Übersichtsaufnahme des Plenarsaales zur Nationalratssitzung im Parlament
APA/Helmut Fohringer
Spionageaffäre

Gegenseitige Vorwürfe im Nationalrat

Die Spionageaffäre hat am Mittwoch für eine hitzige Debatte im Nationalrat gesorgt. Die ÖVP griff die FPÖ und deren Parteichef Herbert Kickl verbal frontal an. Im Gleichklang mit den Grünen warf sie Kickl die mutwillige Zerschlagung des Staatsschutzes vor. FPÖ, SPÖ und NEOS sahen dagegen auch die ÖVP in der Verantwortung. Für Aufsehen sorgte indes ein Bericht über die Zusammenarbeit zwischen Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott und Johannes Peterlik, ehemals Generalsekretär im FPÖ-geführten Außenministerium unter Karin Kneissl.

Die ÖVP hatte eine Aktuelle Stunde zum Thema Staatsschutz beantragt. Generalsekretär Christian Stocker holte darin zum Schlag gegen die Freiheitlichen aus. Er warf Kickl erneut vor, den Staatsschutz in seiner Amtszeit als Innenminister während der ÖVP-FPÖ-Regierung zerstört zu haben.

Heute sei klar, dass ein Netzwerk um den mutmaßlichen Russland-Spion Ott die Grundlagen für die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geliefert und dieses Netzwerk enge Verbindungen zur FPÖ gehabt habe. „Die FPÖ ist in Wirklichkeit der Russland-Trojaner in Österreich“, formulierte Stocker. ÖVP-EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka warnte, dass die Affäre dem Ansehen Österreichs enorm schade.

Stocker-Verbalattacke gegen FPÖ

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker warf FPÖ-Chef Kickl die Zerstörung des Staatsschutzes vor

Karner: BVT-Nachfolger „funktioniert“

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte, dass der Staatsschutz in Form der BVT-Nachfolgeorganisation Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) „jetzt wieder funktioniert“. Auch die Verbindungen zu internationalen Partnern seien nach der internationalen Isolierung wegen der rechtswidrigen Hausdurchsuchung beim BVT unter Innenminister Kickl wieder intakt, so Karner, der seine Rede dafür nutzte, neuerlich „zeitgemäße“ Ermittlungsmethoden für die Polizei zu fordern, um auch Internettelefonie und Messengerdienste zu überwachen.

Karner: „Zeitgemäße“ Ermittlungsmethoden

Innenminister Gerhard Karner betonte das Funktionieren der DSN und forderte erneut mehr Befugnisse in Sachen Überwachung moderner Kommunikationswege.

Maurer kritisiert Russland-Kontakte der FPÖ

Auch die grüne Klubchefin Sigrid Maurer kritisierte die „mutwillige Zerschlagung des Staatsschutzes“ durch die überfallsartige Razzia unter Kickl als Innenminister. Der FPÖ hielt sie erneut enge Verbindungen nach Russland vor und verwies auf den Freundschaftsvertrag mit Putins Partei Geeintes Russland.

Maurer: „Mutwillige Zerschlagung“

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer schloss sich der ÖVP an und kritisierte die „mutwillige Zerschlagung des Staatsschutzes“ in der Zeit von Kickl als Innenminister.

Dieser sei entgegen den Aussagen der FPÖ „nach wie vor aufrecht“. „Ja wo ist denn die Kündigung?“, fragte Maurer in Richtung FPÖ und warf ihr Unglaubwürdigkeit in dieser Frage vor.

Kickl: „Stunde der Desinformation“

Kickl, der sich kurzfristig auf die Rednerliste setzen ließ, wies aufgebracht sämtliche Vorwürfe zurück und bezeichnete die Debatte als „Stunde der Desinformation und der Fake News“. Das BVT sei zum Zeitpunkt seines Amtsantritts als Innenminister eine „verwahrloste, heruntergekommene Einrichtung“ gewesen, geprägt von Schlampereien. Dieser „desaströse Zustand“ sei das Ergebnis der jahrzehntelangen ÖVP-Verantwortung in diesem Bereich gewesen, die damit den „Nährboden“ für den Informationsabfluss aufbereitet habe.

BVT: Kickl nimmt ÖVP in die Pflicht

FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete die Debatte im Nationalrat als „Stunde der Desinformation und der Fake News“.

SPÖ und NEOS sehen auch ÖVP-Verantwortung

Auch SPÖ und NEOS sahen die Verantwortung für die Spionageaffäre nicht nur bei der FPÖ, sondern auch bei der Volkspartei.

Einwallner (SPÖ) verweist auf ÖVP-Verantwortung

SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner erinnerte daran, dass ÖVP und FPÖ das Innenministerium insgesamt seit 24 Jahren führen.

SPÖ-Abgeordnete Reinhold Einwallner sprach von einem „unwürdigen Schauspiel“, dass FPÖ und ÖVP, welche seit 24 Jahren das Innenministerium führen, nun die Verantwortung hin und her schieben würden. Wie NEOS und FPÖ erinnerte die SPÖ daran, dass die ÖVP die BVT-Razzia damals im Nachhinein öffentlich unterstützt hatte.

