Eine Anzeigetafel zeigt „40 Grad“ in Neapel
Reuters/Ciro De Luca
Hitzerekorde

Ein Jahr voller Wetterextreme

Sintflutartiger Regen und Überflutungen, noch nie da gewesene Hitze und Gletscherschmelze, dazu rekordwarme Meere. Das Jahr 2023 war weltweit voller Extreme und die Klimakrise in vielen Ländern zu spüren. Es war das global wärmste Jahr der Messgeschichte, das wärmste seit vermutlich 125.000 Jahren.

Im Sport lösen Rekorde Bewunderung aus und sind Ausdruck von Höchstleistungen, beim Wetter sind Rekorde selten Grund zur Freude. Hitze, Dürre und Überflutungen verursachen Milliardenschäden und kosten Menschenleben. Extremwetter gab es 2023 zuhauf und auf allen Kontinenten.

„Die Menschheit bricht alle falschen Rekorde, wenn es um den Klimawandel geht“, sagte Inger Andersen vom Umweltprogramm der UNO im November. Mit den derzeitigen Klimaschutzzusagen steuere die internationale Gemeinschaft auf eine Erderwärmung von bis zu 2,9 Grad zu.

Sechs Monate so warm wie nie

Auch wenn die finale Auswertung noch aussteht, das Jahr 2023 wird sehr nahe an der 1,5-Grad-Marke bilanzieren, die im Klimaabkommen von Paris als Grenze festgelegt wurde. 2023 ist damit das wärmste Jahr seit Messbeginn, wahrscheinlich sogar das wärmste seit der Eem-Warmzeit vor 125.000 Jahren, so das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus.

Angetrieben auch vom Klimaphänomen „El Nino“ war heuer jeder Monat von Juni bis November global ein Rekordmonat, extrem warm ist auch bisher der Dezember. Höhere Temperaturen, stärkere Niederschläge und längere Dürren – seit Jahrzehnten warnt die Wissenschaft davor. 2023 hat gezeigt, die Prognosen treffen ein.

In China von minus 53 Grad bis plus 52 Grad

Kälte- oder Schneerekorde werden seltener und treten nur noch vereinzelt auf. China erlebte neben der höchsten Temperatur seit Messbeginn aber auch die tiefste seiner Geschichte. Auf minus 53 Grad sank die Temperatur im Jänner, im Juli wurden noch nie da gewesene 52,2 Grad gemessen.

Wenige Wochen nach dem Hitzerekord trafen Ausläufer eines Taifuns die Hauptstadt Peking, Rekordregen von über 700 Liter pro Quadratmeter setzte ganze Stadtteile unter Wasser. China ist der weltweit größte Emittent von Treibhausgasen, aber auch das Land, das am meisten in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert.

Zerstörte Brücke in Peking
Reuters/Tingshu Wang
Nach Angaben des chinesischen Wetterdienstes gab es in Peking die heftigsten Regenfälle seit Beginn der Wetteraufzeichnungen

Rekordhitze von Thailand bis Brasilien

Im Frühling schrieb Südostasien Geschichte. In Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam wurde es mit deutlich über 40 Grad so heiß wie noch nie. Vorangegangen war der Hitze ein niederschlagsarmer Winter. Trockene Böden erwärmen sich schneller als feuchte. Die Hitzewelle führte zu Stromausfällen, Todesfällen aufgrund von Hitzschlag und begünstige Waldbrände.

Die Kombination aus Hitze und Trockenheit hatte auch in Kanada verheerende Folgen. Die Rekordfläche von 185.000 Quadratkilometer Wald wurde bis in den Herbst hinein ein Raub der Flammen. Bei den Bränden wurde so viel CO2 frei, wie die EU in einem halben Jahr an Treibhausgasen produziert.

Mit 44,8 Grad wurde es im November in Brasilien so heiß wie noch nie, „El Nino“ verstärkte zudem die Trockenzeit im Amazonasgebiet, und die Flusspegel sanken dramatisch. In Südamerika war es schon im August extrem warm, Chile erlebte mit knapp 39 Grad in über 1.000 Meter Höhe den heißesten Wintertag seiner Geschichte. Im August hatte es in Marokko erstmals über 50 Grad.

Europa erwärmt sich am schnellsten

Der Kontinent, der sich durch den Klimawandel am schnellsten erhitzt, ist Europa. Schon der Neujahrstag brachte eine Flut an Rekorden in vielen Ländern. Die polnische Hauptstadt Warschau übertraf mit 18,9 Grad den alten Jänner-Rekord um fünf Grad. Außerdem war der Jahresbeginn trocken, in Frankreich fiel über 30 Tage lang kein Regen, die Dürre bereitete aber auch Italien und Spanien Probleme.

