Stocker unterdessen in einer Pressekonferenz und brachte auch einen Namen ins Spiel: jenen des früheren BZÖ-Politikers Stefan Petzner, der Verbindungen zur FPÖ habe. Petzner hatte in einem Interview auf oe24.tv am 6. November 2022 gesagt: „Auf den Wolfgang Sobotka kommt noch einiges zu, er weiß es nur noch nicht.“ Laut Stocker würden sich angesichts dieser Aussagen einige Fragen ergeben, „die beantwortet werden müssen“.

Beschuldigen wollte Stocker laut eigener Aussage Petzner nicht. „Ich unterstelle überhaupt nichts, aber ich stelle Fragen“, meinte er auf Nachfrage. Die Aussage des nunmehrigen Politberaters sei zudem vor dem angeblichen Aufnahmedatum des Tonbandmitschnitts mit Pilnacek erfolgt. Die Frage sei also, welche Informationen Petzner hatte und von wem. „Das sind Fragen, die man stellen muss. Stefan Petzner wird sie beantworten müssen aus meiner Sicht“, so der ÖVP-Generalsekretär.

Petzner will die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. Wie er die APA wissen ließ, prüfen seine Anwälte eine Klage wegen Kredit-und Rufschädigung gegen den ÖVP-Generalsekretär. Zudem verlangt Petzner eine Gegendarstellung von Stocker.