Krisper: ÖVP betreibt „Kindesweglegung“

„Es ist unfassbar, wie Sie die Geschichte umschreiben und sich aus der Verantwortung stehlen“, sagte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper in Richtung ÖVP.

„Es ist unfassbar, wie Sie die Geschichte umschreiben und sich aus der Verantwortung stehlen“, sagte NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper und warf der ÖVP „Kindesweglegung“ vor. Schließlich sei es die ÖVP gewesen, die die FPÖ an die Regierung gebracht und auch zugelassen habe, dass Kickl Innenminister wurde.

Nehammer: Russische Agitation hat „keine Chance“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte unterdessen Mittwochabend beim EU-Gipfel zum Fall Ott: „Die Ermittlungsergebnisse der österreichischen Sicherheitsbehörden zeigen, dass russische Agitation gegen die Demokratie in Österreich, gegen die Institutionen in Österreich, keine Chance hat.“ Nach dem Neuaufbau des Verfassungsschutzes sei es gelungen, das Vertrauen europäischer Partnerdienste zurückzugewinnen, so Nehammer.

Zugleich forderte Nehammer, dass Verdächtigungen genau nachgegangen werden müsse. „Wir haben offensichtlich jetzt eine Beweissituation, dass die Russische Föderation versucht hat, auch den demokratiepolitischen Prozess in Österreich zu beeinflussen durch eine besondere Nähe zu einer in Österreich vertretenen Partei (der FPÖ, Anm.), die im Parlament auch vertreten ist, durch eine unmittelbare Einflussnahme eines russischen Spions in diese Partei, und damit auch in die politische Agitation“, so Nehammer.

Diesen „ernsten Vorwürfen“ müsse „entschlossen nachgegangen werden“, sagte der Kanzler. „Das, was unsere westlichen Partner sehen, ist, dass wir das tun in Entschlossenheit, Klarheit und Transparenz.“

Verbindung Ott – Peterlik im Fokus

Am Mittwoch rückte unterdessen die Verbindung zwischen Ex-Verfassungsschützer Ott und Peterlik in den Fokus. Peterlik wurde 2017 Generalsekretär von FPÖ-Außenministerin Kneissl. Nach dem „Ibiza“-Skandal wurde er als Botschafter nach Indonesien entsandt, aber bald suspendiert. Der Karrierediplomat soll bei der Übermittlung der geheimen Formel für das Nervengift Nowitschok an Wirecard-Vorstand Jan Marsalek beteiligt gewesen sein, so der Vorwurf.

Die ÖVP wirft Ott und Peterlik vor, am Aufbau einer Art „Schattengeheimdienst“ gearbeitet zu haben. Inhaltlich geht es zudem um mehrere Ersuchen Peterliks um ermittlungstechnische Abfragen. Darüber hinaus soll der Diplomat Ott gebeten haben, ihm einen Waffenpass zu besorgen. Die „Presse“ hatte bereits vor zwei Jahren über die Vorwürfe berichtet.

Wie die APA am Mittwoch berichtete, wurden die Ermittlungen um die Ausstellung des Waffenpasses gegen Peterlik eingestellt. Weiters eingestellt worden seien Ermittlungen rund um eine Bitte Peterliks an Ott, eine unterdrückte Nummer bei einem Provider abzufragen. Auch die Ermittlungen gegen Peterlik wegen Geheimnisverrats an Ott im Zusammenhang mit dem damals in der Türkei inhaftierten freien Journalisten Max Zirngast wurden laut APA eingestellt.

Weiterhin gegen Peterlik ermittelt wird in Zusammenhang mit der mutmaßlichen Weitergabe der Nowitschok-Formel, bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien am Mittwoch gegenüber Ö1. Der Verdacht lautet auf Geheimnisverrat und Amtsmissbrauch. Peterliks Anwalt betonte gegenüber Ö1, sein Mandant habe die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Zudem gab der Anwalt gegenüber dem Abendjournal an, dass die Ermittlungen in der Causa bereits abgeschlossen seien. Ein Vorhabensbericht sei nach seinen Informationen „schon verfasst worden“, so der Anwalt. Der Ball liege nun bei den Oberbehörden.

Hafenecker: „ÖVP-Vertrauensmann Peterlik“

Obwohl Peterlik damals in einem FPÖ-geführten Ressort saß, zeigte sich der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker „erstaunt“ über den „schonenden Umgang der Staatsanwaltschaft mit dem ÖVP-Vertrauensmann“ Peterlik.

Dieser habe zuvor für die ÖVP-Ministerinnen Benita Ferrero-Waldner und Sophie Karmasin gearbeitet. Dass Ott zu den angeforderten Daten gar keinen Zugang hatte, sei außerdem „bemerkenswert“ angesichts der aktuellen Behauptungen über dessen angebliche Fähigkeiten und Zugänge.