Russlands Präsident Vladimir Putin
Reuters/Maxim Shemetov
Russland

Putin-Sieg bei Wahlfarce

Die russische Präsidentschaftswahl ist geschlagen – und unmittelbar nach der Schließung der Wahllokale hat das Staatsfernsehen mit Amtsinhaber Wladimir Putin auch den erwarteten Gewinner verkündet. Ernsthafte Gegner gab es für Putin nicht. Vielmehr überrascht das von der Wahlkommission bekanntgegebene und von Putin als Zeichen des „Vertrauens“ in seine Führung bezeichnete „Rekordergebnis“ wenig.

Beobachtern zufolge hätten schon die ersten Teilergebnisse bestätigt, was bei der vielfach als inszeniert kritisierten Wahl ohnehin „von vornherein feststand“. Nach Auszählung von knapp der Hälfte der Stimmen lag Putin nach Angaben der Zentralen Wahlkommission bei 87,3 Prozent. Dieses vorläufige Ergebnis liegt um mehr als zehn Prozentpunkte über Putins Wahlergebnis von 2018 (76,7 Prozent).

Putins offizielle Gegenkandidaten waren der Kommunist Nikolai Charitonow sowie Leonid Slusky, Chef der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei, und Wladislaw Dawankow von der Neuen Volkspartei. Beobachter sprachen von Marionetten des Kreml. Zwei weitere Kandidaten, die Kriegsgegner Boris Nadeschdin and Jekaterina Dunsowa, waren von der Wahlkommission als Kandidaten ausgeschlossen worden. Der bekannteste Oppositionelle, Alexej Nawalny, war vor wenigen Wochen in einem russischen Straflager gestorben.

Russlands Präsident Vladimir Putin bei der Angelobung 2018
Reuters/Alexander Zemlianichenko
Putin bei der Angelobung zu seiner vierten Amtszeit im Jahr 2018

„Sind ein geeintes Team“

Putin dankte seinen Landsleuten am Sonntag für die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl. „Wir sind ein geeintes Team, alle russischen Bürger, die in die Wahllokale gekommen sind und gewählt haben“, sagte Putin in einer Rede vor seinem Wahlkampfteam, die vom Staatsfernsehen übertragen wurde.

Analyse: Putin ließ sich wiederwählen

ORF-Korrespondentin Maria Knips-Witting spricht unter anderem über den „Wahlsieg“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin und darüber, ob es eine Rolle für ihn spielt, dass er nur durch Manipulation gewonnen hat. Außerdem berichtete sie, wie man Putins Aussagen über den Kriegsverlauf in der Ukraine deuten kann.

Sein Wahlsieg zeige, dass es richtig gewesen sei, den gegenwärtigen Weg einzuschlagen. Russland könne nun stärker und effizienter werden. Er werde die Gesellschaft „konsolidieren“, und dann werde niemand mehr Russland unterdrücken. Er sei sich sicher, dass alle Ziele erreicht würden. Dem Westen drohte er erneut: Ein umfassender Konflikt mit der NATO sei nicht auszuschließen, und in diesem Fall wäre die Welt nur einen Schritt von einem Dritten Weltkrieg entfernt.

Nawalny-Tod erstmals von Putin bestätigt

Außerdem bestätigte Putin erstmals offiziell, dass der verstorbene Nawalny ausgetauscht werden sollte. Er habe bereits sein Einverständnis zum Austausch gegen im Westen inhaftierte Russen gegeben, sagte Putin. „Was Herrn Nawalny betrifft, ist er nicht mehr am Leben“, sagte Putin. „Das ist ein trauriges Ereignis.“ „Leider ist nun einmal passiert, was passiert ist“, so Putin weiter. „Aber es passiert, dagegen kann man nichts tun, so ist das Leben.“

Berichte über systematischen Betrug

Die Abstimmung wurde auch von Putins Krieg gegen die Ukraine überschattet, den er immer wieder als Kampf gegen ein angebliches Vormachtstreben der NATO und des Westens darstellt. Unter Verweis auf die Entwicklung in der Ukraine sagte Putin, die russischen Streitkräfte machten jeden Tag Fortschritte. Gleichwohl müsse die Armee gestärkt werden.

Schneider (ORF) über die Wahl in Russland

ORF-Korrespondentin Carola Schneider berichtet aus Moskau über den Verlauf der Präsidentschaftswahl in Russland.

