Russlands Präsident Vladimir Putin
Reuters/Maxim Shemetov
Rede nach Wahlsieg

Putin spricht erstmals Nawalny-Tod an

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich nach seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl einmal mehr als starker Herrscher präsentiert. Kritik, wonach die Wahl alles andere als offen und fair abgelaufen sei, ließ das Staatsoberhaupt wenig überraschend unkommentiert. Dafür nahm Putin das erste Mal nach dessen Tod den Namen des Regimekritikers Alexej Nawalny in den Mund.

„Was Herrn Nawalny betrifft, ist er nicht mehr am Leben“, sagte Putin: „Das ist ein trauriges Ereignis.“ Der 47-jährige Kreml-Kritiker war Mitte Februar in einem Straflager im Norden Russlands gestorben. Innerhalb der russischen Opposition und im Westen hatte der Tod für Entsetzen gesorgt und scharfe Kritik an der russischen Regierung hervorgerufen. Bis Sonntagabend hatte es Putin über einen Monat lang vermieden, sich zu dem Vorfall zu äußern.

„Leider ist nun einmal passiert, was passiert ist. Aber es passiert, dagegen kann man nichts tun, so ist das Leben“, hieß es nun von Putin lapidar. Zugleich erklärte der russische Präsident, ihm sei noch wenige Tage vor Nawalnys Tod gesagt worden, dass es die Idee gebe, den Regimekritiker gegen im Westen inhaftierte Personen auszutauschen. Er, Putin, habe einem solchen Austausch zugestimmt. Und er habe gesagt, Nawalny solle niemals mehr nach Russland zurückkehren.

Foto und Blumen am Grab des russischen Oppositionsführers Alexei Navalny
Reuters
Der Tod Nawalnys rief weltweit Bestürzung aus

Nawalny war 2021 in Russland zu jahrzehntelanger Haft verurteilt worden. Ende vergangenen Jahres wurde er in ein sibirisches Straflager verlegt. Vertraute des Kreml-Kritikers hatten bereits Ende Februar gesagt, es habe die Idee gegeben, Nawalny gegen den in Deutschland einsitzenden „Tiergartenmörder“ Wadim Krassikow auszutauschen. Auch zwei US-Staatsangehörige hätten Teil des Austauschs sein sollen.

Nawalny-Vertrauter nennt Aussagen „zynisch“

Nawalnys langjähriger Vertrauter Leonid Wolkow nannte Putins Stellungnahme einen Monat nach dem Tod des Kreml-Gegners „zynisch“. Putin habe seinen Gegner in Wahrheit getötet, um ihn nicht austauschen zu müssen. Er bezeichnete Putin als eine „blutsaugende Wanze“, die bald platzen werde. Wolkow war erst vor wenigen Tagen in der litauischen Hauptstadt Vilnius mit einem Hammer angegriffen worden.

Knips-Witting (ORF) zu Wahlsieg Putins

ORF-Korrespondentin Maria Knips-Witting spricht unter anderem über den Wahlsieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin und darüber, ob er seinen Drohungen Taten folgen lassen wird. Außerdem berichtet sie, welche Indizien es für einen Wahlbetrug gibt.

Die Umstände von Nawalnys Tod sind bis heute nicht geklärt. Laut Behörden brach der schärfste Kritiker von Putin bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammen. Wiederbelebungsversuche seien erfolglos geblieben. Seine Witwe Julia Nawalnaja geht davon aus, dass ihr Mann im Lager ermordet wurde.

Stiller Protest vor Wahllokalen

Nawalnaja hatte sich am Sonntag in die lange Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berlin eingereiht, wo sie um 18.00 Uhr ihre Stimme abgab. In vielen europäischen Städten bildeten sich Sonntagmittag vor den russischen Botschaften lange Schlangen. Beobachter gingen davon aus, dass viele der Menschen dem Aufruf „Mittags gegen Putin“ zum stillen Protest an der Wahl gefolgt waren. Auch vor Wahllokalen in Russland bildeten sich gegen Mittag teils lange Schlangen.

Russland-Wahl: Nawalnaja wählte in Berlin

Die Witwe des in Lagerhaft gestorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, hat sich am letzten Tag der russischen Präsidentschaftswahl in die Warteschlange vor der russischen Botschaft in Berlin eingereiht.

Trotz Drohungen der Behörden mit harten Strafen gab es am Rande der Wahl auch einzelne offene Protestaktionen. Laut der Bürgerrechtsorganisation OWD-Info wurden dabei mindestens 80 Menschen festgenommen. Der im Exil lebende Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski sah in den Protesten ein starkes Zeichen bedeutender Teile der Gesellschaft. „Für die Einwohner der Großstädte hat sich die psychologische Situation grundlegend geändert“, sagte Chodorkowski, der wegen seiner Gegnerschaft zu Putin zehn Jahre im Gefängnis gesessen war.

Die Behörden meldeten ihrerseits Festnahmen wegen „Vandalismus“. Laut den Berichten gossen Menschen in Wahllokalen grünen Farbstoff in Wahlurnen, zudem zündeten Wähler bei der Stimmabgabe Molotowcocktails und Feuerwerkskörper. Putin sagte, die Protestaktionen hätten „keine Auswirkung“ auf die Wahl gehabt. Die Behörden würden sich jedoch mit denjenigen „befassen“, „die ihre Stimmzettel zerstört haben“, so Putin in der vom Staatsfernsehen übertragenen Rede vor seinem Wahlkampfteam.

Martialische Worte zu Ukraine-Krieg

Der Kreml hatte die Wahl auch als eine Gelegenheit für die Russinnen und Russen dargestellt, ihre Unterstützung für den russischen Militäreinsatz in der Ukraine zu demonstrieren. Entsprechend lobte Putin – mit martialischem Ton – auch die jüngsten Vorstöße der russischen Armee im Osten der Ukraine.

„Die Initiative geht ausschließlich von den russischen Streitkräften aus, und in einigen Gebieten mähen unsere Leute sie – den Feind – gerade einfach nur nieder“, sagte der Präsident. Putin sprach auch davon, dass in der Ukraine bereits zahlreiche Soldaten aus den Mitgliedsstaaten der NATO im Einsatz seien. „Das ist nichts Gutes, vor allem für sie, denn sie sterben dort in großer Zahl“, sagte Putin – ohne diese Behauptungen zu belegen.

Rede von „Drittem Weltkrieg“

Einmal mehr wollte Putin auch einen umfassenden Konflikt mit der NATO nicht ausschließen. In diesem Fall wäre die Welt nur einen Schritt von einem Dritten Weltkrieg entfernt, so der russische Präsident – nur um hinzuzufügen: „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass irgendjemand daran interessiert ist.“

Zugleich gab sich Putin offen für Gespräche über eine Feuerpause in der Ukraine während der Olympischen Spiele. Allerdings müssten dabei die Interessen des russischen Militärs an der Front berücksichtigt werden. Der Vorschlag für eine Feuerpause war ursprünglich von Frankreich vorgebracht worden. Dort gehen in der Hauptstadt Paris die Olympischen Spiele vom 26. Juli bis zum 11. August über die Bühne.

Putin feiert Krim-Annexion

Nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten feiert Putin seinen Sieg und den zehnten Jahrestag der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim. „Ich gratuliere zum Feiertag. Es lebe Russland!“, rief er am Montagabend auf dem Roten Platz in Moskau vor Tausenden Menschen, die jubelten und Russland-Fahnen schwenkten. Das Staatsfernsehen übertrug den Auftritt, dem Konzerte kremltreuer Künstler vorausgegangen waren.