Nationalratssitzung
ORF/Roland Winkler
Regierungspläne

NR knöpft sich Gesundheitsreform vor

Lange wurde um die Gesundheitsreform gerungen, nun soll sie im Nationalrat beschlossen werden. Am Mittwoch werden die Abgeordneten über die Regierungspläne debattieren. Schon im Vorfeld hatte die Opposition allerdings ihre Kritik an der Reform geäußert. Zum einen wird mehr Geld gefordert, zum anderen beklagt, dass Steuergeld verpulvert werde.

Die Debatte über die Reform startete bereits in der Aktuellen Stunde. Unter dem Titel „Termingarantie statt Zweiklassenmedizin! Dafür braucht es mehr Geld, Herr Finanzminister!“ sagte SPÖ-Klubchef Philip Kucher in der Aktuellen Stunde, dass man den heimischen Gesundheitsbereich zwar mit „Krankjammern“ nicht verbessern werde, „aber mit Schönreden auch nicht“. Er kritisierte, dass die Regierung zu wenig in den Gesundheitsbereich investiere. Von ÖVP und Grünen verlangte Kucher „mehr Ehrlichkeit“. „Wird das Budget reichen? Was wird nicht besser?“

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zeigte sich erfreut, dass auch der Gesundheitsminister auf der Regierungsbank Platz genommen hat. „Gesundheitspolitik ist Sache des Gesundheitsministers“, sagte er in Richtung Kucher. Dennoch führte Brunner ausführlich aus, warum die vorliegende Gesundheitsreform den Gesundheitsbereich absichern werde. Zu den geplanten Finanzmitteln betonte der Ressortchef, dass es „unser aller Geld“ sei. „Es geht nicht darum, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sondern auch um Reformen.“

Im Gesundheitsausschuss wurde die Reform mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen. Aus Regierungssicht werden in den kommenden fünf Jahren rund 14 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege zur Verfügung stehen. Mit dem Geld sollen Hunderte zusätzliche Kassenstellen geschaffen werden, zudem will man Strukturreformen in den Spitälern finanzieren. Die Ärztekammer verliert Kompetenzen, aber nicht in dem Ausmaß wie angekündigt.

SPÖ fordert „Patientenmilliarde“

Während davon auszugehen ist, dass sich sowohl ÖVP- als auch Grünen-Abgeordnete im Nationalrat für die Reform aussprechen, zeigte sich die Opposition kritisch. Die SPÖ forderte etwa mehr finanzielle Mittel für den Gesundheitsbereich. Ein Finanzausgleich sei „besser als keiner“, man müsse aber die „Wahrheit“ sagen, so SPÖ-Klubobmann Kucher: „Das Budget wird in dieser Form nicht reichen.“

Eine Patientin wird beim Arzt bandagiert
ORF.at/Birgit Hajek
Der Gesundheitsbereich muss verarztet werden – über die Mittel der Medizin sind sich die Parteien uneins

Kucher wies gemeinsam mit ÖGK-Obmann Andreas Huss einmal mehr auf Mängel im Gesundheitssystem hin – Ärzte- und Pflegepersonal-Mangel, Verschiebungen von Operationen, lange Wartezeiten und Vorteile für Privatzahler. Das Defizit der Gesundheitskasse sei 2023 höher als jene Mittel, die durch die Reform für den niedergelassenen Bereich freigemacht werden sollen. Auch verwiesen Kucher und Huss darauf, dass ein Teil dieser Mittel für Impfvorsorge, Telemedizin und Gesundheitsvorsorge gebunden sei.

Die SPÖ forderte daher die von der ÖVP-FPÖ-Regierung versprochenen „Patientenmilliarde“. Daneben wurde ein Gesamtvertrag für Ärztinnen und Ärzte, der Ausbau des Leistungsangebots und gleich gute Leistungen für alle Patienten und Patientinnen verlangt. Außerdem müsse man den Ärztemangel auch mittelfristig bekämpfen. Dazu will die Sozialdemokratie eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze.

