Israelischer Soldat
Reuters/Violeta Santos Moura
„Zermürbungskrieg“

Israels Militär vor neuer Phase gegen Hamas

Zwei Monate nach Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen bereitet sich die israelische Armee offenbar auf einen Strategiewechsel vor. Wie mehrere Medien in Israel am Dienstag berichteten, soll die Intensität der militärischen Offensive langsam zurückgefahren werden. Das Militär stelle sich auf ein längeres Engagement auf niedrigerem Niveau ein. Von einem „Zermürbungskrieg“ ist die Rede.

Der israelische Sender N12 berichtete unter Berufung auf Militärkreise, die Truppen würden sich im nächsten Schritt überwiegend in eine etwa einen Kilometer breite Pufferzone im Gazastreifen in der Nähe des Grenzzauns zu Israel zurückziehen. In der neuen Phase seien eher punktuelle Einsätze von Boden- und Marinetruppen sowie den Luftstreitkräften gegen die Hamas geplant.

Anderen Berichten zufolge sei das Militär der Ansicht, dass die Zeit der hohen Intensität vorüber sei. Nun müsse man Stellungen der Hamas gezielt angreifen. Wann genau die kolportierte Phase starten und wie lange sie dauern soll, ist nicht klar.

Rauch über Gaza Stadt
Reuters/Violeta Santos Moura
Israel startete vor zwei Monaten als Reaktion auf den Hamas-Angriff eine Bodenoffensive im Gazastreifen

Anfang Dezember hatten US-Medien unter Berufung auf Regierungsbeamte berichtet, dass Israel bis Ende Jänner an seiner Offensive festhalten, aber dann zu einer „weniger intensiven, stark lokalisierten Strategie übergehen“ werde. In den Berichten war wegen der Tausenden getöteten Zivilisten und Zivilistinnen im Gazastreifen von einem erhöhten Druck der USA die Rede.

„Es gibt keine magischen Lösungen“

Israel gehe inzwischen davon aus, dass ein Sieg über die islamistische Hamas nur im Rahmen eines „Zermürbungskrieges“ möglich sei, hieß es am Dienstag in den israelischen Medienberichten. Dieser könne viele Monate oder sogar Jahre dauern. „Um eine neue Realität in Gaza zu schaffen, sind aber neben dem militärischen Kampf auch ein politischer und wirtschaftlicher Prozess notwendig“, hieß es weiter.

Israels Militärchef Herzi Halevi sagte am Dienstag, ohne näher auf den kolportierten Strategiewechsel einzugehen, dass der „Krieg noch viele Monate andauern“ werde. „Wir werden verschiedene Methoden anwenden, um unsere Erfolge lange aufrechtzuerhalten“, betonte der Generalstabschef. „Es gibt keine magischen Lösungen, nur einen entschlossenen Kampf. Wir werden auch die Hamas-Führung erreichen, ob es nun eine Woche oder Monate dauert.“

In dem Bericht des Senders N12 hieß es zudem, dass die neue Phase nur deshalb zustande kommen werde, weil Israel im nördlichen Gazastreifen weitgehend die Kontrolle hat, während der südliche Gazastreifen voller Zivilisten und Zivilistinnen ist und sich der operativen Kontrolle der Armee relativ entzieht.

Weniger intensive Phase

Auslöser des Krieges zwischen Israel und der Hamas war ein beispielloser Angriff am 7. Oktober, bei dem Hunderte Hamas-Kämpfer nach Israel eingedrungen waren und dort Gräueltaten verübt hatten. Als Reaktion auf den Angriff greift Israel seither den Gazastreifen an. Wenige Wochen nach der Hamas-Attacke startete das Militär zudem eine Bodenoffensive und drang weit in den Gazastreifen ein.

Zunächst lag der Fokus der Operation auf dem Norden des Küstenstreifens, danach weitete Israel seine Offensive auf das ganze Gebiet aus. Medienberichten zufolge soll die nächste Phase, für die kein Zeitplan genannt wurde, weniger intensiv sein. Die meisten Reservisten sollten in der Phase wieder in den Alltag entlassen werden. Den Krieg gegen die Hamas sollten dann vor allem die regulären Truppen fortsetzen, berichteten Medien.

Laut Angaben der Times of Israel ist zuletzt in der Knesset festgehalten worden, dass man von der zweiten in die dritte Phase des Krieges übergehen müsse. Ende Oktober sagte auch Verteidigungsminister Joav Galant, Israels Bodenoffensive reiche nicht aus, um die Hamas zu besiegen. Es sei eine dritte Phase erforderlich, in der Israel damit beginnen werde, eine neue Führung für die geschundene Enklave zu finden und gleichzeitig „Widerstandsnester“ auszurotten.

Ägyptischer Vorschlag für Kriegsende nicht vom Tisch

Trotz unnachgiebiger Äußerungen beider Seiten ist ein Vorschlag Ägyptens zur Beendigung des Gaza-Kriegs noch nicht vom Tisch. Israels Kriegskabinett habe Ägyptens Vorschlag für eine stufenweise Beendigung des Kriegs gegen die islamistische Hamas an eine größere Gruppe von Ministern zur Prüfung weitergeleitet, berichtete das „Wall Street Journal“.

Zudem dürfte eine PLO-Delegation in Kürze nach Kairo reisen, um den Vorschlag zu erörtern. Die Hamas ist allerdings nicht Teil der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Die islamistische Hamas wie auch Israel haben zuletzt klargemacht, dass sie weiter kämpfen wollen. Allerdings trafen sich laut dem „WSJ“ kürzlich im Exil lebende Vertreter des Hamas-Politbüros hinter dem Rücken der in Gaza kämpfenden Hamas-Führung mit den palästinensischen Rivalen der PLO zu Gesprächen über ein Ende des Krieges.

Kaum Platz für Zivilisten

Unterdessen bleibt nach der Ausweitung israelischer Angriffe auch auf den zentralen Abschnitt des Gazastreifens nach UNO-Angaben noch weniger Raum für palästinensische Binnenflüchtlinge. Der Gaza-Direktor des UNO-Palästinenserhilfswerks (UNRWA), Thomas White, schrieb am Dienstag auf der Plattform X (Twitter): „Die Menschen in Gaza sind wieder zum Umzug gezwungen. Mehr Menschen auf weniger Raum.“

Er postete dazu Videoaufnahmen einer langen Schlange von Fahrzeugen, die schwer mit Habseligkeiten wie etwa Matratzen beladen waren. White schrieb weiter, dass die Stadt Rafah im Süden des schmalen Küstenstreifens nun „aus den Nähten platzt“. Es gebe für die Einwohner und Einwohnerinnen Gazas keine Atempause, beklagte er und forderte erneut eine humanitäre Feuerpause.