Während „wir vorher 40 bis 45 Prozent des Exportvolumens an Erdöl und Erdölprodukten an Europa geliefert haben, erwarten wir, dass diese Zahl bis Ende des Jahres nicht mehr als vier der fünf Prozent betragen wird“, fuhr er fort.
Russland wird laut Nowak mit seinen Exporten 2023 Einnahmen von umgerechnet etwa 88 Milliarden Euro erzielen. Damit lägen die Einnahmen auf einem vergleichbaren Niveau wie im Jahr 2021, sagte der Politiker.
Nach Sanktionen: Moskau suchte neue Abnehmer
Die Öl- und Gasindustrie macht laut Nowak 27 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts sowie 57 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus. Russland musste angesichts der westlichen Sanktionen neue Märkte für seine Erdgasexporte finden. Die westlichen Länder sahen sich ihrerseits gezwungen, neue Lieferanten zu verpflichten.
„Viele Leute wollen russisches Erdöl oder Erdölprodukte kaufen“, sagte Nowak weiter. „Es handelt sich um Länder aus Lateinamerika, afrikanische Länder und andere Länder der Asien-Pazifik-Region.“
Indien verkauft raffiniertes Öl an Europa weiter
Indien etwa hatte zuvor fast keine Lieferungen aus Russland bezogen. Das Land profitiert nun aber vom Kauf des stark vergünstigten Rohöls aus Russland, welches es raffiniert und an europäische Kunden weiterverkauft. Diese Käufe sind zwar legal, doch umgehen sie nach Einschätzung von Kritikern und Kritikerinnen die westlichen Sanktionen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte sich angesichts dessen bereits im Mai alarmiert gezeigt. „Wenn Diesel oder Benzin aus Indien nach Europa kommt und mit russischem Öl hergestellt wird, ist das sicherlich eine Umgehung der Sanktionen, und die Mitgliedsstaaten müssen Maßnahmen ergreifen“, forderte der Chefdiplomat gegenüber der „Financial Times“ damals.
Russlands Rupien-Milliarden
Russlands Außenminister Sergej Lawrow gestand in den vergangenen Monaten allerdings auch ein, dass Russland „Milliarden Rupien angehäuft“ habe, für die es noch keine Verwendung gefunden habe. Indien soll Russland einem Bloomberg-Bericht vom September zufolge angeboten haben, jene Rupien wieder in die eigene indische Wirtschaft zu investieren.
Am Mittwoch wurde nach einem Treffen Lawrows mit seinem indischen Kollegen Subrahmanyam Jaishankar zudem bekannt, dass Russland und Indien bei der Produktion von Rüstungsgütern enger zusammenarbeiten möchten. Es geht laut Lawrow sowohl um die gemeinsame Herstellung moderner Waffentypen als auch um Rüstungsproduktion im Rahmen des indischen Programms „Make in India“ (Produziere in Indien).
China, welches das meiste russische Öl erhalten dürfte, ist derzeit Russlands größter Handelspartner. China profitiere von der russischen Invasion in der Ukraine, schrieb kürzlich auch die „New York Times“. Denn anstatt vom Westen würde Russland Autos wie auch Computerchips fortan aus China beziehen. „Russland wiederum hat Öl und Erdgas mit hohen Preisnachlässen an China verkauft“, hieß es dort weiter.
Russland beschloss Kürzung von Ölfördermengen
Russland hatte Ende November in Übereinstimmung mit anderen Ländern des Ölkartells OPEC+ entschieden, seine Ölfördermengen weiter zu kürzen, um die Preise anzukurbeln. Zur OPEC+ gehören neben der von Saudi-Arabien angeführten Gruppe der Organisation erdölexportierender Länder auch deren zehn Partnerländer, darunter Russland.
Nowak äußerte sich auch zum russischen Flüssiggasprojekt Arctic LNG 2. Das Projekt sei in Gang gesetzt worden, obwohl US-Sanktionen den Start bedroht hätten, sagte er. „Die Anlage Arctic LNG 2 befindet sich derzeit im Bau, und die erste Etappe hat bereits den Betrieb aufgenommen. Wir erwarten, dass die ersten Lieferungen aus diesem Projekt im ersten Quartal des nächsten Jahres zustandekommen“, sagte Nowak.
Russland produziert derzeit acht Prozent des weltweiten Flüssigerdgases. Bis 2035 beabsichtige Moskau, 15 bis 20 Prozent der weltweiten Produktion zu erreichen, fügte Nowak hinzu. Das wären etwa 100 Millionen Tonnen jährlich.