Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
ORF.at/Roland Winkler
FPÖ im Visier

Spionageaffäre Ott wird zum Politikum

Die Spionageaffäre um den ehemaligen Staatsschützer Egisto Ott wird nun auch zum Politikum. ÖVP und NEOS teilten am Donnerstag gegen die FPÖ, aber auch untereinander aus. Die FPÖ-Antwort folgte prompt, und auch die SPÖ meldete sich zu Wort. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kündigte eine Verschärfung des Spionageparagrafen an, während weitere Details zu den Vorwürfen gegen Ott veröffentlicht wurden.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker lud am Donnerstag zu einer Pressekonferenz, in der schon im Titel von einem „FPÖ-Spionage-Skandal“ die Rede war. Er verwies etwa auf Chats, in denen der frühere FPÖ-Nationalratsabgeordnete Hans-Jörg Jenewein, der auch blauer Sicherheitssprecher gewesen sei, sich mit Ott über Geldbeträge ausgetauscht haben soll. Unklar sei, wofür diese gedacht gewesen seien.

Auch die Rolle von FPÖ-Chef Herbert Kickl, der in seiner Zeit als Innenminister den damaligen Staatsschutz zerschlagen habe, sei auszuleuchten, so Stocker. Gleichzeitig sei geplant gewesen, im ebenfalls FPÖ-geführten Außenministerium einen „Parallelgeheimdienst“ zu installieren, so Stocker. Möglich sei, dass hier ein Zusammenhang bestehe, so Stocker. Ähnlich argumentierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Die Hintergründe sollen laut Stocker nun im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ geklärt werden. Jenewein selbst soll als Zeuge geladen werden. „Wir haben hier wahrscheinlich den größten Spionageskandal der Zweiten Republik“, sagte der ÖVP-Generalsekretär. Es sei auch zu prüfen, ob ausländische Geheimdienste – also etwa jener aus Russland – Einfluss auf die heimische Innenpolitik genommen hätten.

FPÖ weist Vorwürfe zurück

Die FPÖ wies die Kritik zurück: Die ÖVP schicke „ihren ‚Märchenonkel‘ Stocker aus, um mit Falschbehauptungen aus dem schwarzen Paralleluniversum vom eigenen Versagen abzulenken“, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Der Versuch der ÖVP, „die politische Verantwortung für den BVT-Spionageskandal anderen in die Schuhe zu schieben“, sei an den Haaren herbeigezogen.

Fakt sei, dass der aktuelle Hauptverdächtige Ott unter ÖVP-Führung im Innenministerium die Karriereleiter nach oben geschickt worden sei und seine Spionagetätigkeiten unter BVT-Direktor Peter Gridling ihren Höhepunkt erreicht hätten. Und dieser sei unter ÖVP-Innenminister Günther Platter bestellt worden, so Hafenecker. Das BVT wurde Ende 2021 aufgelöst und in die neu geschaffene Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) überführt.

Analyse: BVT-Razzia 2018 muss neu bewertet werden

Nach den neuen Informationen in der Spionagecausa rund um Egisto Ott, muss nun auch die BVT-Razzia 2018 neu bewertet werden. Es wird einer möglichen Spur nach Russland nachgegangen. Zu den Details und ob auch eine politische Mission dahintersteckt, dazu ist Andreas Mayer-Bohusch (ORF) Gast im Studio.

SPÖ: „Absurdität“

Stockers Vorwürfe beschränkten sich aber nicht nur auf die FPÖ, immerhin sei Ott laut eigenen Angaben SPÖ-Mitglied gewesen. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner sah dagegen die ÖVP und FPÖ in der Verantwortung. „24 Jahre lang hatte die ÖVP das Innenministerium in der Hand, nur um es zwei Jahre lang an Kickl abzugeben, der in dieser Zeit das BVT zerstört hat.“ Die BVT-Zerstörung sei mit der ÖVP akkordiert gewesen. Dass sich diese beiden Parteien nun ausrichten, wessen politische Verantwortung dieser Skandal ist, sei „an Absurdität nicht zu überbieten“.

