Ein Güterzug wird mit einem Auto beladen
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Wirtschaftsboom

Isolation treibt Russland in Arme Chinas

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat die internationale Wirtschaftsordnung verändert – und besonders China hat davon profitiert. Der Handel mit Russland erreichte 2023 ein „Allzeithoch“, insbesondere Autos und Lkws exportierte die Volksrepublik in großem Maße. Für Russland schließt sich damit eine wichtige Importlücke – gleichzeitig nimmt die Abhängigkeit von China aber zu.

Dass staatliche chinesische Medien mittlerweile auch russische Propaganda verbreiten, macht sich laut Berichten der „New York Times“ („NYT“) bereits bemerkbar. Russland sei in China mittlerweile so beliebt, dass Influencerinnen und Influencer in Scharen in die Stadt Harbin, die Hauptstadt von Chinas nördlichster Provinz im Osten, reisen würden, um dort in russischer Kleidung vor einer ehemaligen russischen Kathedrale zu posieren. Und auch russische Schokolade und Wurstwaren sind in chinesischen Supermärkten auf dem Vormarsch.

Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping bezeichnete die engen Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und Russland zuletzt als „strategische Entscheidung“ beider Seiten. Diese basiere auf den „grundlegenden Interessen beider Völker“, sagte Xi dem Staatssender CCTV zufolge dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin bei dessen Besuch in Peking.

Kathedrale in Harbin, China
Reuters/Thomas Peter
Die ehemalige russische Kathedrale in der Stadt Harbin ist ein beliebtes Reiseziel in China

Beziehungen erreichen „Allzeithoch“

Beide Länder sollten „die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Energie, Vernetzung und anderen Gebieten vertiefen“, so Xi weiter. Mischustin sagte Protokollen zufolge bei einem Treffen mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang Mitte Dezember, die Beziehungen zwischen Moskau und Peking hätten inzwischen ein „Allzeithoch“ erreicht.

Tatsächlich ist China derzeit Russlands größter Handelspartner. Chinesische Zolldaten zeigen, dass der Handel zwischen den beiden Ländern im vergangenen Jahr ein Rekordvolumen von 190 Milliarden Dollar (173,33 Mrd. Euro) erreichte. Vor allem die Grenzstadt Heihe sei ein „Mikrokosmos“ der immer engeren wirtschaftlichen Beziehungen Chinas zu Russland, schreibt die „NYT“. Sie liegt an der Grenze zwischen China und Russland und ist nur 750 Meter von Blagoweschtschensk, der nächstgelegenen russischen Stadt, entfernt.

China profitiere von Russlands Einmarsch in der Ukraine, der Russland dazu veranlasst hat, seine Importe von anderen Regionen der Welt zu beziehen, so die „NYT“ weiter. So waren deutsche Hersteller wie Mercedes-Benz und BMW in den letzten Jahren stark in Russland vertreten, zogen sich zuletzt aber im Zuge der Russland-Sanktionen zurück. Das mache den Weg frei für China, das die Lücke vor allem im Fahrzeugbereich nun für sich reklamiert.

Russische Produkte in einem chinesischen Supermarkt
IMAGO/ZUMA Press
In der chinesischen Stadt Heihe finden sich in zahlreichen Supermärkten russische Produkte

China weltgrößter Autoexporteur

Laut GlobalData Automotive dominieren chinesische Autohersteller aktuell 55 Prozent des russischen Marktes – 2021 waren es noch acht Prozent. „Niemals zuvor haben wir gesehen, dass Autohersteller aus einem einzigen Land so schnell so viele Marktanteile erobern konnten – die Chinesen haben einen Glücksfall erlebt“, zitiert die „NYT“ den asiatischen Automobilberater Michael Dunne. Die Verkäufe hätten dazu beigetragen, dass China in diesem Jahr Japan als weltgrößten Autoexporteur überholt habe.

China profitiert von der Situation Russlands gleich doppelt – denn die Russen kaufen fast ausschließlich Autos mit Verbrennungsmotor. China will seinerseits einen Überschuss an Verbrennern loswerden, weil dort der E-Auto-Markt boomt. Zudem können die Autos per Zug nach Russland transportiert werden – was der Volksrepublik gelegen komme, da sie über keine eigene Flotte von Transportschiffen für den Export von Fahrzeugen verfügt.

Russische Familien der unteren Mittelklasse und ärmere Familien, deren Angehörige den Großteil der Soldaten stellen, würden zunehmend auf erschwingliche chinesische Autos setzen, so Alexander Gabuew, Direktor des Carnegie Russia Eurasia Center, gegenüber der „NYT“. Ein Grund dafür seien die Sterbe- und Invaliditätszahlungen, die die russische Regierung an die Familien der russischen Soldaten leiste und die bis zu 90.000 Dollar betragen könnten.

Billiges Erdöl und Erdgas für China

Und auch die nach den strengen Coronavirus-Maßnahmen strauchelnde chinesische Bauindustrie konnte von den guten Beziehungen zu Russland profitieren. So stelle Russland China als Gegengeschäft günstiges Erdöl und Erdgas zur Verfügung. Das wiederum habe chinesischen Fabriken geholfen, auf den Weltmärkten zu konkurrieren, während andere Länder mit stark gestiegenen Energiekosten kämpfen würden, so die „NYT“.

Der Immobilienmarkt befindet sich in China zudem nach wie vor in der Krise – und einige Arbeiterinnen und Arbeiter finden laut „NYT“-Angaben Jobs an der russischen Grenze. Chinas Exporte seien so stark gestiegen, dass chinesische Bauarbeiter im Sommer an der Grenze Lagerhäuser und 20-stöckige Bürotürme gebaut hätten.

Gas-Pipelines bei Svobodny, Russland
Reuters/Maxim Shemetov
Russland stellt China vergleichsweise günstiges Erdgas und Erdöl zur Verfügung

Balanceakt für China

Die zunehmende Isolierung vom Westen treibe Russland jedenfalls immer stärker in die Arme Chinas, schreibt die „Frankfurter Rundschau“. China nutze zudem Russlands Lage, um die Internationalisierung des in Yuan gezählten Renminbi voranzutreiben. Seit dem Ukraine-Krieg ist Russland vom internationalen SWIFT-Zahlungssystem ausgeschlossen und kann keine Kredite in US-Dollar oder Euro aufnehmen oder seinen Außenhandel mit westlichen Währungen abwickeln.

Das Volumen der von China mit Renminbi besicherten Kredite an russische Finanzinstitute hat sich laut „Financial Times“ seit Beginn des Krieges mehr als vervierfacht. Die Regierung in Peking sehe das Renminbi-Angebot als Teil ihres Strebens nach einer multipolaren Welt- und Finanzordnung, damit der US-Dollar nicht alleinige Reservewährung bleibt, so die „Frankfurter Handelsschau“.

Trotz finanziell positiver Aussichten bleibt Chinas Engagement in Russland aber ein Balanceakt. Denn auch mit westlichen Partnern möchte sich China seine Wirtschaftsbeziehungen aufrechterhalten. Peking hat es stets abgelehnt, Moskaus Einmarsch in die Ukraine zu verurteilen. Westliche Staaten haben die Volksrepublik für ihre nach eigenen Angaben neutrale Haltung zum Ukraine-Krieg regelmäßig scharf kritisiert.