Gernot Blümel
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„Was ist daran schwer zu verstehen?“

Blümel und Ankläger krachen zusammen

Bei der Befragung von Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des Vorwurfs der Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss ist er mit den Staatsanwälten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zusammengekracht. Während er auf Fragen des Richters bereitwillig antwortete, entschlug sich Blümel bei vielen Fragen der WKStA.

Bereits zu Beginn der Verhandlung hatte Blümel angekündigt, sich auf Anraten seines Anwalts in Fragen zum Sideletter, der Postenbesetzungen zwischen ÖVP und FPÖ in der Regierung Kurz festlegte, zu entschlagen. Das wurde ihm von Richter Michael Radazstics zugebilligt. Als nach dem Richter die WKStA mit der Befragung begann, kam es gleich zu einem längeren, durchaus emotionalen Schlagabtausch. Blümel zitierte aus der Begründung der Staatsanwalt für die Einstellung seines Verfahrens. Daraus gehe klar hervor, dass die Staatsanwaltschaft davon ausgehe, er, Blümel, habe falsch ausgesagt, dass sie aber aus anderen Gründen trotzdem das Verfahren habe einstellen müssen. Daher würden Aussagen von ihm nun vor Gericht ihn wieder in Gefahr bringen.

Staatsanwalt Gregor Adamovic hakte mehrmals nach, bis Blümel sichtlich genervt meinte: „Was ist daran so schwer zu verstehen?“ Als juristischem Laien sei ihm unklar, wie man sein Recht auf Entschlagung infrage stellen könne. Adamovic und Zweitankläger Roland Koch erläuterten schließlich den Hintergrund ihrer Fragen: Wegen Gefahr eines Aussagedelikts könne sich Blümel nicht entschlagen. Radastics mahnte beide Seiten, die Sache „ohne Nebengeräusche“ weiterzuführen, und gewährte Blümel das Entschlagungsrecht. Davor hatte Blümel Adamovic mehrmals irrtümlich als Staatssekretär bezeichnet, was der Richter schließlich mit dem Fußballerzitat „Hauptsache Italien“ quittierte.

Gernot Blümel
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Blümel am Rande der Befragung durch den Richter

Blümel: Keine Abstimmung mit Kurz zu Prozess

Bei der weiteren Befragung entschlug sich Blümel zunächst einer Reihe von Fragen, bevor er im Weiteren auf Fragen der WKStA einging. Auch im weiteren Verlauf war die Stimmung zwischen Blümel und Adamovic teils sehr gespannt. Adamovic verwies darauf, dass Kurz und er, Blümel, länger den gleichen Verteidiger gehabt hätten und jetzt in ihren neuen Tätigkeiten im gleichen Gebäude tätig. Ob es da gemeinsame Besprechungen gebe oder gegeben habe, „um sich abzustimmen“ bezüglich des Prozesses, wollte Adamovic wissen. Blümel wandte sich zunächst an den Richter, der die Frage für zulässig erklärte. Dann verneinte er. Adamovic zielte mit seiner Frage wohl darauf ab, dass die Argumentationen teils sehr ähnlich sind.

Sehr oft „keine konkrete Erinnerung“

Bei vielen Fragen führte Blümel ins Treffen, dass er „keine hundertrpozentige“ oder „keine konkrete“ Erinnerung mehr habe. Ähnlich auch die Antwort bei der Frage, ob er sich erinnere, dass Ex-Finanzminister Löger sich mit Kurz über Personalia beraten habe, aber er wisse mittlerweile sicher „mehr aus Vorhaltungen (im Verfahren, Anm.) und aus Medien als aus meiner Erinnerung“.

Auch an die Ereignisse, die in einer Chatnachricht des damaligen FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache an den FPÖ-Verhandler Arnold Schiefer erwähnt werden, hatte Blümel keine konkrete Erinnerung. Strache schrieb darüber, dass er bei Kurz mit Personalia abgeblitzt sei. Kurz habe eine von Strache ins Treffen geführte Extravereinbarung für nicht relevant erklärt. Wörtlich schrieb Strache: „Extravereinbarung mit Schmied (sic!, gemeint: Thomas Schmid, Anm.) ist mit ihm nicht besprochen u gilt nicht. APG, BIG und Post-Vorstand. Irre!“

Schmid: „Engstes Verhältnis“ zu Blümel

Der Vertraute des Ex-Kanzlers hatte laut dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, zu diesem das „engste“ Verhältnis. Blümel sei erster Ansprechpartner gewesen, so der Hauptzeuge der Anklage, der auch aussagte, dass Kurz immer habe mitreden wollen. Blümel war unter anderen Verhandler für die türkis-blaue Regierung, Regierungskoordinator und Finanzminister. Er soll darüber Auskunft geben, welchen Einfluss Kurz tatsächlich auf Personalbesetzungen unter anderem in der Staatsholding ÖBAG genommen hat.