Auch Pilz und Brandstätter im Visier

Aufgeklärt wissen wollte Stocker auch die Verbindung zwischen Ott und dem früheren Grünen-Abgeordneten Peter Pilz, der von Ott Informationen erhalten haben soll. Eine weitere Tangente ortete Stocker zu NEOS-Mandatar und EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter, „der in Kontakt mit Ott gestanden haben soll“. Dieser solle den Inhalt dieser Kontakte aufklären. „Die einzige Partei, die im gesamten Verbindungsnetzwerk nicht vorkommt, ist die Volkspartei“, sagte Stocker.

Dazu sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, Brandstätter habe im Zuge des „Ibiza“-U-Ausschusses viele Personen getroffen, aber es gebe wohl keinen Politiker, der so scharf gegen den russischen Einfluss in Österreich auftrete wie Brandstätter. „Ich sehe hier Skandalisierungsversuche seitens der ÖVP und ich kann nur an Herrn Stocker appellieren, vor der eigenen Türe zu kehren. Das stinkt es nämlich gewaltig.“

Meinl-Reisinger wies darauf hin, dass ihre Partei seit Jahren eine Verschärfung des Strafrechts gegen Spionage fordere. Dazu werde sie auch bei der nächsten Sitzung des Nationalrats entsprechende Anträge einbringen. Außerdem müsse die Anzahl russischer Diplomaten in Österreich auf ein Minimum reduziert und der Verfassungsschutz mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, um schlagkräftig gegen Spionage vorgehen zu können. Auch Einwallner spracht sich für eine Verschärfung des Spionageparagrafen aus.

Spionageparagraf soll schärfer werden

Justizministerin Zadic kündigte unterdessen einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Spionageparagrafen an. Künftig soll Spionage von ausländischen Nachrichtendiensten hierzulande nicht nur dann strafbar sein, wenn sie sich gegen österreichische Interessen richtet, sondern auch, wenn andere Staaten oder internationale Organisationen ausgekundschaftet werden, hieß es aus dem Justizministerium.

Die letzten Tage und Wochen hätten gezeigt, dass man so nicht weitermachen könne, sagte Meinl-Reisinger. Österreich sei völlig wehrlos gegen Spionage. Auch verwies sie auf den Investigativjournalisten Christo Grosew, der bis Anfang des Vorjahres in Wien lebte und der von russischen Aktivitäten gegen ihn betroffen war, in die Ott offenbar involviert gewesen ist. „Grosew musste Wien vor über einem Jahr verlassen, weil er gewarnt wurde, dass er hier in Wien nicht mehr sicher ist“, so Meinl-Reisinger. „Hier geht es um Leben und Tod.“

Russische Agenten brachen bei Aufdecker ein

Laut einem Bericht des „Standard“ waren mittlerweile in Großbritannien inhaftierte Agenten in Grosews Wiener Wohnung eingebrochen und hatten dessen Laptop sowie einen USB-Stick gestohlen. Dem vorausgegangen war dem Bericht zufolge, dass Ott mit Vorlage seines Polizeiausweises (laut „Falter“ im Meldeamt in Spittal an der Drau) die Meldeadresse von Grosew abgefragt, offenbar dessen Wohnsitz fotografiert und diese Informationen Moskau weitergeleitet hatte.

Spionagecausa schlägt Wellen

Der ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott soll für Russland spioniert haben. Das geht aus der Anordnung zur Festnahme von Ott durch die Staatsanwaltschaft hervor.

Wie aus der 86 Seiten starken Festnahmeanordnung, über die der „Falter“ am Mittwochabend berichtete, hervorgeht, habe Ott „systematisch nicht für die Öffentlichkeit bestimmte geheime Tatsachen und Erkenntnisse sowie personenbezogene Daten aus polizeilichen Datenbanken zum Zweck der Übermittlung an den früheren Wirecard-Manager Jan Marsalek, der mittlerweile in Moskau für russische Dienste wie den Inlandsgeheimdienst FSB arbeiten dürfte, und an unbekannte Vertreter der russischen Behörden gesammelt“.