Eduard Müller im COFAG-Untersuchungsausschuss
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COFAG-U-Ausschuss

Signa schon seit 2020 im Visier der Aufsicht

Der ehemalige Sektionschef im Finanzministerium, Eduard Müller, ist Anfang April im Zentrum der Befragungen des COFAG-U-Ausschusses gestanden. Hauptstreitpunkt war Müllers „selektive Erinnerung“. Zu vielen Fragen hatte Müller keine Erinnerung, in einem Punkt dagegen eine ganz konkrete. Für Überraschung sorgte die Aussage, dass die Bankenaufsichtsbehörden bis hinauf zur Europäischen Zentralbank (EZB) bereits ab 2020 den Signa-Konzern als mögliches Risiko untersuchten.

Müller war im Untersuchungszeitraum 2018 bis 2022 der für die Dienstaufsicht zuständige Sektionschef im ÖVP-geführten Finanzministerium. Ein bereits befragter Finanzprüfer hatte an einem früheren Tag ausgesagt, Müller sei intern gemeinsam mit Generalsekretär Thomas Schmid als „die Zwillinge“ bekannt gewesen. Und sie hätten Druck auf Finanzprüfer in Steuerverfahren von der ÖVP nahestehenden Reichen ausgeübt – genannt wurden unter anderen immer wieder Benko, der Investor Siegfried Wolf und KTM-Chef Stefan Pierer.

Von Sommer 2019 bis Jänner 2020 war Müller Finanzminister in der Expertenregierung im Gefolge des „Ibiza“-Skandals und des Falls der ÖVP-Minderheitsregierung des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz. Seit Jänner 2020 ist er Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA).

Signa fiel EZB bereits 2020 auf

Auf die Frage, ab wann die FMA den Signa-Konzern im Hinblick auf Kreditrisiken der heimischen Banken geprüft habe, sagte Müller, schon ab 2020 sei das Thema gewesen. Und zwar bereits auf Ebene der EZB – also Jahre, bevor im August 2023 der Fall des Signa-Imperiums volles Tempo aufnahm.

Damals – 2020 – seien Gewerbeimmobilien generell und die Signa konkret ein Thema geworden, nicht zuletzt infolge der Covid-19-Krise und der rasanten Zunahme von Homeoffice und Homeshopping. Es habe damals bereits Hinweise gegeben, dass der Gewerbeimmobilienmarkt unter Druck kommen werde. Das Finanzmarktstabilitätsgremium, in dem auch Müller sitzt, habe ab 2021 ebenfalls „Hinweise auf mögliche systemische Risiken“ – also Probleme für die Finanzmarktstabilität – erörtert.

Norbert Hofer (FPÖ)
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Den Vorsitz des COFAG-U-Ausschusses führte Norbert Hofer (FPÖ)

Prüfungen der Banken „überall grenzwertig“

Vor zwei Jahren, 2022, habe man geprüft, welche Folgen es für die Finanzmarktstabilität haben würde, sollten die Besicherungen der Bankenkredite nicht halten. Dabei ging es um die Frage, welchen Wert die Signa-Immobilien haben, mit denen die Bankenkredite besichert sind. Diese Frage der Bewertung sei nun tatsächlich aktuell, so Müller. Bereits bei Prüfungen der Banken in den letzten Jahren sei eine überhöhte Bewertung der Immobilien moniert worden. Die Prüfungen seien „überall grenzwertig“ gewesen, es seien aber „keine Eigenmittelanforderungen“ der Banken „gerissen“ worden, die vorgeschriebenen Eigenmittelreserven wären demnach nicht gefährdet gewesen.

Gespräche mit Bankenchefs ab 2021

Ab 2021 habe es auch Gespräche mit Bankvorständen zu den Krediten für die Signa gegeben, dazu prüfte die EZB einzelne Signa-Exposures. Aus all dem seien entsprechende Schlussfolgerungen gezogen worden und „teils Maßnahmenbescheide“ ergangen, ohne Details zu nennen. Das Finanzministerium habe die FMA informiert – einerseits durch einen Vorstandsbericht für den Aufsichtsrat zu dem Thema, andererseits habe es eine Anfrage des Ministeriums gegeben.

Müller sagte zum Kreditrisiko der Banken, es gebe bis heute keine klare Datenlage, nannte dann aber generell, dass 65 Prozent der Kredite von systemrelevanten Banken ungesichert seien und 50,5 Prozent bei den nicht systemrelevanten Instituten.

Zur Hypo Vorarlberg gefragt, betonte Müller, ja, es habe zwei Prüfungen gegeben und Feststellungen. Auf inhaltliche Detailfragen zu einzelnen Banken wollte Müller auf Verweis auf das Bankgeheimnis nicht antworten. SPÖ und Grüne monierten, dass in früheren Ausschüssen, etwa im Hypo-U-Ausschuss, sehr wohl im Detail und mit Nennung von Banken- und Kundendaten in medienöffentlicher Sitzung verhandelt wurde.

Generell betonte Müller, dass die FMA keinen Auftrag hatte, die Signa selbst zu prüfen.

„Selektive Erinnerung“

Was seine Zeit als Sektionschef im Finanzministerium betraf, verwies Müller vor allem darauf, dass die Dinge Jahre zurücklägen und er Tausende Telefonate und Zehntausende Mails im Jahr geführt und erhalten habe und sich daher an Details oft nicht mehr genuin erinnern könne. Er antwortete in der Folge oft mit „keine Erinnerung“ oder „nicht aus der Erinnerung, sondern aus der Rekonstruktion“. Müller sprach auch selbst von einer „selektiven Erinnerung“ – und das war einer der wenigen Punkte, wo er sich mit den Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS einig war. Die ÖVP dagegen verteidigte Müller und die Arbeit der Finanzverwaltung, die ja von ÖVP-Ministern geführt wurde.