Gaby Konrad (ORF) zu Blümel im Zeugenstand

Gaby Konrad (ORF) meldet sich vom Wiener Straflandesgericht und spricht über die aktuelle Lage im Kurz-Prozess. Mit Gernot Blümel ist am Donnerstag ein weiterer Ex-Politiker als Zeuge im Kurz-Prozess geladen.

Kurz wird wie seinem einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli von der WKStA vorgeworfen, seine Rolle bei den Postenbesetzungen etwa für den Aufsichtsrat der ÖBAG kleingeredet zu haben. Die Angaben des Ex-Kanzlers widersprechen jenen des ehemaligen Vorstands der Staatsholding, Schmid, der im Prozess ebenfalls als Zeuge ausgesagt hat. Kurz beharrt darauf, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Personalia als „ständige Themen“

Gegen Blümel sind in der Causa keine Ermittlungen anhängig, wie er auf Frage des Gerichts selbst angab. Zu Beginn der Befragung durch Richter Radasztics gab Blümel an, mit Schmid habe er seit dem Sommer, als er diesem zum Geburtstag gratuliert habe, keinen Kontakt mehr gehabt.

Über Personalia habe man in den Koalitionsverhandlungen 2017 natürlich auch gesprochen, so Blümel, an einen „so strengen Schlüssel wie medial kolportiert, 2:1“, könne er sich nicht erinnern. Generell seien Personalia „ständige Themen“ gewesen, jede Seite habe gesagt, „wir wollen da mehr“. Laut Blümel waren das aber politische Geplänkel, da die Beschlüsse im Ministerrat einstimmig sein mussten. Und die Beschlüsse sein vorab koordiniert worden. Das Nominierungskomitee, das Vorschläge für die Vergabe von Aufsichtsratsposten in staatsnahen Betrieben erarbeitete, habe Vorschläge „von überall“ bekommen, betonte Blümel auf Nachfrage des Richters.

Kurz-Prozess am Wiener Landesgericht für Strafsachen
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Kurz und Bonelli am Donnerstag vor Start des Verhandlungstags

Blümel: Diskussionen ja, aber Entscheidung bei Minister

So wie im gesamten Prozess konfrontierte Richter Radasztics auch den Zeugen Blümel mit den in der Anklage enthaltenen SMS, die über Schmids Handy sichergestellt wurden. Ähnlich wie Ex-Finanzminister Hartwig Löger und auch die Angeklagten sagte Blümel mehrere Male, dass es immer wieder Diskussionen über Personalia gab – mit vielen verschiedenen Menschen. Und Vorschläge seien von allen möglichen Seiten gekommen. Das sei auch ganz normal, unterstrich Blümel.

Auch in seiner Funktion als Minister habe er über Personalentscheidungen mit verschiedensten Leuten diskutiert. Die Entscheidung habe aber er selbst getroffen. Das gestehe er auch den anderen Ministern der damaligen Regierung zu – und meinte damit wohl konkret Löger, der für den Umbau der Beteiligungsholding ÖBIB zur ÖBAG zuständig war.

Sebastian Kurz
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Kurz sagte von sich selbst, informiert, aber nicht involviert gewesen zu sein

Entscheidung per Umlaufbeschluss

Aus Schmids SMS geht auch hervor, dass Personalentscheidungen im Nominierungskomitee teils im Umlaufbeschluss getroffen wurden. Blümel bestätigte das. Der Richter verwies – konkret bei einem Umlaufbeschluss binnen 24 Stunden zu einem Post-Aufsichtsrat – darauf, dass das aber nicht mit Blümels Aussage zusammenpasse, dass Personalia intensiv diskutiert worden seien.