Bereits im April hatte es fast 40 Grad in Spanien. Der Klimawandel machte diese frühe Hitzewelle mehr als 100-mal wahrscheinlicher, befand ein Bericht des Forschernetzwerks World Weather Attribution. Im Sommer folgten Temperaturen bis 48,2 Grad auf Sardinien (Italien), in Albanien wurden noch nie da gewesene 44 Grad gemessen.

Ein Mann läuft durch eine Fontäne in Turin
Reuters/Massimo Pinca
Extreme Hitze gab es überall im Mittelmeer-Raum – hier in Turin

Während im Juli auf der griechischen Insel Rhodos riesige Waldbrände loderten und Tausende Urlauber in Sicherheit gebracht werden mussten, fiel in der norditalienischen Region Friaul fast gleichzeitig bei einem Unwetter das mit 19 Zentimeter Durchmesser größte dokumentierte Hagelkorn in der Geschichte Europas.

Warmes Meer, viel Regen

Das Mittelmeer war im Sommer mit 28,7 Grad an der Oberfläche so warm wie noch nie. Das aufgeheizte Wasser bereitete den Nährboden für katastrophale Hochwasser. Mit jedem Grad mehr kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Das macht Starkregen im Zuge der Klimaerwärmung häufiger.

Überschwemmungen in Agria, Griechenland
Reuters/Stamos Prousalis
Überschwemmungen in Agria, Griechenland

Im August hieß es Land unter in Slowenien, im September in Griechenland. Nahe der Stadt Volos fielen 754 Liter Regen auf den Quadratmeter, ein griechischer Niederschlagsrekord. Über dem Mittelmeer bildete sich ein hurrikanähnlicher Sturm und zog nach Libyen. Durch den Starkregen hier brachen Dämme, und die Fluten rissen allein in der Stadt Darna Tausende Menschen in den Tod.

Die Hitze am Mittelmeer ging im Herbst in die Verlängerung. Im November wurden auf Kreta (Griechenland) noch 35 Grad gemessen, so spät wie in Europa noch nie. Und selbst Mitte Dezember wurden in Malaga 29,9 Grad gemessen, ein spanischer Rekord für den Monat.

Heftige Wirbelstürme von Mexiko bis Malawi

Alle Weltmeere waren heuer so warm wie noch nie. Vor der Küste Floridas wurden im Juli 38,4 Grad gemessen, ein neuer Weltrekord. Wärmeres Wasser schränkt den Lebensraum für Flora und Fauna ein, kann weniger Kohlendioxid aufnehmen, und tropische Wirbelstürme werden stärker und entwickeln sich schneller.

Bestes Beispiel war im Oktober Hurrikan „Otis“, der die mexikanische Küstenstadt Acapulco traf und katastrophale Schäden anrichtete. In nur wenigen Stunden intensivierte er sich zu einem Sturm mit Windgeschwindigkeiten bis 270 km/h. „Otis“ war der erste pazifische Hurrikan seit Beginn der Aufzeichnungen, der als Kategorie-5-Hurrikan auf Land traf.

Im Südosten Afrikas zog Anfang des Jahres Zyklon „Freddy“ fünf Wochen lang seine Kreise, und damit so lange wie bisher noch kein Wirbelsturm. In Malawi kam es zu Erdrutschen, die Häuser, Menschen und Tiere unter sich begruben. Einen Rekordwirbelsturm gab es im Februar auch in Neuseeland, Zyklon „Gabrielle“ sorgte für Schäden von acht Milliarden US-Dollar.

Schmelzende Gletscher, wenig Meereis

Neuseeland erlebte schon vor dem Zyklon den nassesten Sommer seiner Geschichte in vielen Regionen. In Auckland regnete es fast viermal so viel wie in einem durchschnittlichen Sommer. Für die neuseeländischen Gletscher war der Sommer der schlimmste, seit gemessen wird.

Auch in den europäischen Alpen war die Eisschmelze 2023 dramatisch. Grönland verlor ebenfalls mehr Eis, als durch Schneefall dazukam. Das 27. Jahr hintereinander war die Massenbilanz negativ, obwohl der Sommer in Grönland vergleichsweise kühl und feucht war.

Keine guten Nachrichten kamen auch aus der Antarktis bzw. vom Meer rund um den Kontinent im Süden der Erde. Die Ausdehnung des Meereises erreichte im Sommer ein historisches Minimum, und das Eis wuchs im Winter so langsam wie noch nie.