Kind vor einem Handy
Reuters/Azmanl
Meta

100.000 Kinder täglich sexuell belästigt

Meta schätzt, dass rund 100.000 Kinder, die seine Dienste Facebook und Instagram nutzen, täglich online sexuell belästigt werden. Das unternehmensinterne Dokument wurde im Rahmen einer Klage des Generalstaatsanwalts von New Mexico am Mittwoch neben weiteren belastenden Dokumenten publik. Am Donnerstag warf dieser dem Techriesen erneut vor, wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit von Kindern zu stellen.

Erwachsenen würde es zu einfach gemacht, Minderjährige online zu finden und ihnen Nachrichten zu schicken, so Raul Torrez, der Generalstaatsanwalt New Mexicos. In der ursprünglich im Dezember eingereichten Klage heißt es zudem, Meta-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter hätten das Unternehmen gedrängt, Sicherheitsänderungen vorzunehmen, die das Unternehmen jedoch nicht umgesetzt habe.

„Jahrelang haben Meta-Mitarbeiter versucht, die Alarmglocken zu läuten, wenn es darum ging, dass die Entscheidungen der Meta-Führungskräfte Kinder gefährlichen Lockangeboten und sexueller Ausbeutung aussetzten“, sagte der Generalstaatsanwalt gegenüber dem Nachrichtenportal Techcrunch am Donnerstag. Wegen einer Priorisierung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber der Sicherheit von Kindern sei auf ihre Bedenken jedoch nicht eingegangen worden.

Generalstaatsanwalt von New Mexico, Raul Torrez
AP/Susan Montoya Bryan
Laut Raul Torrez, Generalstaatsanwalt von New Mexico, stellt Meta wirtschaftliche Interessen über die Sicherheit von Kindern

Generalstaatsanwalt: Problem ist allgegenwärtig

„Meta-Führungskräfte, einschließlich Herrn (Mark, Anm.) Zuckerberg, trafen durchweg Entscheidungen, die das Wachstum über die Sicherheit der Kinder stellten“, so Torrez. „Während das Unternehmen weiterhin die illegalen und schädlichen Aktivitäten herunterspielt, denen Kinder auf seinen Plattformen ausgesetzt sind, zeigen Metas interne Daten und Präsentationen, dass das Problem schwerwiegend und allgegenwärtig ist.“

Das Justizministerium von New Mexico habe Scheinkonten erstellt, die vorgaben, 14 Jahre alt oder jünger zu sein. In Metas Algorithmen seien daraufhin Inhalte von sexuellem Kindesmissbrauch sowie Konten aufgetaucht, die den Kauf und Verkauf der Inhalte ermöglichten. „Bestimmte Inhalte von Kindesmissbrauch sind auf Facebook und Instagram mehr als zehnmal so häufig wie auf Pornhub und OnlyFans“, hieß es in einer Pressemitteilung zur Klage.

„Was tun wir konkret gegen ‚Child Grooming‘?“

Am Mittwoch veröffentlichte Torrez zudem Beschreibungen unternehmensinterner Chats, die die Vorwürfe untermauern sollen. Diese würden auch die Bedenken der Meta-Mitarbeiter unterstreichen, so der „Guardian“. In einem internen Chat vom Juli 2020 fragte den Angaben zufolge ein Mitarbeiter: „Was tun wir konkret gegen ‚Child Grooming‘ (Pädokriminalität, Anm.)?“ Laut der Beschwerde erhielt er die Antwort: „Irgendwo zwischen null und vernachlässigbar.“

Im selben Jahr hätten Meta-Führungskräfte auf die Beschwerde einer Führungskraft von Apple reagiert, deren 12-jähriges Kind auf Facebook belästigt wurde, wie aus den neuen, nicht geschwärzten Unterlagen hervorgeht, berichtet auch CNBC. „Das ist die Art von Dingen, die Apple so wütend macht, dass sie damit drohen, uns aus dem App Store zu entfernen“, sagte ein Meta-Mitarbeiter zu seinen Kollegen. Derselbe Mitarbeiter fragte auch, wann „wir Erwachsene daran hindern werden, Minderjährige auf (Instagram) Direct zu benachrichtigen“.

Meta-CEO Mark Zuckerberg
Reuters/Carlos Barria
Sowohl gegen Meta als auch gegen dessen CEO Mark Zuckerberg wurde Klage eingereicht

Vernetzung begünstigt

Ein weiterer hochrangiger Meta-Mitarbeiter beschrieb im Jahr 2023 in einer Aussage vor dem US-Kongress, wie seine Tochter über Instagram belästigt wurde. Er habe dagegen vorgehen wollen, sei aber ignoriert worden. In der Klage wird auch eine interne Präsentation aus dem Jahr 2021 über die Sicherheit von Kindern angeführt.

Darin heißt es, dass sich Meta zu wenig um die Sexualisierung von Minderjährigen auf Instagram gekümmert hätte, insbesondere um „sexualisierte Kommentare zu von Minderjährigen geposteten Inhalten“. Das begünstige auch die Vernetzung von Userinnen und Usern mit ähnlichen Absichten.

Enthüllungen bereits im April

Bereits im April ergaben Recherchen des „Guardian“, dass Meta es verabsäumt hatte, die Nutzung seiner Plattformen für Kinderhandel zu melden oder aufzudecken. Die Recherche enthüllte auch, wie der Facebook Messenger als Plattform für die Kommunikation von Menschenhändlern genutzt wurde.

„Jede Phase der menschlichen Ausbeutung (Anwerbung, Koordinierung, Ausbeutung) ist auf unserer Plattform vertreten“, gaben Meta-Mitarbeiter laut einem in der Klage enthaltenen Dokument an. Die Geschäftsleitung habe sich dagegen ausgesprochen, den Facebook Messenger auf „schädliche Inhalte“ zu scannen, da das für den Dienst „einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Apps bedeuten würde, die möglicherweise mehr Datenschutz bieten“, zitiert der „Guardian“ weiter aus der Klageschrift.

Meta weist Vorwürfe zurück

Meta wies die Behauptungen gegenüber Techcrunch zurück. In dem Dokument würde die Arbeit des Unternehmens mit „selektiven Zitaten und herausgepickten Dokumenten“ falsch dargestellt werden, verteidigte sich das Unternehmen.

In einer Stellungnahme hieß es, man wolle, „dass Jugendliche sichere, altersgerechte Erfahrungen im Internet machen, und wir haben über 30 Tools, die sie und ihre Eltern unterstützen“. Man habe ein Jahrzehnt damit verbracht, an dem Thema zu arbeiten und Personal einzustellen, das sich für die Sicherheit junger Menschen im Internet einsetze.

Wegen weiterer Inhalte in der Kritik

Meta steht bereits seit einiger Zeit auch wegen seines Umgangs mit problematischen Inhalten, die sich an jüngere Nutzerinnen und Nutzer richten, in der Kritik. Im Jahr 2021 ließ die Whistleblowerin Frances Haugen dem „Wall Street Journal“ interne Dokumente zukommen, aus denen hervorging, dass das Unternehmen von den Schäden wusste, die Teenager durch toxische Inhalte auf Instagram erlitten, dagegen aber nicht weiter vorging.

Ende Dezember hatte auch die Einführung der standardmäßigen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei dem Facebook Messenger für Debatten gesorgt. Sie wurde von Datenschützern begrüßt, von Polizeivertretern jedoch scharf kritisiert, da sie aus ihrer Sicht die Verfolgung krimineller Aktivitäten wie der Verbreitung von Kinderpornografie erschwert.