COP28 in Dubai
Reuters/Thomas Mukoya
Fossile Energie

Ärger über Anzahl der Lobbyisten bei COP28

Auf der Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai sind laut einer Datenanalyse von Aktivistinnen und Aktivisten mindestens 2.456 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas offiziell akkreditiert – viermal mehr als auf dem Treffen in Ägypten im vergangenen Jahr. Das sorgt für scharfe Kritik von Klimaschutzorganisationen und indigenen Gruppen, die einmal mehr auf einen Ausstieg aus fossiler Energie pochen.

Die Auswertung wurde am Dienstag von der Koalition „Kick Big Polluters Out“ veröffentlicht, die unter anderem von Global Witness, Transparency International, Greenpeace und dem Climate Action Network getragen wird. Ausgewertet wurden öffentlich zugängliche Daten des UNO-Klimasekretariats (UNFCCC).

Der Analyse zufolge haben die Lobbyisten mehr Zugangspässe erhalten als alle Delegationen der zehn durch die Erderwärmung verwundbarsten Staaten. Somalia, der Tschad, Niger, Guinea-Bissau, Mikronesien, Tonga, Eritrea, der Sudan, Liberia und die Solomonen stellen zusammen lediglich 1.509 Delegierte.

„Vergiftete Präsenz der großen Verschmutzer“

David Tong von Oil Change International prangerte an, dass die fossile Industrie und ihre Unterstützer in vielen Regierungen weiter Milliarden in klimaschädliche Geschäfte investierten – mit „desaströsen Folgen“ für Mensch und Planet. Daher sei für ihn klar: „Lobbyisten für Kohle, Gas und Öl müssen rausgeworfen werden aus der COP28.“

Alexia Leclercq von der Initiative Start:Empowerment sagte, niemand glaube ernsthaft, dass Shell, Chevron oder ExxonMobil ihre Lobbyisten nach Dubai schickten, nur um die Konferenz passiv zu beobachten. „Die vergiftete Präsenz der großen Verschmutzer hat uns jahrelang abgelenkt und daran gehindert, Wege zu finden, damit fossile Energieträger im Boden bleiben.“

Weltklimakonferenz

Bei der Conference of the Parties (COP) kommen die EU und die 197 beteiligten Staaten zusammen, die 1992 in Rio de Janeiro die UNO-Rahmenkonvention zum Klimawandel unterzeichnet haben. Die COP findet jährlich in einer anderen Stadt statt, die zweiwöchigen Verhandlungen dienen der Formulierung eines Beschlusstextes.

Die Initiative wies zudem darauf hin, dass etwa achtmal so viele Fossil-Lobbyisten auf der Konferenz der knapp 200 Staaten unterwegs seien wie offizielle Vertreter indigener Gemeinschaften (316). Aktivistinnen und Aktivisten, darunter indigene Gruppen, hielten auf dem Gelände der Konferenz in Dubai ein Plakat einer brennenden Erde in die Höhe. „Große Verschmutzer, es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen“ (Original: „Big Polluters, Time To Own Up!“), hieß es auf anderen Schildern.

Rekordaufgebot an Teilnehmenden

Insgesamt hat die UNO nach eigenen Angaben für das zweiwöchige Treffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Rekordzahl von rund 97.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern registriert. Laut der Analyse waren im vergangenen Jahr in Scharm al-Scheich 636 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas unterwegs, 2021 in Glasgow 503.

Der Mitteilung zufolge hat etwa Frankreich Vertreter der Konzerne TotalEnergies und EDF als Teil der Delegation akkreditiert, ebenso handhabe es Italien mit ENI. Die EU habe Angestellte von BP, ENI und ExxonMobil dabei. Joseph Sikulu von der Umweltorganisation 350.org in der Pazifikregion sagte dazu: „Wir kommen hierher, um für unser Überleben zu kämpfen – welche Chance haben wir, wenn unsere Stimmen durch den Einfluss großer Umweltverschmutzer erstickt werden? Diese Vergiftung des Prozesses muss beendet werden.“

Debatte über mögliches Aus für „Fossile“

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary berichtet von der Weltklimakonferenz in Dubai. Er spricht über den Widerstand einiger Länder gegen den Ausstieg aus fossilen Energien.

Gezählt wurden für die Auswertung nur Delegierte, die offen ihre Verbindungen zu Interessen im Bereich der fossilen Brennstoffe offenlegen. Zum Abgleich stützten sich die Autoren ausschließlich auf öffentliche Quellen wie Unternehmenswebsites, Medienberichte und Datenbanken wie InfluenceMap.

Ausstieg aus fossiler Energie größte Streitfrage

Bereits am Wochenende hatten Aussagen des Präsidenten der COP28, Ahmed al-Dschaber, zu fossiler Energie einmal mehr die zentralen Bruchlinien der COP28 vor Augen geführt. Die Emirate und mehrere andere Länder wollen weiter auf Kohle, Gas und Erdöl setzen und Technologien wie CO2-Speicherung und -Abscheidung nutzen. Diese werden von Fachleuten aber als wissenschaftlich umstritten, teuer und nicht zeitnah im größeren Maßstab einsetzbar bewertet.

Dschaber leitet auch den staatlichen Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und war deshalb bereits im Vorfeld der COP in Kritik geraten. In einem am Dienstag in Dubai vorgestellten Briefing kritisierte etwa die Organisation urgewald gemeinsam mit Banktrack, LINGO und Reclaim Finance eine Beteiligung von einigen der größten internationalen Öl- und Gasunternehmen an der Expansion von ADNOC in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Formulierung von Schlusstext weiter ungewiss

Für viele Teilnehmende der Konferenz könne die COP28 jedenfalls nur dann als Erfolg gewertet werden, wenn sie auch tatsächlich zu einem Abkommen über den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen führt, berichtete der US-Sender CNBC. Ein am Dienstag verbreiteter neuer Textentwurf für das geplante Abschlussdokument führt zunächst nur verschiedene Optionen auf. Eine davon ist, das Thema gar nicht zu erwähnen.

Die am weitesten gehende Variante ruft auf zu einem „geordneten und fairen Ausstieg aus fossilen Energien“. Eine dritte Variante ruft dazu auf, „die Anstrengungen zu beschleunigen für einen Ausstieg aus fossilen Energien, sofern es keine Vorrichtungen für die Abscheidung der Emissionen gibt, und ihre Nutzung rasch zu verringern, um CO2-Neutralität im Energiesystem bis oder ungefähr zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“.