SIGNA Zentrale in Wien
ORF/Christian Öser
Signa-Pleite

Überblick dürfte einige Wochen dauern

Der Insolvenzverwalter der Signa Holding, der Anwalt Christof Stapf, traut sich erst in einigen Wochen eine Einschätzung zu, ob der Plan, die mit fünf Milliarden Euro verschuldete Firma zu sanieren, hält. Erst bei der Berichtstagsatzung am 19. Dezember „wird sich eine Einschätzung treffen lassen, wie realistisch der vorgelegte Finanzplan ist und ob ein Sanierungsplan erfüllt werden kann“, sagte Stapf am Donnerstag. Unterdessen gibt es noch keine Angaben über eine nun fällige Anleihe der Signa Prime Finance mit über 200 Millionen Euro.

Stapf wurde am Mittwochabend zum Insolvenzverwalter der Dachgesellschaft des Signa-Firmengeflechts des Tiroler Immobilieninvestors Rene Benko bestellt. Mit Schulden von geschätzt fünf Milliarden Euro ist es die größte Insolvenz in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte.

Gläubigerschützer sehen die Signa Holding vor einem „Husarenritt“, wie es Creditreform-Geschäftsführer Gerhard Weinhofer im Gespräch mit der APA ausdrückte. Es herrsche hoher Zeitdruck für die Bewertung der Beteiligungen. Außerdem stelle sich die Frage, ob die Quote tatsächlich bedient werden kann.

Bei einem Obligo von fünf Milliarden Euro müssten den Gläubigern innerhalb von zwei Jahren rund 1,5 Milliarden Euro gezahlt werden. Der Liquidationswert – jener Wert, der im Fall einer Zwangsverwertung zu erlösen wäre – liegt derzeit jedoch nur bei 314 Millionen Euro.

SIGNA Baustelle auf der Mariahilfer Straße in Wien
ORF/Christian Öser
Das Lamarr auf der Wiener Mariahilfer Straße

Stapf: Dimension und Komplexität anders

„Wir haben unverzüglich mit der Überprüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens begonnen“, so Stapf, der gemeinsam mit seinem Kanzleipartner Michael Neuhauser das Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung überwacht, gegenüber der APA. Die Insolvenz der Signa Holding sei aufgrund ihrer Dimension und Komplexität anders gelagert als übliche Sanierungsverfahren. „Die eingehende Prüfung wird die volle Zeit bis zur ersten Berichtstagsatzung in Anspruch nehmen“, so Stapf, der bis dahin auch keine weiteren Stellungnahmen zum Verfahren geben will.

Die Prüfungstagsatzung ist für den 29. Jänner sowie die Sanierungsplantagsatzung für den 12. Februar geplant. Die Anmeldefrist für Gläubiger, denen die Signa Holding Geld schuldet, ist der 15. Jänner 2024.

Für Stapf ist es nicht das erste große Insolvenzverfahren, er war Masseverwalter bei Yline, beim Wiener Ringstraßen-Hotel „Le Meridien“ und bei den Modeketten mister*lady und Pimkie. Auch die Pleite des Poker-Casinos Montesino des Glücksspielunternehmers Peter Zanoni wickelte er ab.

Keine Angaben zu fälliger Anleihe

Bei der am Donnerstag fälligen Anleihe der Signa Prime Finance mit einem Volumen von 201,5 Millionen Euro gibt es bisher keine Informationen zur Rückzahlung. Auf APA-Anfrage reagierte Signa-Sprecher Robert Leingruber vorerst nicht.

Die Anleihe „Signa Finance 2020 5.C.S., Senningerberg“ mit Fälligkeit 30. November wurde am 30. Juli 2020 begeben. Die Finanzverbindlichkeiten und Derivate der bisher nicht insolventen Signa-Prime-Gruppe beliefen sich laut Konzernabschluss per Ende 2022 auf 10,7 Milliarden Euro, davon entfielen 2,4 Milliarden Euro auf kurzfristige Verbindlichkeiten.

Innenstadtimmobilien gebündelt

In der Signa Prime sind Immobilien in innerstädtischen Bestlagen in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Norditalien und Großbritannien gebündelt. Das Immobilienvermögen (Investment Property) gab die Signa Prime im Jahresabschluss 2022 mit 14,2 Milliarden Euro an. Im Jahr davor waren es 15 Milliarden Euro gewesen.

Signa-Kredite: 2,2 Mrd. bei heimischen Banken

Durch die Insolvenz der Signa Holding des Tiroler Investors Rene Benko dürften mehrere heimische Banken auf offenen Krediten in Höhe von insgesamt 2,2 Milliarden Euro sitzen.

