Menschen nach einer Explosion in Kerman, Iran
APA/AFP/Hazem Bader
Gaza-Krieg

Anschläge schüren Furcht vor Ausweitung

Nach einem Bombenanschlag im Iran mit fast hundert Toten am Mittwoch und der Tötung eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon am Dienstag wächst die Furcht vor einer Ausweitung des Gaza-Kriegs. Die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon droht mit Vergeltung für Saleh al-Aruris Tod.

Der Anschlag im Iran wurde laut Staatsmedien mit zwei im Abstand von etwa 15 Minuten gezündeten Bomben in der Nähe der Saheb-al-Saman-Moschee in Kerman verübt, auf deren Gelände sich das Grab des 2020 von den USA getöteten Generals Kassem Soleimani befindet. Dort hatten sich am Mittwoch an dessen viertem Todestag zahlreiche Menschen versammelt. Es seien 84 Tote und 284 Verletzte zu beklagen, korrigierte der Chef des nationalen Rettungsdienstes, Dschafar Miadfar, am Donnerstag laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA die Zahl der Toten herunter.

Staatsmedien hatten die Zahl der Todesopfer am Mittwoch zunächst mit 103 angegeben, Gesundheitsminister Bahram Ejnollahi korrigierte sie am Abend dann auf 95. Rettungsdienst-Chef Miadfar begründete die Verwirrung um die Opferzahlen mit dem verheerenden Zustand, in dem sich einige Leichen nach den Explosionen befunden hätten.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi erklärte, es bestehe „kein Zweifel, dass die Urheber dieses feigen Akts bald identifiziert und bestraft werden“. Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Chamenei, machte die „bösen und kriminellen Feinde der iranischen Nation“ verantwortlich und kündigte eine „scharfe Reaktion“ an.

Präsidentenberater beschuldigt Israel und USA

Präsidentenberater Mohammad Dschamschidi wurde konkreter, als er Israel und die USA beschuldigte: „Washington sagt, die USA und Israel hätten keine Rolle bei dem Terroranschlag in Kerman, Iran, gespielt. Wirklich?“, schrieb Dschamschidi am Mittwoch auf X (Twitter). Die Verantwortung liege klar bei den USA und Israel, schrieb Dschamschidi weiter.

Die Führung in Teheran sprach von einer „terroristischen Tat“ und rief für Donnerstag einen landesweiten Trauertag aus. Bereits am Mittwochabend versammelte sich eine Menschenmenge am Anschlagsort und rief „Tod Israel“ und „Tod den USA“.

Im Juli 2023 hatte das iranische Geheimdienstministerium laut amtlicher Nachrichtenagentur IRNA erklärt, es habe eine „Spionageorganisation mit Verbindungen zu Israel“ zerschlagen. Diese habe „Terroreinsätze“ geplant, unter anderem eine Explosion an Soleimanis Grab.

USA weisen Beteiligung zurück

Ein Sprecher des US-Außenamtes stellte klar, die Vereinigten Staaten seien an dem Anschlag „in keinerlei Weise beteiligt, und jegliche Andeutung des Gegenteils ist lächerlich“. Die US-Regierung habe auch „keinen Grund zu der Annahme“, dass Israel mit dem Vorfall zu tun habe.

Blinken reist erneut in Nahen Osten

Angesichts der Entwicklungen bricht US-Außenminister Antony Blinken nach Regierungsangaben am Donnerstag erneut zu einer diplomatischen Reise in die Region auf. Blinken werde die Reise am Donnerstagabend antreten und in ihrem Verlauf unter anderem Israel besuchen, hieß es am Mittwochabend (Ortszeit) aus Regierungskreisen.

Einen Tag zuvor war in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut die Nummer zwei der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas getötet worden. Laut einem über die vorläufigen Ermittlungen informierten libanesischen Sicherheitsbeamten wurden Aruri und sechs weitere Hamas-Funktionäre mit israelischen Lenkraketen getötet, andere Quellen sprachen von einer israelischen Drohne.

Die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon, die wiederum vom Iran unterstützt wird, drohte mit Vergeltung. Sie werte Aruris „Ermordung“ als „schweren Angriff auf den Libanon“, der nicht ungestraft bleibe. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah warnte Israel vor einem Krieg gegen den Libanon, den seine Miliz dann „ohne Regeln, ohne Grenzen“ führen würde.

Nasrallah sprach von einem „eklatanten israelischen Angriff“. Ein „Krieg mit uns wird sehr kostspielig sein“, jeder, der Krieg gegen den Libanon führe, werde es „bereuen“, da die Hisbollah „bis zum Ende kämpfen“ werde, sagte er. Wenn Israel gegen den Libanon Krieg führe, „wird es keine Obergrenzen für den Kampf der Hisbollah geben“. „Was seit dem 7. Oktober geschehen ist und was in Zukunft geschehen wird, hat Israel geschwächt“, sagte er.

El-Gawhary (ORF) über die weitere Eskalation in Nahost

Nach dem Tod eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten. ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary analysiert, wie groß die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen dem Iran und Israel ist.

Nasrallah warf Israel vor, bei seinen Angriffen auf den Gazastreifen „das eigentliche Ziel“ zu verfolgen, alle Palästinenser aus dem Gebiet zu vertreiben. Nasrallah verwies auf die „Menschen, die gezwungen sind, ihre Häuser im Gazastreifen, im Westjordanland und teilweise im Südlibanon zu verlassen“. „Wir haben die großen Gefahren gesehen, (…) aber gleichzeitig haben wir auch den Widerstand und den Trotz gesehen (…), die Weigerung, den Gazastreifen aufzugeben“, sagte er.

Hisbollah: „Größter Völkermord dieses Jahrhunderts“

Nasrallah beschuldigte Israel, „die Menschen auszuhungern und den größten Völkermord dieses Jahrhunderts“ gegen die Palästinenser in Gaza zu führen. Er sagte auch, dass „es die Amerikaner sind, die das Ende des Krieges in Gaza verhindern“, indem sie Israel bei seinen Vergeltungsmaßnahmen nach den Hamas-Angriffen mit voller Kraft unterstützen würden.

Ein US-Verteidigungsbeamter, der anonym bleiben wollte, erklärte Mittwochabend gegenüber AFP, Aruri sei einem Angriff Israels zum Opfer gefallen. Israel äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Armeesprecher Daniel Hagari betonte, Israel bleibe „konzentriert auf den Kampf gegen die Hamas“, sei aber zugleich „in hohem Maße auf jedes Szenario“ vorbereitet.

Der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, sagte nach Nasrallahs Rede: „Wir haben nicht gesehen, dass die Hisbollah der Hamas zur Seite gesprungen wäre.“ Ein US-Beamter erklärte unter der Bedingung der Anonymität, weder die Hisbollah noch Israel wollten einen Krieg. „Nach allem, was wir wissen, gibt es keinen eindeutigen Drang der Hisbollah, gegen Israel in den Krieg zu ziehen und umgekehrt.“