Illustration von Kunststudenten zur Wahl in Indien
APA/AFP/Indranil Mukherjee
Größte Demokratie der Welt

Indien wählt neues Parlament

In Indien, der offiziell größten Demokratie der Welt, hat am Freitag die Wahl für ein neues Parlament begonnen. Sechs Wochen lang soll die Wahl dauern und sich über sieben Phasen erstrecken. Ergebnisse werden erst am 4. Juni erwartet, der jetzige hindu-nationalistische Premierminister Narendra Modi strebt eine weitere Amtszeit an. Fast eine Milliarde Menschen sind wahlberechtigt – das ist mehr als ein Zehntel der Weltbevölkerung.

Genauer gesagt dürfen laut Wahlkommission in Neu-Delhi 497 Millionen Männer und 471 Millionen Frauen wählen. Hinzu kommen rund 48.000 Wahlberechtigte, die sich keinem Geschlecht oder mehreren Geschlechtern zugehörig fühlen. Damit dürfen um etwa sechs Prozent mehr Menschen abstimmen als noch beim letzten Urnengang 2019. Das erste Mal bei einer Parlamentswahl ihre Stimme abgeben dürfen über 20 Millionen junge Wahlberechtigte. Die meisten von ihnen sind Frauen.

Gewählt werden 543 Mitglieder des Unterhauses des Parlaments, des Lok Sabha (Haus des Volkes). Die Abgeordneten haben eine Amtszeit von fünf Jahren. Ministerpräsident Modi und seine Bharatiya Janata Party (BJP) streben die dritte Regierungsperiode in Folge an. Ihnen gegenüber steht eine breite Allianz aus Oppositionsparteien, die vom Indischen Nationalkongress angeführt wird. Insgesamt treten rund 2.600 Parteien an.

Grafik zeigt Verteilung der Bevölkerung in Indien
Grafik: ORF.at; Quelle: censusindia.gov.in, The Hindu

Wählen leicht gemacht

Der Urnengang soll für die Menschen in Indien möglichst einfach gestaltet werden. Logistisch ist das allerdings eine riesige Herausforderung: Die Wahlkommission hält fest, dass ein Wahllokal nicht weiter als zwei Kilometer vom Wohnsitz eines Wahlberechtigten entfernt liegen darf. Das hat zur Folge, dass es über eine Million Wahllokale im ganzen Land verstreut gibt – sowohl in Megastädten wie Neu-Delhi als auch in weit entlegenen Himalaya-Dörfern.

Seit 1999 werden in Indien batteriebetriebene Wahlmaschinen eingesetzt. Sie sind nicht mit dem Internet verbunden, um Cybermanipulation ausschließen zu können. 2014 wurden diese durch einen Drucker ergänzt, der die Kopie eines jeden Stimmzettels in eine versiegelte Box wirft. So wird die Stimmabgabe nicht nur elektronisch, sondern auch ausgedruckt dokumentiert. Rund drei bis vier Millionen Geräte werden Berichten zufolge eingesetzt.

15 Millionen Beamte, 340.000 Sicherheitskräfte

Überwacht wird die Wahl von rund 15 Millionen Beamtinnen und Beamten in den 29 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien. Sie müssen dokumentieren und nachweisen, dass die Wahl unabhängig und regelkonform abläuft. Sie sind auch für faire Bedingungen beim Urnengang und effiziente Abläufe zuständig.

Verteilung von Wahlmaterialien in Jorhat
AP/Anupam Nath
Die Wahl in Indien ist eine logistische Herausforderung

Unterstützt werden die Beamtinnen und Beamten von 340.000 Sicherheitskräften sowie Polizistinnen und Polizisten. Bevor man die Wahlkabine betritt, markieren die Beamten den linken Zeigefinger der wählenden Person mit unlöschbarer lila Tinte, um Doppelungen zu verhindern. Die Stimmen werden anschließend elektronisch gezählt, was eine Auszählung innerhalb eines Tages ermöglicht.

ORF-Analyse über wirtschaftlichen Einfluss Indiens

ORF-Korrespondentin Eva Pöcksteiner berichtet aus Neu-Delhi über den wirtschaftlichen Einfluss Indiens auf den globalen Markt.

Kampf gegen Fake News

Zunehmend hat das Land auch mit Desinformation durch künstliche Intelligenz (KI) zu kämpfen, da sowohl Modis BJP als auch die oppositionelle Kongresspartei KI einsetzten, um ihre Wahlkampfstrategien zu verbessern. Etwa wurde, wie die „New York Times“ („NYT“) berichtete, auf WhatsApp-Kanälen ein Video eines KI-generierten Modis verschickt, der Menschen mit ihrem richtigen Namen anspricht.

Grafik zeigt Verteilung der Religionen in Indien
Grafik: ORF.at; Quelle: censusindia.gov.in, The Hindu

Die ursprüngliche Quelle ist allerdings unbekannt. Aus diesen Gründen fühlte sich auch die Europäische Kommission auf den Plan gerufen, Kontrollmechanismen einzurichten, mit denen Fake News in sozialen Netzwerken erfasst werden sollen.

Teure Wahlen

Um Korruption vorzubeugen, untersagte der Oberste Gerichtshof in Indien kürzlich Wahlanleihen. Somit können Parteispenderinnen und -spender nicht mehr anonym über staatliche Banken Parteien finanzieren, ihre Namen müssen offengelegt werden. Nicht genug ist das so mancher Oppositionspartei, sie kritisierten das Verbot als nicht transparent genug.

Jedenfalls könnten die Wahlen dadurch noch teurer werden. Im Jahr 2019 gaben alle Kandidatinnen und Kandidaten umgerechnet rund 8,02 Mrd. Euro aus, wie das Carnegie Endowment for International Peace festhielt. Für 2024 rechnet das Center for Media Studies (CMS) laut „India Today“ mit Ausgaben der rund 2.600 Parteien im Wahlkampf von insgesamt 13,2 Mrd. Euro.

Indien: knapp eine Milliarde Menschen wählen neues Parlament

Ab Freitag sind in Indien knapp eine Milliarde Menschen dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die Parlamentswahl zieht sich über sechs Wochen hin. Premierminister Narendra Modi ist beliebt, aber umstritten. Jugendliche berichten, was sie über Indiens Politik, den Premier und die Wahlen denken.

Radiohinweis

Heinz Nissel, Professor für Geografie und Regionalforschung an der Universität Wien, erläutert am Freitag ab 13.00 Uhr in „Ö1 Punkt eins“ das „neue Indien“.

Die Themenlandschaft im Wahlkampf ist so vielfältig wie die Anzahl der Parteien: Arbeitslosigkeit, Sozialleistungen, Wirtschaftswachstum, Infrastruktur und die Aufrechterhaltung zur Demokratie gehören zu den gewichtigsten. Neben den Parlamentswahlen finden in den Bundesstaaten Andhra Pradesh, Odisha, Arunachal Pradesh und Sikkim auch noch Regionalwahlen statt.