Für Weinhofer stellt die Bedienung der Anleihe jedenfalls eine finanzielle Belastung für die Signa Prime dar. Ob auch sie Insolvenz wird anmelden müssen, bleibe abzuwarten, sagte er im Gespräch mit der APA. Seiner Einschätzung nach stehe die Unternehmensgruppe nach der Pleite der Holding aber am „Beginn einer möglichen Kette von Insolvenzen“.

Suche nach Investoren

Steigende Zinsen und Baukosten sowie sinkende Immobewertungen und Rückgänge im Handelsgeschäft lösten die Insolvenz der Signa Holding aus. „Trotz erheblicher Bemühungen in den letzten Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden“, gab Signa bekannt. Die Signa Prime versucht laut einem Insider, sich in Gesprächen mit Investoren „dringend benötigte liquide Mittel zu sichern“. Es sei aber offen, ob das gelingen werde, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Mittwoch laut Reuters.

Das von Benko aufgebaute Immobilienimperium ist in der Nullzinsphase der vergangenen Jahre rasant gewachsen und hat vor allem Handelsimmobilien übernommen. Die Signa-Führung räumte am Mittwoch ein, dass die Investitionen in diesem Bereich nicht den erwarteten Erfolg gebracht hätten.

Unklarheit über Lamarr in Wien

Zur Unternehmensgruppe gehören zahlreiche Geschäftsimmobilien in Deutschland und Österreich sowie der deutsche Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der bereits zwei Insolvenzverfahren hinter sich hat. In Hamburg baut Signa gerade den 245 Meter hohen Elbtower. Das Projekt steht derzeit aber still, weil sich Signa die monatlichen Baukosten von kolportiert 25 Millionen Euro nicht mehr leisten kann.

Wie es in Wien mit der Großbaustelle Lamarr am früheren Leiner-Standort in der Mariahilfer Straße weitergeht, ist unklar. Das Edelkaufhaus sollte 2025 eröffnet werden, bisher steht nur das Stahlbetongerippe.

Kika/Leiner: Nicht von Insolvenz betroffen

Ein Firmensprecher von kika/Leiner sagte am Donnerstag, es gebe zunehmend Anfragen von potenziellen Kunden, ob kika/Leiner von der Signa-Insolvenz betroffen sei. Das sei nicht der Fall. Signa hatte kika/Leiner nur knapp vor der Insolvenz verkauft.

Die noch verbliebenen 17 kika/Leiner-Einrichtungshäuser haben offen, während sie saniert werden. Angefragt werde dem Sprecher zufolge aber wegen der aktuellen „Berichterstattung, in der kika/Leiner immer wieder als Beispiel für die schlechte wirtschaftliche Lage der Signa-Gruppe herangezogen wird“. Dabei werde der Sanierungsplan „mit hohem Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und des Managements umgesetzt“.

Nur einzelne Kaufhausstandorte veräußerbar?

In Deutschland hat die Warenhauskette der Signa aus Sicht von Handelsexperten geringe Überlebenschancen. Experte Gerrit Heinemann von der deutschen Hochschule Niederrhein etwa kann sich nicht vorstellen, dass ein Investor Interesse haben könnte, den Konzern zu übernehmen. „Die Aussichten sind düster. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten macht das keinen Sinn“, sagte Heinemann der dpa.

Es sei aber denkbar, dass das thailändische Handelsunternehmen Central Group zumindest einzelne Galeria-Standorte in den deutschen Großstädten übernehmen könnte. Dem Konzern gehören Luxuswarenhäuser, unter anderem das Berliner KaDeWe, das Alsterhaus in Hamburg und das Oberpollinger in München. Das Schweizer Tochterunternehmen Signa Retail Selection AG, zu der auch Galeria zählt, hatte am Mittwoch Gläubigerschutz bei Gericht beantragt.

Auch SportScheck stellt Insolvenzantrag

Der zur Signa Holding gehörende Sportartikelhändler SportScheck stellte indessen einen Insolvenzantrag. Das Unternehmen mit deutschlandweit 34 Filialen und rund 350 Millionen Euro Jahresumsatz teilte am Donnerstag mit, nach dem Insolvenzantrag der Signa Holding sei SportScheck zahlungsunfähig.

Die im Herbst angekündigte Übernahme von SportScheck durch den britischen Modehändler Frasers Group werde jetzt zwar „erst einmal nicht vollzogen werden; Frasers hält jedoch weiter an seinen Übernahmeplänen fest“, teilte das Unternehmen weiters mit. Weitere potenzielle Investoren hätten Interesse an der Übernahme von SportScheck bekundet, der Prozess sei nun wieder offen. „Dies stimmt SportScheck zuversichtlich, einen neuen starken Partner zu finden, der dem Unternehmen langfristig Stabilität zusichert.“