COP28-Plakar in Dubai
AP/Kamran Jebreili
Öldeals bei COP28?

Geleakte Pläne setzen Dubai unter Druck

Auf der anstehenden UNO-Klimakonferenz (COP28) soll es eigentlich um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern gehen. Rund 80.000 Teilnehmende werden deshalb in Dubai erwartet, um Möglichkeiten auszuloten. Der diesjährige Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), dürfte aber auch ganz andere Pläne haben, wie durchgesickerte Dokumente zeigen.

Als wäre der Gastgeber wegen seiner Öl- und Gasindustrie nicht schon umstritten genug, berichtete die BBC am Montag, dass die Emirate bei der COP28 noch andere Interessen verfolgen. Konkret sollen die Emirate mit 15 anderen Staaten über künftige Öl- und Gasdeals Gespräche führen. Gegenüber der BBC sprach das COP28-Team der VAE von „privaten Treffen“, die auch „privat“ bleiben. Das für den COP28-Gipfel zuständige UNO-Gremium betonte, dass man vom Gastgeber erwarte, unvoreingenommen und ohne Eigeninteresse zu handeln.

Wenn es auf dem Weltklimagipfel dennoch um Eigeninteressen geht, dann sind es mit Blick auf die Emirate wohl Öl und Gas. Das Gastgeberland ist nämlich der siebentgrößte Ölförderer der Welt, bei Erdgas belegt es Platz 15. Nur in sechs anderen Ländern sind die nachgewiesenen Reserven größer, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Öl- und Gasexporte steuern ein Drittel zur Wirtschaftsleistung bei.

Weltklimakonferenz

Bei der Conference of the Parties (COP) kommen die EU und die 197 beteiligten Staaten zusammen, die 1992 in Rio de Janeiro die UNO-Rahmenkonvention zum Klimawandel unterzeichnet haben. Die COP findet jährlich in einer anderen Stadt statt, die zweiwöchigen Verhandlungen dienen der Formulierung eines Beschlusstextes.

Dass ausgerechnet der Chef des staatlichen Ölkonzerns ADNOC, Sultan Ahmed al-Dschaber, die Präsidentschaft der COP28 übernommen hat, stößt daher nicht nur bei Klimaaktivisten und -aktivistinnen auf Kritik. Es handle sich um einen „Ölkonzern, der über einen eigenen Staat verfügt“, sagte ein Beobachter zur Nachrichtenagentur AFP. Im Mai forderten mehr als 100 Mitglieder des US-Kongresses und des Europäischen Parlaments den Rücktritt von Dschaber, der auch Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate ist.

Ölkonzern ADNOC „bereit“ für Gespräche

Die neuen Dokumente, die die BBC mit unabhängigen Journalisten und Journalistinnen des Centre for Climate Reporting auswertete, wurden vom COP28-Team der VAE für Treffen mit mindestens 27 ausländischen Regierungen im Vorfeld des COP28-Gipfels, der am Donnerstag beginnt, vorbereitet. Die Dokumente würden Vorschläge für Gesprächspunkte enthalten. Für ein Treffen mit China sei etwa die Zusage ventiliert worden, dass ADNOC bereit sei, gemeinsam internationale LNG-Möglichkeiten (Flüssigerdgas) in Mosambik, Kanada und Australien zu evaluieren.

Sultan Ahmed al-Dschaber
AP/Kamran Jebreili
Dschaber kann die Kritik an seiner Rolle nicht nachvollziehen

In den Dokumenten, die für Industrieminister Dschaber erstellt worden seien, wird geraten, einem kolumbianischen Minister mitzuteilen, dass ADNOC „bereit“ sei, Kolumbien bei der Erschließung seiner fossilen Ressourcen zu unterstützen. Der brasilianische Umweltminister sollte um Hilfe gebeten werden, um die Übernahme des lateinamerikanischen Öl- und Gasverarbeitungsunternehmens Braskem durch ADNOC abzustimmen und zu unterstützen.

Für weitere Länder gibt es Gesprächspunkte, laut denen ADNOC ihnen mitteilen soll, dass es mit ihren Regierungen bei der Entwicklung von Projekten für fossile Brennstoffe zusammenarbeiten möchte. Aus den Unterlagen geht außerdem hervor, dass die VAE im Vorfeld der Treffen mit 20 Ländern Gesprächspunkte über kommerzielle Möglichkeiten für ihr staatliches Unternehmen für erneuerbare Energien, Masdar, vorbereitet haben.

Keine Auskunft über Inhalte

Ein Sprecher der COP28-Konferenz bezeichnete die Dokumente als „fehlerhaft“ und erklärte, diese seien von der COP28-Leitung „während ihrer Treffen nicht genutzt worden“. Es sei „äußerst enttäuschend“, dass die BBC sich auf „ungeprüfte Dokumente“ stütze.

