Rot-Blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss
ORF/Roland Winkler
Ex-BVT-Mitarbeiterin

Mit Razzia „wurde Angst erzeugt“

Mitten in der die Öffentlichkeit dominierenden Russland-Spionageaffäre rund um den verhafteten Ex-BVT-Mitarbeiter Egisto Ott ist am Mittwoch eine seiner früheren Kolleginnen, die Ex-Leiterin des Extremismusreferats, im U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ befragt worden. Sie schilderte Details der mittlerweile berüchtigten Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und sagte, diese habe österreichweit „Signalwirkung“ gehabt und eine „gewisse Angst“ und „Unruhe“ im Polizeiapparat erzeugt.

Die Spionageaffäre und die BVT-Razzia werden am Donnerstag die zentralen Themen sein, wenn unter anderen der frühere Innenminister und derzeitige FPÖ-Chef Herbert Kickl befragt wird. Eine Hausdurchsuchung könne es bei einem Verdacht immer wieder geben, so die Auskunftsperson – aber auffällig sei gewesen, wie sie durchgeführt worden sei.

Zur Erinnerung: Ende Februar 2018, als Kickl Innenminister war, gab es die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragte und von einem Journalrichter mitten in der Nacht genehmigte Razzia im BVT – durchgeführt von der für Straßenkriminalität zuständigen Einsatzgruppe unter Führung des Wiener Gemeinderats Wolfgang Preizsler (FPÖ). Hintergrund war mutmaßlicher Amtsmissbrauch, wozu bereits im 2017 ein von einem angeblichen BVT-Mitarbeiter verfasstes Konvolut an Medien gespielt worden war. Dahinter wird heute unter anderen der mittlerweile verhaftete und der Spionage für Russland verdächtige Ott vermutet.

„Sehr martialisch“

Die Razzia wurde später als rechtswidrig beurteilt, und alle der Hausdurchsuchung zugrundeliegenden Verdachtsmomente erwiesen sich als nicht stichhaltig. Sie habe das Gefühl gehabt, „Zielperson“ der Razzia zu sein, die „sehr martialisch“ abgelaufen sei. Für alle Betroffenen sei es eigentlich „unglaublich“ gewesen, wie diese abgelaufen sei. Auf Nachfrage des SPÖ-Abgeordneten Reinhold Einwallner betonte sie, die Razzia habe sehr wohl „österreichweit Signalwirkung“ gehabt sowie „eine gewisse Angst und Unruhe“ im Polizeiapparat erzeugt.

Die Ex-BVT-Mitarbeiterin, sie war vor allem für die Beobachtung der Rechtsextremenszene verantwortlich und Verfasserin zahlreicher kritischer Berichte zur Szene, zeigte sich überzeugt, dass Kickls damaliger Generalsekretär Peter Goldgruber, die Hausdurchsuchung initiiert habe – auch wenn sie von der Staatsanwaltschaft angeordnet worden sei. Es habe ja auch eine Besprechung in Goldgrubers Büro gegeben, habe eine zuständige Staatsanwältin ausgesagt. Zudem sei das Sicherstellungsprotokoll des Einsatzleiters – aber nur sie betreffend – bereits am nächsten Tag an Goldgruber weitergeleitet worden.

Rot-Blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss
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Die Befragung führte teils zu lebhaften Debatten darüber, welche Fragen zulässig sind

Anzeigen von Küssel-Anhängern

Viele Details habe sie erst später erfahren, schilderte die Auskunftsperson, die bereits im BVT-U-Ausschuss befragt worden war. So hätten Anhänger des Neonazis Gottfried Küssel sie mehrmals angezeigt und darauf verwiesen, dass sie jetzt einen „vollständigen Akt“ über sie hätten, deutete sie an, dass bei der Razzia sichergestelltes Material an Rechtsextreme weitergegeben worden sein könnte.

Auch den Ausdruck einer Mail, in der Küssel zu einer Veranstaltung einlud und auf dessen Verteiler sich eine Person mit einer Mailadresse der Polizei befand, habe sie nach der Razzia und auch beim Räumen ihres Büros zur Pensionierung, nie mehr gefunden. Sie könne aber nicht sagen, ob er bei der Razzia sichergestellt worden sei.

Ein Büro wurde nicht geöffnet

Auffällig sei zudem gewesen, dass alle Bürotüren bei der Razzia geöffnet wurden, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Handy und Computer fernzuhalten. Nur ein Büro von einem neuen Kollegen sei nicht geöffnet worden. Dieser sei dann später rausgekommen und habe sich über die Razzia gewundert – Monate später sei er befördert worden.

Der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker warnte die Auskunftsperson mehrmals, sie könnte sich mit ihren Aussagen, die „strafrechtlich relevant“ seien, der Gefahr einer Anzeige aussetzen. Die Vertreter anderer Parteien rügten das umgehend als Ablenkungsmanöver.

„Enge Verbindung“ zu prorussischen Positionen

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger verwies in seinen Fragen auf den von der Auskunftsperson verfassten Lagebericht zum rechtsextremen „Kongress der Verteidiger Europas“, auf dem auch Kickl – damals noch FPÖ-Generalsekretär – als Redner auftrat. Sie verwies dabei auf die „enge Verbindung“, die es zwischen Rechtsextremismus und prorussischer Haltungen gebe. Da gebe es persönliche Verbindungen und "immer wieder Berührungspunkte.

Mit Ott über russische Einflussnahme gearbeitet

Zu Beginn der Befragung war vor allem Ott Thema. Sie kenne Ott „natürlich“ persönlich, meinte die Beamtin. Sie habe sich mit ihm mit der Einflussnahme Russlands in die österreichische Politik und Wirtschaft nach der EU-Ostöffnung beschäftigt. Keine Wahrnehmung habe sie dazu, wie Ott in die geplante Umstrukturierung des BVT involviert gewesen sei. Die ÖVP hatte kürzlich ein Organigramm entdeckt, nachdem Ott die Koordinierungsstelle in einem der Referate des BVT nach dessen damals geplanter Neuaufstellung hätte leiten sollen.

U-Ausschuss im Parlament zu Spionageskandal

Am Mittwoch wurde auch im Parlament im U-Ausschuss zu Themen wie der Haltung der Freiheitlichen zu Russland und dem Spionageskandal diskutiert. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Geheimdienstes wurde befragt, während gleichzeitig debattiert wurde, wie weit die Fragen gehen dürfen.

Die Befragung wurde immer wieder von langen Debatten über die Zulässigkeit von Fragen unterbrochen. Vor allem die FPÖ verwies wiederholt darauf, Fragen seien nicht zulässig. Verfahrensrichterin Christa Edwards hatte bereits zum Auftakt der Befragung die Abgeordneten gebeten, trotz des aktuell großen öffentlichen Interesses an der Spionageaffäre etwaige Fragen dazu nur im klaren Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu stellen. Die langen Unterbrechungen hatten zur Folge, dass es nur eine Befragungsrunde gab.

Kickl und weitere FPÖ-Granden am Donnerstag

Vor allem zu den Vorgängen im BVT, Personalbesetzungen, Werbeschaltungen in rechten und rechtsextremen Medien ist am Donnerstag Kickl geladen. Davor sind auch der ehemalige stellvertretende Büroleiter des Generalsekretariats im Innenministerium sowie Reinhard Teufel, Kickls ehemaliger Kabinettschef im Innenministerium und nunmehr FPÖ-Klubobmann im niederösterreichischen Landtag, sowie Alexander Höferl, ehemals Kommunikationschef im Kabinett Kickl und früher beim rechten Medium Unzensuriert.at tätig, geladen.