Vorwürfe in Kurz-Prozess: Richter klären auf

Nachdem Anfang der Woche bekanntgeworden war, dass Michael Radasztics, Richter im Falschaussageprozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli, im Mai zu einer Disziplinarstrafe verurteilt wurde, hat die ÖVP „den Anschein der Befangenheit“ geortet. Die Vereinigung der Richter und Richterinnen forderte heute „mehr Sachlichkeit“.

Richter Michael Radasztics
ORF/Lukas Krummholz

Präsident Gernot Kanduth wies in einer Aussendung darauf hin, dass sachliche Kritik für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Rechtsprechung wichtig sei, „sachliche Kritik setzt allerdings voraus, dass sie von der geltenden Gesetzeslage ausgeht“.

Bei der Berichterstattung über die behauptete Befangenheit des zuständigen Einzelrichters in der Strafsache gegen Kurz scheine das „nicht bei allen Diskussionsbeiträgen der Fall zu sein“, so Kanduth weiter.

Strafe hat keine Auswirkung auf Zuständigkeit

Weiters hielt er fest, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe gegen das zuständige Entscheidungsorgan für sich alleine genommen keine Auswirkung auf die Zuständigkeit hat.

Eine Befangenheit liege dann vor, wenn ein Richter oder eine Richterin eine konkrete Rechtssache nicht „völlig unvoreingenommen und unparteiisch“ behandeln kann. Es dürfe nicht einmal der Anschein einer Befangenheit vorliegen. Für die Ausschließung von Richtern und Richterinnen müssen allerdings fassbare Anhaltspunkte gegeben sein.

OLG kann entscheiden

Wird während der Verhandlung beantragt, dass der Richter auszuschließen sei, entscheide der Richter selbst. „Nur wenn der Antrag außerhalb (bzw. rechtzeitig vor) einer Verhandlung gestellt wird, hat über die Ausschließung am Straflandesgericht Wien dessen Präsident zu entscheiden“, so Kanduth.

Die Parteien können den Ausschließungsgrund in einer (Nichtigkeits-)Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil vorbringen, dann hat das Oberlandesgericht Wien darüber zu entscheiden. So dürfte die Verteidigung von Kurz vorgehen.

Gegenüber ORF.at hatte Rechtsprofessor Andreas Venier den Fall ÖVP gegen Radasztics eingeordnet. „Es ist eine Kette von Vermutungen, die ich für sehr weit hergeholt halte“, so der Experte.

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