Blick auf Jerusalem
APA/AFP/Ronaldo Schemidt
Nach Angriff des Iran

Appelle an Israel zu Deeskalation

Nach dem iranischen Angriff auf Israel hat die internationale Gemeinschaft Israel ausdrücklich zur Zurückhaltung gemahnt. Ein Flächenbrand müsse unter allen Umständen vermieden werden, so der Tenor. Unterdessen blieb weiter unklar, wie Israel auf den Angriff reagieren wird. Eine Antwort werde es jedenfalls geben, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einer „klugen“ Reaktion.

Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag erstmals von seinem Staatsgebiet aus direkt Israel angegriffen. Nach israelischen Angaben wurden fast alle der über 300 vom Iran abgefeuerten Drohnen und Raketen abgewehrt. Dabei wurde Israel unter anderen von den USA, Großbritannien und Jordanien unterstützt.

Von Anfang an machten die USA jedoch deutlich, dass sie Israel bei einem möglichen Gegenschlag gegen den Iran nicht unterstützen würden. Im Gegenteil wolle man sich dafür einsetzen, „dass sich der Nahost-Konflikt nicht noch stärker ausbreitet, als es schon der Fall ist“, wie US-Präsident Joe Biden am Montag sagte.

US-Präsident Joe Biden
Reuters/Bonnie Cash
Verteidigung ja, Angriff nein: Die Haltung der USA ist klar

Lob aus Österreich für USA

Bundespräsident Alexander Van der Bellen lobte die „ausgesprochen positive Rolle“ der USA. „Indem sie auf Deeskalation setzen und indem sie versuchen, die israelische Regierung von übereilten Schritten abzuhalten“, sagte er am Montag gegenüber den „Oberösterreichischen Nachrichten“.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gab am Montag auf X (Twitter) bekannt, er habe in der Früh mit dem iranischen Außenminister Hussein Amir-Abdollahian telefoniert. Er, Schallenberg, habe dabei den Angriff auf Israel aufs Schärfste verurteilt und gefordert, zur Deeskalation beizutragen. „Wir können uns keine weitere Front im Nahen Osten leisten. Dabei gäbe es nur Verlierer, in der Region und darüber hinaus“, betonte Schallenberg.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) appellierte am Montag an Israel, „selbst zur Deeskalation“ der Lage im Nahen Osten beizutragen. Er verwies auf die „große Leistung der israelischen Armee, der israelischen Luftverteidigungskräfte“ bei der Abwehr des iranischen Angriffs. „Das ist ein Erfolg, der vielleicht auch nicht verschenkt werden sollte.“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Reuters/Ludovic Marin
Auch Frankreich werde „alles tun, um einen Flächenbrand zu verhindern“, so Macron

„Eskalation vermeiden“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte ebenso an, sein Land werde „alles tun, um einen Flächenbrand zu verhindern und Israel davon zu überzeugen, nicht mit einer Eskalation zu antworten“. Stattdessen müsse der Iran isoliert werden.

Auch der britische Außenminister David Cameron rief Israel auf, eine „Eskalation zu vermeiden“. Israel solle sich vielmehr auf eine Feuerpause mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen und die Befreiung der verschleppten israelischen Geiseln konzentrieren, sagte Cameron.

Wildner: Arabische Staaten für friedlichen Nahen Osten

Der Einsatz Jordaniens bei der Abwehr iranischer Drohnen und Raketen zeige, dass arabische Staaten wie Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien und Ägypten Israel zwar scharf für den Gaza-Krieg kritisieren, doch zu einer Zusammenarbeit für einen stabilen, friedlichen Nahen Osten bereit sind, berichtet ORF-Korrespondent Nikolaus Wildner.

Mahnung von Russland

Auch Russland mahnte Israel und den Iran zu Zurückhaltung, um eine Eskalation zu vermeiden. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, betonte laut russischen Agenturen, dass Russland dafür sei, „die Meinungsverschiedenheiten ausschließlich mit politischen und diplomatischen Mitteln beizulegen“.

Russland kritisierte seinen Verbündeten Iran jedoch nicht offen für den Angriff auf Israel. Stattdessen hatte es am Sonntag darauf verwiesen, dass der Iran von einem Vorgehen im Rahmen seines Rechts auf Selbstverteidigung nach einem Israel zugeschriebenen Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus gesprochen habe.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres forderte von allen Seiten „maximale Zurückhaltung“. „Weder die Region noch die Welt können sich einen weiteren Krieg leisten“, sagte Guterres bei einer Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates.

Israelische Armeedrohne
APA/AFP/Menahem Kahana
„Während wir nach vorne blicken, erwägen wir unsere Schritte“, heißt es seitens Israel zu dem Raketen- und Drohnenangriff

Israel will Antwort geben

Auf den iranischen Raketen- und Drohnenangriff wird es nach den Worten des israelischen Generalstabschefs Halevi jedenfalls eine Antwort geben. Beim Besuch der Luftwaffenbasis Nevatim, die an der Abwehr des Angriffs am späten Samstagabend beteiligt gewesen war, sagte Halevi am Montag: „Während wir nach vorne blicken, erwägen wir unsere Schritte.“ Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf das Territorium Israels werde eine Reaktion folgen.

Der israelische Regierungschef Netanjahu betonte einem Bericht des Rundfunksenders Kan zufolge bei einem privaten Treffen mit Ministern seiner Likud-Partei, auf den Raketenangriff des Iran müsse eine kluge Reaktion folgen. Der Iran solle nervös warten müssen, wann die Gegenreaktion erfolge, so wie es Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei. Der Sender berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten, Israel habe zugesichert, die USA vor einem Gegenschlag zu informieren. Damit solle US-Truppen in der Region Zeit gegeben werden, sich auf iranische Vergeltungsmaßnahmen vorzubereiten.

Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine offizielle Stellungnahme zu dem Treffen gab es zunächst nicht. Der Fernsehsender Channel 12 berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien verschiedene Szenarien erörtert worden, wie auf den iranischen Großangriff reagiert werden könne. Israels Ziel sei es, dem Iran zu schaden, aber keinen umfassenden Krieg auszulösen.

Netanjahu unter Druck

Die Gefahr eines Flächenbrands im Nahen Osten führt zu vielen internationalen Appellen, Israel möge sich nach dem iranischen Angriff zurückhalten. Doch auch innerhalb seiner Regierung steht Premier Benjamin Netanjahu unter Druck, denn Hardliner fordern eine schnelle und harte Reaktion gegen den Iran.

Iran verteidigt Angriff, USA widersprechen

Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums verlangte Anerkennung von der internationalen Gemeinschaft wegen seiner angeblichen „Zurückhaltung“ gegenüber Israel. „Es scheint klar, dass der Iran seinen Angriff so eingestellt hat, damit er von den Israelis eingedämmt werden kann“, sagte der frühere NATO-Generalsekretär George Robertson im APA-Interview in Wien. Der erste direkte Angriff des Iran sei zwar eine „dramatische Eskalation“ gewesen, doch wollte Teheran offenkundig keinen Treffer landen.

Der Iran informierte die US-Regierung nach Darstellung aus Washington allerdings nicht über den Zeitpunkt, Ablauf und Umfang seines Angriffs auf Israel. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, wies entsprechende Berichte am Montag entschieden zurück.

In der EU werden unterdessen mögliche neue Sanktionen gegen den Iran erwogen. Wie mehrere Diplomaten am Montagabend nach Gesprächen von Vertretern der Mitgliedsstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema an diesem Dienstag bei einer Videoschaltung der Außenminister auf den Tisch kommen.