Die vielen Personalvorschläge habe er in der Regel „an sich vorbeiziehen lassen“, so Blümel auf die entsprechende Frage des Richters. Bei sehr vielen Chats hat Blümel keine „konkrete“ Erinnerung.

Blümel: Viele wollten wissen, was Kurz meint

Susanne Höllinger empfahl Schmid als Kandidatin – praktisch gleichzeitig Blümel und Kurz. Sie sei „compliant“, „steuerbar“ und habe für Niederösterreich „delikate Sachen sauber erledigt“. Auch hier sagte Blümel, alle möglichen Leute hätten ständig Interesse gehabt, was „der Bundeskanzler“ davon halte. Und er sei ihm nahegestanden, daher seien viele solche Anfragen auch an ihn gerichtet worden.

Schmids Einschätzung, Kurz habe entschieden, sei dessen persönliche, und es gebe je nach Position unterschiedliche Bedürfnisse und Perspektiven, so Blümel zu dessen Einschätzung.

„Man versucht, höflicher Mensch zu sein“

Zu Schmids Ambitionen auf den Chefsessel in der ÖBAG meinte Blümel, das sei ihm natürlich irgendwann klargeworden. Als Minister und Koordinator in der Regierung habe es ständig Leute gegeben, die mit Jobwünschen an ihn herangetreten sei. Und „im Normalfall versucht man, ein höflicher Mensch zu sein“, so Blümel. Schmid habe er jedenfalls für geeignet gehalten, auch wenn er „keine Freude“ gehabt habe, ihn als Generalsekretär im Finanzministerium zu verlieren.

Personalentscheidungen im Ministerkabinett seien die „höchstpersönliche Entscheidung“ jedes Ministers. Aber auch hier: Nachfragen, etwa im Kanzleramt, ob man wen kenne oder empfehlen könne, seien natürlich möglich. Es gehe ja auch um eine gute Zusammenarbeit zwischen Ministerium und Kanzleramt.

Verschiedene SMS-Chats mit Schmid, in denen Blümel diesen lobte, erklärte Blümel damit, dass dieser ja die Hauptarbeit an der Umwandlung der ÖBIB zur ÖBAG geleistet habe.

„Ein modernes Scherbengericht“

Auf die Frage von Bonellis Verteidiger Werner Suppan, wie er die Befragungen in den U-Ausschüssen empfunden habe, sagte Blümel: „Unangenehm, ein modernes Scherbengericht.“ Er habe den Eindruck gewonnen, es gehe darum, politische Mitbewerber „zu erledigen“. Blümel beurteilte damit diese Befragungen sehr ähnlich wie die beiden Angeklagten.

Kurz: Verstehe Vorgehen der Anklage nicht

Mit dem Ende von Blümels Befragung meldete sich Kurz zu Wort: Man habe sich nun tagelang mit der Thematik beschäftigt – und er habe noch nie so viel darüber gewusst wie jetzt, so Kurz. Die U-Ausschuss-Befragungen habe er als sehr unangenehm empfunden. Kurz unterstrich, dass und warum er die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückweise. Die Anklage verstehe er einfach nicht, er bekomme „schön langsam Schwammerl“. Generell verwies er auf die vielen Personen und darauf, dass es schwierig sei, sich Jahre später noch an Detailereignisse zu erinnern. Auf die Frage von Richter Radazstics antwortete Kurz, er habe sich nicht extern durch ein Coaching auf die Befragung im U-Ausschuss vorbereitet.

„Keine Sorge, du bist Familie“

Schmid hatte angegeben, Blümel sei erster Ansprechpartner zum Thema ÖBAG gewesen. In einer Chatnachricht Blümels an Schmid hatte es geheißen: „Keine Sorge, du bist Familie.“ Der Vertraute von Kurz habe damit sagen wollen, „Thomas, du bist einer von uns“, interpretierte Schmid das vor Gericht. Zu Blümel habe er während der türkis-blauen Regierungszeit eine sehr gute Beziehung gehabt. Es sei hart, aber oft lustig gewesen, man habe sich auch privat gesehen. Heute gebe es keinen Kontakt mehr. Schmid wirft Kurz vor, de facto ein „Vetorecht“ gehabt zu haben. Das bestreiten Kurz und Bonelli.