In den okkupierten Teilen und auf der von Russland bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim stimmten Menschen ebenfalls bei der als Farce kritisierten Wahl ab. Die Zahl der Wahlberechtigten wurde insgesamt mit 114 Millionen Menschen angegeben. Nach Angaben der Wahlkommission von Montag lag die Wahlbeteiligung bei 77,44 Prozent. Zuvor waren 74 Prozent genannt worden. Bei beiden Werten handelt es sich um einen Rekord: Es ist der höchste Wert bei einer russischen Präsidentenwahl. Allerdings sind diese Angaben nicht überprüfbar.

Unabhängige Beobachter wiesen auf systematischen Betrug hin, der hinter der verkündeten hohen Wahlbeteiligung stecke. So wurden seit dem ersten Wahltag am Freitag massenhaft Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte staatlicher Firmen zur Stimmabgabe gedrängt wurden und teils sogar Beweisfotos von ihrem ausgefüllten Wahlschein machen mussten. Kritik gab es auch an der leichten Manipulierbarkeit des Onlinewahlverfahrens.

Lange Warteschlangen als Zeichen des Protests

Die von Russlands Machtapparat mit harter Hand organisierte Abstimmung für Putins fünfte Amtszeit wurde von einer bemerkenswerten Protestwelle begleitet. Trotz Einschüchterungsversuchen durch Behörden versammelten sich am Sonntag gegen 12.00 Uhr etliche Gegnerinnen und Gegner des russischen Langzeitpräsidenten vor den Wahllokalen, um so ihren Unmut über die von der Opposition als undemokratisch eingestufte Putin-Wiederwahl zu zeigen.

Zu der Aktion unter dem Motto „Mittag gegen Putin“ hatten Oppositionelle aufgerufen, darunter das Team des kürzlich im Straflager gestorbenen Nawalny. Auch der von der Präsidentenwahl ausgeschlossene Oppositionspolitiker Nadeschdin beteiligte sich an der friedlichen Protestaktion. Begleitet worden sei die Protestaktion von Festnahmen – russlandweit seien mindestens 74 Menschen zumindest zeitweise in Gewahrsam genommen worden, berichtete am das Bürgerrechtsportal OVD-Info.

Nawalnaja in russischer Botschaft in Berlin

Zur Teilnahme am Protest aufgerufen hatte auch Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja. Diese reihte sich in die Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berlin ein, wo sie kurz nach 18.00 Uhr ihre Stimme abgab. Sie habe den Namen Nawalny auf den Stimmzettel geschrieben, wie Nawalnaja nach dem Verlassen der Botschaft sagte.

Yulia Navalnaya verlässt das Botschaftsgelände in Berlin
Reuters/Annegret Hilse
Nawalnaja beim Verlassen der russischen Botschaft in Berlin

Auch in vielen anderen Städten, darunter etwa auch Salzburg und Wien, prägten am Sonntag lange Warteschlange das Bild vor Russlands Konsulaten und Botschaften. „Das ist eigentlich eine Demonstration, denn ohne den Aufruf zur Aktion ‚Zu Mittag gegen Putin‘ gäbe es hier keine derartige Schlange“, sagte der russische Politologe Kirill Rogow vor der russischen Botschaft in Wien – mehr dazu in salzburg.ORF.at und in wien.ORF.at.

Seit 1999 an der Macht

Putin regiert seit 1999 abwechselnd als Präsident und Ministerpräsident und damit so lange wie kein anderer Politiker in Moskau seit Josef Stalin. Der sowjetische Diktator starb 1953 nach 29-jähriger Herrschaft. Dank einer Verfassungsänderung könnte Putin 2030 für weitere sechs Jahre antreten.

Putin dürfte den Wahlsieg als Bestätigung seines antiwestlichen und autoritären Kurses präsentieren. Beobachter erwarten, dass er für die nächsten sechs Amtsjahre nicht nur außenpolitisch in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch einmal deutlich nachlegt.

Der Werdegang von Wladimir Putin

Das Leben und der politische Werdegang des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Überblick.

Befürchtet werde unter anderem eine neue Mobilmachung Hunderttausender Reservisten. Auch innenpolitisch könnten die Daumenschrauben im Land noch einmal angezogen werden, um den an den drei Wahltagen sichtbaren Protest von Putins Gegnerschaft zu ersticken. Angekündigt sind zudem Steuererhöhungen, mit denen die hohen Ausgaben für den Krieg und die sozialpolitischen Vorhaben finanziert werden sollen.