FPÖ: Millionen Steuergeld werden verpulvert

Auch die FPÖ hatte Kritik an der Gesundheitsreform geübt. Millionen Steuergeld würden dadurch verpulvert, zum Schaden von Patienten und Beschäftigten, hielt FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak fest. Er merkte an, es handle sich um eine „Pseudoreform“, mit der nur die Länder und die Sozialversicherung zufrieden seien. Zwar werde eine zusätzliche Milliarde Euro ausgeschüttet, doch ohne klare Ziele oder Sanktionsmöglichkeiten.

Der niedergelassene Bereich komme nach Ansicht von Kaniak zu kurz, dazu werde noch die Ärztekammer entmachtet und damit die „Gesundheitssozialpartnerschaft“ zerstört. Die Ärzte drohten nach Deutschland und in die Schweiz abzuwandern, und die kassenärztliche Versorgung werde weiter leiden, prophezeite er. Auch die freie Arztwahl sieht die FPÖ gefährdet, etwa durch Pläne zur elektronischen Terminfindung.

Das kommende Bewertungsboard für neue und teure Arzneimittel bezeichnete Kaniak erneut als „Sterbekommission“, denn diese werde auf Zeit spielen und auf Kostenreduktion setzen. Allein auf eine Erstentscheidung werde man fünf Monate lang warten müssen. „In der Zwischenzeit ist der Patient längst verstorben“, so Kaniak. Auch an der Zentralisierung des Arzneimitteleinkaufs zweifelte er.

NEOS will Bildung in den Mittelpunkt rücken

Kritisch sieht auch NEOS die Gesundheitsreform. Dessen Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler hatte einen Finanzausgleich ohne weitreichende Reformen im Gesundheitssystem geortet. Am Mittwoch will die kleinste Oppositionspartei allerdings ihren Fokus auf die jüngsten PISA-Ergebnisse richten, wie Parteiobfrau Beate Meinl-Reisinger und Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre am Dienstag ankündigten. „In Wahrheit“ müsste ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek gehen, befand Meinl-Reisinger.

Um sein Anliegen voranzutreiben, wird NEOS einen Dringlichen Antrag einbringen. Stoßrichtung dabei ist, dass Kanzler und Vizekanzler Bildung zur Chefsache machen und einen nationalen Dialog starten. Von NEOS werden dabei Forderungen etwa nach mehr Mitteln in der Elementarpädagogik, einer Digitalisierungsoffensive, echter Schulautonomie und Bürokratieabbau eingebracht, wie Künsberg Sarre erläuterte.

Erbost hat NEOS, dass Polaschek das PISA-Ergebnis sogar positiv gewertet hat, nur weil Österreich weniger abgerutscht ist als andere Staaten. Es sei „unerträglich“, dass sich Österreich in so vielen Bereichen mit dem Mittelmaß zufriedengebe, ärgerte sich Meinl-Reisinger. Dass Schule im 21. Jahrhundert etwas anderes leisten müsse als in den Jahrhunderten davor, wisse jeder – nur nicht der Bildungsminister.

ÖVP und Grüne loben Maßnahmen

Am Mittwoch betonten ÖVP und Grüne nach dem Ministerrat, dass man viele Maßnahmen für den Kampf gegen die hohe Inflation beschlossen habe, etwa die Strompreisbremse, die nun bis Ende 2014 verlängert wird. Mit dem Mietpreisdeckel, der am Freitag auf der Tagesordnung des Nationalrats steht, werde man einen weiteren Schritt gehen, sagte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer. „Wir Grüne stehen für ein nachhaltig leistbares Wohnen.“

ÖVP-Klubobmann August Wöginger fragte sich bei der gemeinsamen Pressekonferenz: „Wo bleibt die Opposition? Jetzt haben wir den Antrag mühsam umschreiben müssen.“ In der Tat wurde der Entwurf zum Mietpreisdeckel geändert, weil ÖVP und Grüne die Opposition nicht von einer Verfassungsbestimmung überzeugen konnte.

ÖVP und Grüne wollen die Mietpreisdeckel für 2024 und 2025 auf 2,5 Prozent Mieterhöhung pro Jahr bzw. maximal fünf Prozent für zwei Jahre festlegen. Im darauffolgenden Jahr solle die Erhöhung auf fünf Prozent begrenzt werden. Wesentliche Änderung gegenüber dem ursprünglichen Plan: Für 2024 entfallen die Erhöhungen bei den Kategoriemieten.