Gernot Blümel
ORF/Roland Winkler
Blümel in Kurz-Prozess

„Natürlich auch über Personalia gesprochen“

Der Kurz-Prozess wird derzeit mit einem weiteren prominenten Zeugen fortgesetzt: Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) erschien Donnerstagvormittag im Zeugenstand, um zu den Vorwürfen im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz wegen des Vorwurfs der Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss auszusagen. Blümel betonte zu Beginn allgemein, man habe bei den Koalitionsverhandlungen „natürlich auch über Personalia gesprochen“. Ähnlich wie Ex-Finanzminister Hartwig Löger betonte Blümel, er habe Personalia selbst entschieden. Bei vielen Vorhalten hatte Blümel keine konkrete Erinnerung.

Der Vertraute des Ex-Kanzlers hatte laut dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, zu diesem das „engste“ Verhältnis. Blümel sei erster Ansprechpartner gewesen, so der Hauptzeuge der Anklage, der auch aussagte, dass Kurz immer habe mitreden wollen. Blümel war unter anderen Verhandler für die türkis-blaue Regierung, Regierungskoordinator und Finanzminister. Er soll darüber Auskunft geben, welchen Einfluss Kurz tatsächlich auf Personalbesetzungen unter anderem in der Staatsholding ÖBAG genommen hat.

Kurz wird wie seinem einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfen, seine Rolle bei den Postenbesetzungen etwa für den Aufsichtsrat der ÖBAG kleingeredet zu haben. Die Angaben des Ex-Kanzlers widersprechen jenen des ehemaligen Vorstands der Staatsholding, Schmid, der im Prozess ebenfalls als Zeuge ausgesagt hat. Kurz beharrt darauf, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Personalia als „ständige Themen“

Gegen Blümel sind in der Causa keine Ermittlungen anhängig, wie er auf Frage des Gerichts selbst angab. Sein Anwalt habe ihm empfohlen, vor allem in der Frage des Sideletters zwischen ÖVP und FPÖ zu Postenbesetzungen von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch zu machen, bestätigte Blümel weiter. Der Sideletter ist ein zentrales Dokument in der Causa. Zu Beginn der Befragung durch Richter Michael Radasztics gab Blümel an, mit Schmid habe er seit dem Sommer, als er diesem zum Geburtstag gratuliert habe, keinen Kontakt mehr gehabt.

Über Personalia habe man in den Koalitionsverhandlungen 2017 natürlich auch gesprochen, so Blümel, an einen „so strengen Schlüssel wie medial kolportiert, 2:1“, könne er sich nicht erinnern. Generell seien Personalia „ständige Themen“ gewesen, jede Seite habe gesagt, „wir wollen da mehr“. Laut Blümel waren das aber politische Geplänkel, da die Beschlüsse im Ministerrat einstimmig sein mussten. Und die Beschlüsse sein vorab koordiniert worden. Das Nominierungskomitee, das Vorschläge für die Vergabe von Aufsichtsratsposten in staatsnahen Betrieben erarbeitete, habe Vorschläge „von überall“ bekommen, betonte Blümel auf Nachfrage des Richters.

Blümel: Diskussionen ja, aber Entscheidung bei Minister

So wie im gesamten Prozess konfrontiert Richter Radasztics auch den Zeugen Blümel mit den in der Anklage enthaltenen SMS, die über Schmids Handy sichergestellt wurden. Ähnlich wie Ex-Finanzminister Löger und auch die Angeklagten, sagte Blümel immer wieder, dass es immer wieder Diskussionen über Personalia gab – mit vielen verschiedenen Menschen. Und Vorschläge seien von allen möglichen Seiten gekommen. Das sei auch ganz normal, unterstrich Blümel.

Auch in seiner Funktion als Minister habe er über Personalentscheidungen mit verschiedensten Leuten diskutiert. Die Entscheidung habe aber er selbst getroffen. Das gestehe er auch den anderen Ministern der damaligen Regierung zu – und meinte damit wohl konkret Löger, der für den Umbau der Beteiligungsholding ÖBIB zur ÖBAG zuständig war.

Entscheidung per Umlaufbeschluss

Aus Schmids SMS geht auch hervor, dass Personalentscheidungen im Nominierungskomitee teils im Umlaufbeschluss getroffen wurden. Blümel bestätigte das. Der Richter verwies – konkret bei einem Umlaufbeschluss binnen 24 Stunden zu einem Post-Aufsichtsrat – darauf, dass das aber nicht mit Blümels Aussage zusammenpasse, dass Personalia intensiv diskutiert worden seien.

