Ukrainische Präsident Volodymyr Selenski
Reuters/Valentyn Ogirenko
31.000

Selenskyj nennt Zahl gefallener Soldaten

Zwei Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erstmals die Zahl der bisher getöteten Soldaten seiner Streitkräfte angegeben: 31.000 Menschen seien getötet worden. Schätzungen gehen allerdings von teilweise deutlich mehr gefallenen Soldaten aus. Gleichzeitig drängte Selenskyj auf eine rasche Freigabe der vom US-Kongress blockierten Militärhilfen.

Bisher angeführte Verlustzahlen von amerikanischer bzw. russischer Seite, die von 100.000 bis 300.000 getöteten ukrainischen Soldaten sprechen, wies Selenskyj zurück: „Das ist alles Unsinn.“ Nicht in den 31.000 enthalten sind laut offiziellen Angaben die vermissten Soldaten. Zu den Opfern unter der ukrainischen Bevölkerung wollte sich Selenskyj nicht äußern. Diese Zahlen seien aktuell nicht bekannt, sagte er. „Jeder dieser Verluste ist ein großer Verlust für uns“, fügte er hinzu.

Genaue Verluste unter Militärangehörigen wurden von beiden Seiten bisher streng geheim gehalten. US-Schätzungen vom Sommer 2023 gingen von etwa 70.000 toten ukrainischen Soldaten aus. Die Website UA Losses versucht auf Basis von offiziellen Dokumenten, Medienberichten und Social-Media-Postings die gefallenen Soldaten der Ukraine zu benennen und zu zählen. Das Projekt kommt derzeit auf 47.000 Tote.

Selenskyj nennt Zahl gefallener Soldaten

Zwei Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erstmals die Zahl der bisher getöteten Soldaten seiner Streitkräfte angegeben: 31.000 Menschen seien getötet worden. Schätzungen gehen allerdings von teilweise deutlich mehr gefallenen Soldaten aus. Außerdem sprach er von seiner Hoffnung eines Friedensgipfels in der Schweiz im Frühjahr.

Unklarheit über russische Verluste

Noch weiter auseinander gehen die Schätzungen zu den russischen Verlusten. Selenskyj bezifferte sie mit 180.000 Toten und 500.000 Verwundeten. Mitte Februar schätzte das US-Verteidigungsministerium die Zahl getöteter bzw. verwundeter russischer Soldaten auf 315.000. Der russische Dienst der BBC kam im Jänner auf 107.000 gefallene Russen.

Die im litauischen Exil arbeitende russische Nachrichtenwebsite Mediasona durchforstet Lokalmedien und soziale Netzwerke, um gefallene russische Soldaten zu identifizieren. Bis Ende 2023 schätzt man hier zwischen 66.000 and 88.000 Tote. Die Bandbreite ergebe sich vor allem dadurch, dass vor allem rekrutierte Häftlinge kaum dokumentiert seien. Auch die großen Verluste bei den Kämpfen um Awdijiwka von heuer seien noch nicht enthalten.

Ukraine klagt über schleppende Militärhilfen

Einmal mehr bat Selenskyj um Militärhilfe, insbesondere aus den USA: „Sie wissen, dass wir innerhalb eines Monats Unterstützung benötigen.“ Es gebe aber Anlass zur Hoffnung. Er sei sicher, dass es ein positives Votum über das von den Republikanern blockierte Ukraine-Hilfspaket in Höhe von 60 Milliarden Dollar (rund 55,7 Mrd. Euro) im US-Kongress geben werde.

Zuvor hatte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow beklagt, dass die vom Westen versprochene Militärhilfe für die Ukraine in der Hälfte der Fälle später als zugesagt ankomme. „Zusagen bedeuten im Moment nicht Lieferungen“, sagte er am Sonntag bei einem Diskussionsforum in Kiew zum zweiten Jahrestag des Kriegsbeginns. 50 Prozent der Zusagen würden nicht pünktlich geliefert.