Über den Inhalt der Vorbereitungsgespräche gab das COP28-Team keine Auskunft. Die Arbeit der VAE konzentriere sich auf „sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen“. Vor Wochen erklärten die VAE, dass der Gipfel unabhängig von ADNOC- und Masdar-Interessen vonstattengehen wird. Der frühere Umweltminister Perus und Präsident der COP20 in Lima, Manuel Pulgar-Vidal, befürchtet allerdings einen „Vertrauensverlust“, wie er gegenüber der BBC sagte: „Wenn ein Präsident der COP versucht, ein bestimmtes Interesse einzubringen, kommerzielle Interessen, könnte dies das Scheitern der COP bedeuten.“

Verbindlichkeit gefordert

Schon vor den neuen Dokumenten war die Kritik an Industrieminister Dschaber laut. Der ADNOC-Chef sagte zwar, die Welt müsse die Abhängigkeit fossiler Brennstoffe „abbauen“, verzichtete aber auf Forderungen nach einem vollständigen Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas. Auch, dass er für die umstrittene Abscheidung und Speicherung von CO2 („Carbon Capture“) wirbt, sorgte für Kritik.

Dschaber selbst kann die Kritik an seiner Rolle nicht nachvollziehen. „Die Leute, die mir einen Interessenkonflikt vorwerfen, kennen meinen Werdegang nicht“, sagte er im Juli. „Ich bin jemand, der sich den Großteil seiner Karriere mit Nachhaltigkeit beschäftigt hat.“ 2006 gründete er Masdar. Als Chef von ADNOC erklärte er 2016, den Öl- und Gasriesen in die Klimaneutralität führen zu wollen.

Auch COP28-Generaldirektor Madschid al-Suwaidi wies die Vorbehalte gegenüber seinem Land zurück. „Die Emirate sind ein führendes Land in Sachen Klimawandel, wir haben unseren Teil der Arbeit getan“, erklärte er im September. Der frühere COP-Präsident Laurent Fabius attestierte Dschaber Arbeitseifer und genaue Sachkenntnis. „Er ist sehr direkt, er ist bereit zuzuhören“, sagte auch Harjeet Singh, COP-Veteran vom Climate Action Network.

LNG-Gas in Katar
IMAGO/Laci Perenyi
Die Zukunft von fossilen und erneuerbaren Energieträgern wird wohl für Diskussionen bei der COP sorgen

Bericht über großangelegte PR-Aktionen

Fest steht, dass sich die Emirate der schiefen Optik bewusst sind – und eifrig gegensteuern. So berichtet CNN von Akten des US-Justizministeriums, aus denen hervorgehe, dass die Regierung und staatliche Unternehmen einige der größten PR-Firmen der Welt beauftragt hätten, um das Klimaimage zu verbessern. Laut dem Centre for Climate Reporting und dem „Guardian“ bearbeiteten Mitglieder des COP28-Teams Wikipedia-Seiten über Dschaber und wollten etwa Verweise auf ein großes Ölgeschäft sowie kritische Medienberichte löschen.

Und der Desinformationsexperte Marc Owen Jones beobachtete eine „große Anzahl“ gefälschter Twitter-Konten, die die Umweltbilanz der Emirate anpriesen. Es lasse „die Alarmglocken schrillen, wenn man bedenkt, wie sehr diese Art von Einflussnahme zunehmen und immer ausgefeilter und komplexer werden wird, je näher der Zeitpunkt rückt“, sagte Jennie King, Leiterin der Klimaforschung und -politik am Institute for Strategic Dialogue (ISD), gegenüber CNN.

Manche sehen gerade in Dschabers Doppelrolle eine Chance für Erfolge. Sie könne womöglich dazu beitragen, dass er die fast 200 Teilnehmerstaaten mit ihren widersprüchlichen Interessen zu einer Einigung führt, sagte ein europäischer Verhandler gegenüber der AFP. Denn die Formulierung eines Beschlusstextes nach den zweiwöchigen Verhandlungen gestaltet sich in der Regel als schwierig, muss er doch konsensuell angenommen werden.

Handlungsdruck ist hoch

Der Handlungsdruck ist jedenfalls hoch. Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird immer unrealistischer, warnte zuletzt die UNO. Die britische Sonntagszeitung „The Observer“ sieht in der COP28 „praktisch die letzte Chance für die Menschheit zu einer Kursänderung und für die Delegierten, sich darauf zu verständigen, wie unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beendet werden soll“.

Dschaber will nach eigener Aussage dazu beitragen, das 1,5-Grad-Ziel „in Reichweite zu halten“. Er werde „mit allen zusammenarbeiten, einen Plan zu entwickeln, der erreichbar, umsetzbar, realistisch und pragmatisch ist und der echte Ergebnisse liefert“. Ob seine Präsidentschaft zu ähnlich bedeutsamen Zusagen wie 2015 bei der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens führt, wird sich ab dem 12. Dezember weisen.