Die vielen Personalvorschläge habe er in der Regel „an sich vorbeiziehen lassen“, so Blümel auf die entsprechende Frage des Richters. Bei sehr vielen Chats hat Blümel keine „konkrete“ Erinnerung.

Blümel: Viele wollten wissen, was Kurz meint

Susanne Höllinger empfahl Schmid als Kandidatin – praktisch gleichzeitig Blümel und Kurz. Sie sei „compliant“, „steuerbar“ und habe für Niederösterreich „delikate Sachen sauber erledigt“. Auch hier sagte Blümel, alle möglichen Leute hätten ständig Interesse gehabt, was „der Bundeskanzler“ davon halte. Und er sei ihm nahegestanden, daher seien viele solche Anfragen auch an ihn gerichtet worden.

Schmids Einschätzung, Kurz habe entschieden, sei dessen persönliche, und es gebe je nach Position unterschiedliche Bedürfnisse und Perspektiven, so Blümel zu dessen Einschätzung.

„Man versucht, höflicher Mensch zu sein“

Zu Schmids Ambitionen auf den Chefsessel in der ÖBAG meinte Blümel, das sei ihm natürlich irgendwann klargeworden. Als Minister und Koordinator in der Regierung habe es ständig Leute gegeben, die mit Jobwünschen an ihn herangetreten sei. Und „im Normalfall versucht man, ein höflicher Mensch zu sein“, so Blümel. Schmid habe er jedenfalls für geeignet gehalten, auch wenn er „keine Freude“ gehabt habe, ihn als Generalsekretär im Finanzministerium zu verlieren.

Personalentscheidungen im Ministerkabinett – mit Schmids Weggang zur ÖBAG war der Generalsekretär neu zu besetzen – seien die „höchstpersönliche Entscheidung“ jedes Ministers. Aber auch hier: Nachfragen, etwa im Kanzleramt, ob man wen kenne oder empfehlen könne, seien natürlich möglich. Es gehe ja auch um eine gute Zusammenarbeit zwischen Ministerium und Kanzleramt.

Verschiedene SMS-Chats mit Schmid, in denen Blümel diesen lobte, erklärte Blümel damit, dass dieser ja die Hauptarbeit an der Umwandlung der ÖBIB zur ÖBAG geleistet habe.

„Keine Sorge, du bist Familie“

Schmid hatte angegeben, Blümel sei erster Ansprechpartner zum Thema ÖBAG gewesen. In einer Chatnachricht Blümels an Schmid hatte es geheißen: „Keine Sorge, du bist Familie.“ Der Vertraute von Kurz habe damit sagen wollen, „Thomas, du bist einer von uns“, interpretierte Schmid das vor Gericht. Zu Blümel habe er während der türkis-blauen Regierungszeit eine sehr gute Beziehung gehabt. Es sei hart, aber oft lustig gewesen, man habe sich auch privat gesehen. Heute gebe es keinen Kontakt mehr.

Schmid: „Vetorecht“ für Kurz

Der Ex-Generalsekretär widersprach bei seiner zweitägigen Aussage im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesstrafgerichts den Aussagen von Kurz. Der frühere Regierungschef habe sich sehr für die Beteiligungen der Republik interessiert, „was ja grundsätzlich positiv ist“, so Schmid, der Kronzeugenstatus anstrebt. Er selbst habe Kurz immer wieder auf den aktuellen Stand gebracht.

Sebastian Kurz
ORF/Roland Winkler
Kurz sagt von sich selbst, informiert, aber nicht involviert gewesen zu sein

Schon 2017, also während der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ, sei „sehr, sehr intensiv“ über die Spitze des ÖBAG-Aufsichtsrats verhandelt worden. Ohne Rückendeckung von Kurz wäre er nicht ÖBAG-Chef geworden, so Schmid. Kurz sah das anders: „Die Initiative zur Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Chef ging von Schmid selbst aus“, sagte der Ex-Regierungschef. Laut Schmid war im Bundeskanzleramt Bonelli wichtiger Ansprechpartner in Sachen ÖBAG wie in Personalfragen.

Eigentlich bestimmt der Finanzminister, damals Hartwig Löger (ÖVP), wer im Aufsichtsrat der Staatsholding sitzt und wer den Chefposten übernimmt. Doch man habe die Personalien stets mit dem Kanzleramt „abstimmen“ müssen, so Schmid. Es sei „unmöglich“ gewesen, dass jemand an Kurz vorbei in die ÖBAG kommt. Das Mitreden und Abstimmen sei allerdings einem „Vetorecht“ für Kurz gleichgekommen.