Die unpünktlichen Lieferungen schaden uns"

Durch die verzögerten Lieferungen werde die ukrainische Armee „in der Mathematik des Krieges“ zusätzlich benachteiligt, sagte Umjerow weiter. Vor allem angesichts der russischen „Luftüberlegenheit“ bedeute das „Verlust an Menschenleben, Verlust an Gebieten“. Die ukrainische Armee versuche „alles Mögliche und alles Unmögliche“ im Kampf gegen die russischen Aggressoren, sagte der Minister. „Aber die unpünktlichen Lieferungen schaden uns.“

Ukrainische Piloten durchlaufen gerade eine Ausbildung an westlichen F-16-Kampfjets, die noch im ersten Halbjahr in der Ukraine eintreffen sollen. Die russische Kriegsführung zeichnet sich dem Minister zufolge zudem durch einen noch beispiellosen Einsatz von Raketen aus.

„8.000 Raketen auf Ukraine seit Kriegsbeginn“

„Seit Kriegsbeginn hat die Russische Föderation über 8.000 Raketen auf die Ukraine abgefeuert“, betonte Umjerow. Daneben setze der Gegner eine riesige Zahl an Kampfdrohnen ein. „Das ist der erste Drohnenkrieg“, sagte er. Die Länge der Frontlinie mit intensiven Kampfhandlungen bezifferte er auf 1.200 Kilometer.

Der Ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov
Reuters/Alina Smutko
Vor allem die russische „Luftüberlegenheit“ macht der Ukraine laut Verteidigungsminister Umjerow zu schaffen

Die russische Armee war auf Befehl von Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. Nach mehr als einem Jahr festgefahrener Kämpfe ist Moskau mittlerweile vor allem in der Ostukraine wieder in die Offensive gegangen. Die ukrainischen Soldaten leiden bei den Kämpfen wegen stockender Militärhilfe zunehmend unter Munitionsmangel.

Westen bekundete anhaltende Unterstützung

Bei den Gedenkfeiern zum zweiten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine am Samstag bekundeten die westlichen Verbündeten der Ukraine ihre anhaltende Unterstützung, schlossen neue bilaterale Sicherheitsabkommen und sagten neue Hilfe zu. Umjerov sagte jedoch, dass sie ihre Zusagen noch einhalten müssten, wenn die Ukraine eine Chance haben solle, sich gegen Russland zu behaupten.

Auf dem Forum in Kiew betonte Umjerow am Sonntag, dass die ukrainischen Streitkräfte „alles Mögliche und auch Unmögliche“ täten, um in diesem Jahr einen Durchbruch zu erzielen. Der Verteidigungsminister sagte auch, dass es bereits eine „starke“ Militärstrategie für die kommenden Monate gebe, nannte aber keine Einzelheiten.

Eigene Waffenproduktion verdreifacht

Im ukrainischen Haushalt für das laufende Jahr klafft derzeit eine Lücke von 37 Milliarden Dollar. Zur Deckung erwartet die Regierung in Kiew unter anderem 18 Milliarden Euro von der EU, die bereits zugesagt wurden. Laut Angaben des Industrieministeriums in Kiew habe man jedoch die eigene Waffenproduktion im vergangenen Jahr verdreifacht.

Für dieses Jahr sei eine „beträchtliche Erhöhung der Munitionsproduktion“ geplant, hieß es weiter. 500 Unternehmen seien inzwischen im Verteidigungssektor des Landes tätig, darunter 100 staatliche und 400 private Firmen.

Deutschland erhöht humanitäre Hilfe

Deutschland verstärkt zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs auch die humanitäre Wiederaufbauhilfe für die Ukraine. „Putin will dieses Land zermürben. Und genau das lassen wir nicht zu. Weder militärisch noch wirtschaftlich noch humanitär“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag beim Besuch der Stadt Mykolajiw im Süden des Landes.

Deswegen stocke die deutsche Bundesregierung die humanitäre Hilfe um weitere 100 Millionen Euro auf etwa eine Milliarde Euro auf. Mit dem Geld würden die Menschen in der Ukraine dabei unterstützt, Wasserversorgung, Krankenhäuser und Wohnhäuser wieder aufzubauen. Baerbock musste den Solidaritätsbesuch wegen der Bedrohung durch eine russische Drohne vorzeitig abbrechen. Laut Berichten wurde eine russische Aufklärungsdrohne gesichtet, die der Delegation der Ministerin in der frontnahen, südukrainischen Stadt Mykolajiw zeitweise folgte und schließlich abdrehte.