Irischer Regierungschef Leo Varadkar
Reuters/Elizabeth Frantz
Leo Varadkar

Irischer Premier tritt überraschend zurück

Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar hat überraschend seinen Rücktritt als Regierungs- und Parteichef der Fine Gael angekündigt. Er werde von seinen Ämtern zurücktreten, sobald ein Nachfolger bereitstehe, sagte Varadkar am Mittwoch. Sein Schritt habe sowohl persönliche als auch politische Gründe.

Varadkar, 45, war bereits zweimal Taoiseach (Premierminister) – zwischen 2017 und 2020 und erneut seit Dezember 2022. Bei seiner ersten Wahl war er der jüngste Regierungschef des Landes und der erste offen homosexuelle Premierminister im streng katholisch geprägten Irland. Varadkar war auch Irlands erster Taoiseach mit einem nicht irischen Elternteil, sein Vater ist Inder.

Er habe „nach sieben Jahren im Amt das Gefühl, dass ich nicht mehr die beste Person für diese Aufgabe bin“, sagte Varadkar. „Es gibt loyale Kolleginnen und gute Freunde, die bei den Kommunal- und Europawahlen antreten. Und ich möchte ihnen die bestmögliche Chance geben. Und ich glaube, dass sie unter einem neuen Vorsitzenden eine bessere Chance haben.“

An persönliche Grenzen geraten

Er sei stolz, dazu beigetragen zu haben, dass das EU-Land moderner und gleichberechtigter geworden sei. Es gebe keinen guten Zeitpunkt für einen Rücktritt. Doch jetzt sei ein besserer als sonst, so Varadkar weiter. Der Haushalt sei bewilligt, die Beziehungen zum Vereinigten Königreich nach den Brexit-Streitigkeiten seien verbessert, sagte er in einer emotionalen Stellungnahme.

„Politiker sind Menschen und haben ihre Grenzen“, fügte er hinzu: „Wir geben alles, bis es nicht mehr möglich ist, und dann muss man einen Schlussstrich ziehen.“ Zu seiner eigenen Zukunft äußerte er sich nicht. Er habe keine genauen Pläne. Spekuliert wurde, dass Varadkar nach der Europawahl einen Posten in der EU-Kommission anstrebt.

Nicht automatisch Neuwahl

Varadkars Rückzug von der Spitze der Dreiparteienkoalition löst nicht automatisch eine Neuwahl aus. Varadkar sagte, dass er den Posten des Regierungschefs räumen werde, sobald ein Nachfolger feststehe und das Amt übernehmen könne. Als Kandidaten waren unter anderen der Minister für öffentliche Ausgaben, Paschal Donohoe, und Handelsminister Simon Coveney im Gespräch.

Das Kabinett hatte sich am Mittwochvormittag erstmals seit der schweren Niederlage in zwei Referenden zur Rolle der Familien getroffen. Dabei hatte eine Mehrheit der Menschen in dem EU-Land Verfassungsänderungen abgelehnt, mit denen Formulierungen zur Rolle der Frau im Haushalt und zur Familie modernisiert werden sollten. Die Regierung hatte die Passagen als veraltet und sexistisch empfunden und die Änderungen empfohlen.

Rochade der Regierungschefs

Die liberal-bürgerliche Partei Fine Gael regiert seit 2020 in einer Koalition mit der liberal-konservativen Partei Fianna Fail. Deren Vorsitzender Micheal Martin hatte sich mit Varadkar im Amt des Regierungschefs nach der Hälfte der Legislaturperiode abgelöst. Ziel der beiden Volksparteien war, mit der Regelung eine Regierungsbeteiligung der irisch-republikanischen Partei Sinn Fein zu verhindern, die früher als politischer Arm der Terrorgruppe IRA galt.

Varadkar war vergangene Woche noch traditionell anlässlich der Feiern zum irischen St. Patrick’s Day in die USA gereist und hatte sich dort mit Präsident Joe Biden getroffen. Der ausgebildete Allgemeinmediziner hatte bereits mehrere Regierungsämter inne, aber betont, sich mit 50 Jahren aus der Politik zurückziehen zu wollen.

Fachleute bezeichneten die Rücktrittsankündigung des Ministerpräsidenten als „politisches Erdbeben“. Vizeregierungschef Martin sagte, Varadkars Entscheidung komme „unerwartet“. Er gehe aber vom Fortbestand der Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode aus. Die nächsten Wahlen müssen bis Anfang 2025 abgehalten werden. Umfragen zufolge hat auch die derzeitige Koalition eine Chance auf Wiederwahl.