Israelische Soldatin an Gedenkort für die am 7. Oktober verstorbenen Menschen
Reuters/Violeta Santos Moura
UNO-Bericht

Vergewaltigungen bei Hamas-Terrorangriff

Bei dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober hat es nach Ansicht der UNO aller Wahrscheinlichkeit nach Vergewaltigungen gegeben. Für diese Annahme gebe es „stichhaltige Gründe“, heißt es in einem am Montag vorgelegten Bericht der UNO-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten. Auch in den Gazastreifen entführte Geiseln seien vergewaltigt worden.

Patten erhielt nach eigenen Angaben „klare und überzeugende Informationen“, wonach Geiseln in der Gewalt der Hamas vergewaltigt wurden. Diese Informationen führten auch zu der Annahme, „dass derartige Gewalt weiter andauert gegen diejenigen, die noch festgehalten werden“.

Patten hatte sich im Februar mehrere Tage in Israel aufgehalten. Dort sprach sie mit Überlebenden, Zeuginnen und Zeugen und Sicherheitskräften. Zudem traf die UNO-Beauftragte aus der Hamas-Geiselhaft freigelassene Israelis. Zuvor waren die Vereinten Nationen beschuldigt worden, zu langsam auf die von Israel gegen die Hamas erhobenen Vorwürfe von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt während des Terrorangriffs am 7. Oktober reagiert zu haben.

Fotos und Videos ausgewertet

Die Untersuchung von Pattens Team fand von Ende Jänner bis Mitte Februar statt. Es habe dabei Dutzende Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern von israelischen Behörden und Organisationen gegeben, mehr als 5.000 Fotos und 50 Stunden Video wurden gesichtet.

Die Vereinten Nationen führten 34 Interviews mit Zeuginnen und Zeugen durch. Das Team sprach dabei mit keinem überlebenden Opfer. Der Bericht führte das einerseits auf deren anhaltendes Trauma und andererseits auf „mangelndes Vertrauen“ der Opfer in internationale Organisationen wie die UNO zurück.

Guterres weist Vertuschungsvorwürfe zurück

Die Veröffentlichung des Berichts wurde begleitet von einem neuen Streit zwischen den Vereinten Nationen und Israel. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ließ israelische Vorwürfe zurückweisen, dass er den Bericht habe unterdrücken wollen. „Die Arbeit wurde gründlich und zügig erledigt. Der Generalsekretär hat in keinster Art und Weise versucht, den Bericht ‚still‘ zu halten“, sagte sein Sprecher Stephane Dujarric.

Analyse: Weiter Verhandlungen über Feuerpause

Wie weit sind die Verhandlungen um eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas gediehen? Tim Cupal (Tel Aviv) und Karim El Gawahary (Kairo) berichten.

Israel rief am Montag seinen Botschafter bei der UNO für Konsultationen zurück. Er habe Botschafter Gilad Erdan angewiesen, „für sofortige Konsultationen“ nach Israel zurückzukehren, erklärte Außenminister Israel Katz. Grund sei der Versuch, „Informationen über die von der Hamas und ihren Verbündeten am 7. Oktober verübten Massenvergewaltigungen totzuschweigen“, so Katz.

Erdan hatte zuvor Israels Terrorvorwürfe gegen das UNO-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen mit Videoaufnahmen zu untermauern versucht. Er zeigte während seiner Rede heute in New York ein Video, das einen UNRWA-Mitarbeiter am 7. Oktober in Israel zeigen soll.

Armee: „450 Terroristen“ in UNRWA beschäftigt

Israels Armee erklärte am Montag, das UNRWA beschäftige „mehr als 450 Terroristen“. Dazu verbreitete die Armee eine Aufnahme, auf der ihr zufolge ein „Terrorist“ zu hören ist, der als Arabischlehrer an einer vom UNRWA betriebenen Schule arbeitet.

Darin beschreibt der Mann laut Militär, wie er bei dem Hamas-Angriff am 7. Oktober nach Israel eingedrungen sei. Zudem sagt er demnach in der Aufnahme, die sich von unabhängiger Seite nicht prüfen lässt, er halte israelische Frauen als Geiseln.

Mehrere westliche Länder haben wegen der Anschuldigungen ihre Zahlungen an UNRWA eingefroren, darunter neben den beiden größten Geldgebern USA und Deutschland auch Österreich.

UNO-Generalsekretär Guterres nannte die Vorwürfe in der Vergangenheit glaubwürdig und versprach umfassende Aufklärung. Die Zusammenarbeit mit mehreren Angestellten sei sofort beendet worden.

13.000 Mitarbeiter im Gazastreifen

Das UNRWA kümmert sich bereits seit Jahrzehnten speziell um die Belange palästinensischer Flüchtlinge im Nahen Osten und betreibt unter anderem Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Insgesamt arbeiten mehr als 30.000 Menschen für die Organisation, etwa 13.000 davon im Gazastreifen.

Dort gilt UNRWA für die humanitäre Versorgung von mehr als zwei Mio. Zivilpersonen, die unter den Folgen des Gaza-Krieges leiden, momentan als alternativlos. UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini warnte, seine Organisation habe keine Reserven. „Wir leben von der Hand in den Mund“, sagte er.

1.140 Tote bei Terrorangriff

Die Hamas hatte bei ihrem Angriff etwa 1.140 Menschen teils unter grausamsten Umständen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel geht seither militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Hamas-Angaben, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 30.500 Menschen getötet.