Aktivisten bei COP28
AP/Peter Dejong
COP28 verlängert

Streit über Ausstieg aus „Fossilen“ vor Finale

Wie erwartet ist die UNO-Weltklimakonferenz (COP28) am Dienstag verlängert worden – die Diskussionen über den Abschlusstext gehen also weiter. Die Delegationen aus fast 200 Ländern verhandeln weiter über einen neuen Beschlussentwurf, nachdem die EU, Inselstaaten und andere Länder den zuletzt sehr vagen Text vehement kritisiert hatten. Für das drohende Scheitern der COP28 wurden arabische Ölstaaten wie Saudi-Arabien sowie die emiratische Konferenzpräsidentschaft verantwortlich gemacht.

Die Gespräche zogen sich am Dienstag in die Länge, ein weiterer Entwurf für die Abschlusserklärung war geplant. Die Teilnehmenden der Konferenz stellten sich auf eine lange Nacht ein. Der Präsident der COP28, Ahmed al-Dschaber, wollte alsbald eine Einigung erzielen. Der neue Entwurf sei „ehrgeiziger“ als die Version, die am Montag von der EU, den USA und Dutzenden anderen Staaten als enttäuschend und unzureichend eingestuft worden war, hieß es.

Der BBC zufolge nahm Dschaber eine Änderung des aktuellen Wortlauts, mit dem viele Teilnehmerstaaten nicht einverstanden waren, vor. Nun ähnle die Formulierung wieder jener von vergangener Woche, die einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vorgesehen hatte.

Arabische Länder lehnen globale Abkehr ab

Die von mehr als 100 Staaten genannte Forderung war in dem Entwurf von Montagabend nicht mehr erwähnt worden. Vielmehr sah er eine „Verringerung sowohl der Nutzung als auch der Förderung von fossilen Energieträgern“ vor. Das solle auf eine „gerechte, geordnete“ Weise geschehen, um „bis, vor oder um 2050“ Treibhausgasneutralität zu erreichen.

Mayr (ORF) zur Klimakonferenz

Günther Mayr, Leiter der ZIB-Wissenschaftsredaktion, ordnet ein, was für eine Abschlusserklärung bei der Klimakonferenz zu erwarten ist.

Mehrere arabische Länder lehnten eine globale Abkehr von allen fossilen Energieträgern scharf ab. Der Vorstoß sei ein „aggressiver Angriff“, sagte der kuwaitische Ölminister Saad Hamad Nasser al-Barrak am Dienstag beim Treffen der Organisation der arabischen erdölexportierenden Staaten (OAPEC) in Doha. Er sei „verwundert über dieses außergewöhnliche Beharren, Völker und viele Länder einer grundlegenden Energiequelle zu berauben“. Dieses Vorgehen westlicher Staaten sei „rassistisch und kolonialistisch“.

COP-Präsidentschaft verweist auf nötigen Konsens

Für eine Abschlusserklärung stehen drei mögliche Formulierungen zur Option: „Phase-out“, also ein kompletter Ausstieg aus fossiler Energie, eine abgeschwächte Version, die ein Zurückfahren vorsieht („Phase-down“), sowie „unabated“ – in dieser Version wird auf die Nutzung von Technologien wie „Carbon Capture and Storage“ (CSS) gepocht. Aber auch eine Variante, die Öl, Kohle und Gas gar nicht erwähnt, ist möglich.

Weltklimakonferenz

Bei der Conference of the Parties (COP) kommen die EU und die 197 beteiligten Staaten zusammen, die 1992 in Rio de Janeiro die UNO-Rahmenkonvention zum Klimawandel unterzeichnet haben. Die COP findet jährlich in einer anderen Stadt statt, die zweiwöchigen Verhandlungen dienen der Formulierung eines Beschlusstextes.

Der Konferenzbeschluss müsse im Konsens gefällt werden. Es gehe darum, die verschiedenen Standpunkte so in einen Beschlusstext zu gießen, „dass alle damit zufrieden sein können“, sagte COP28-Generaldirektor Madschid al-Suwaidi am Dienstag. Der am Montag vorgelegte Entwurf habe „ehrliche, praktische, pragmatische Gespräche“ über die jeweiligen „roten Linien“ der Verhandlungsdelegationen ermöglicht.

Einen Beschluss zu erarbeiten, den alle mittragen können, sei eine Herausforderung, schreibt auch die deutsche „Tagesschau“: Sowohl direkt von den Folgen der Klimakrise bedrohte kleine Pazifikinseln als auch die großen Kohlenutzer Indien und China und die Ölstaaten der OPEC müssten an Bord geholt werden. Einstimmigkeit zu erreichen, sei daher schwierig.

Teilnehmerstaaten fordern mehr Ambition

Der zuletzt vorgelegte Entwurf werde dem Ernst der Lage nicht gerecht, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). „Fossile Brennstoffe als Ursache der Klimakrise werden erstmals explizit erwähnt – aber die unzähligen Abschwächungen rundherum wiegen das leider deutlich auf.“ Die deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan betonte die „Entschlossenheit“ Deutschlands, der EU und „der großen Mehrheit der Länder“, ehrgeizigere Klimaschutzbeschlüsse zu erwirken. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sprach von einer „Super-Mehrheit“.

Der kanadische Umweltminister Steven Guilbeault verglich den bisherigen Beschlussentwurf mit einer „Speisekarte“, aus der sich jedes Land aussuchen könne, was ihm zusage. Auch der US-Klimagesandte John Kerry, dessen Land neben China global am meisten CO2 verursacht, forderte eine weltweite Energiewende. „Das ist ein Krieg ums Überleben“, zitiert ihn die Agentur AFP. Sambia erklärte im Namen des afrikanischen Staatenblocks, Afrika unterstütze einen Ausstieg aus den Fossilen, aber die ölfördernden afrikanischen Länder brauchten im Gegenzug finanzielle Unterstützung.

„Nicht die Hände in den Schoß legen“

Auch im Falle eines unzufriedenstellenden Abschlusstextes verweist die ehemalige Leiterin des Sekretariats des UNO-Weltklimarates (IPCC), Renate Christ, auf die nationalen Handlungsmöglichkeiten der Länder. „Auch wenn hier am Papier etwas anderes steht, hoffe ich, dass die Länder selbst aktiv werden“, sagte die Österreicherin gegenüber ORF.at im Rahmen eines vom Wissenschaftsnetz „Diskurs“ organisierten Pressegesprächs.

„Auch wenn am Papier keine großartige Einigung besteht, ist nach wie vor dringender Handlungsbedarf gegeben“, so Christ. Man dürfe nicht die Hände in den Schoß legen und sich damit abfinden, dass man das 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht habe, sondern müsse „den Druck aufrechterhalten und die positiven Visionen, die man mit einer klimafreundlichen Zukunft hat“, wie mehr biologische Vielfalt oder weniger Verkehrstote.

Einige Themen würden wohl auf die nächste Klimakonferenz vertagt werden, so die Prognose von Reinhard Mechler vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg. COP-Präsident Dschaber werde aber sicherlich alles daransetzen, den Erwartungen gerecht zu werden, weshalb es wohl in irgendeiner Form ein Abschlussdokument geben werde – mehr dazu in science.ORF.at.