Dmytro Kuleba, Annalena Baerbock, Boris Pistorius und Olaf Scholz
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Waffen für Ukraine

US-Hilfe bringt Deutschland unter Druck

Das nach monatelangem Tauziehen nun vom US-Abgeordnetenhaus doch beschlossene 60-Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine ist nicht nur von Kiew, sondern auch den Alliierten wortreich begrüßt worden. Zugleich steigt aber der Druck auf Europa – besonders Deutschland dürfte nun unter Zugzwang kommen, lang von Kiew geforderte Waffensysteme endlich zu liefern.

In Deutschland setzte die Debatte für die Lieferung weiterer Waffen und auch neuer Waffensysteme – hier steht vor allem Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Bremse – am Sonntag bereits ein. Außenpolitiker von Union, Grünen, SPD und FDP forderten stärkere Unterstützung für das angegriffene Land. „Es kann sein, dass das für sehr lange Zeit das vorerst letzte US-Hilfspaket ist – oder sogar überhaupt das letzte“, warnte Anton Hofreiter (Grüne). „Das bedeutet: Wir Europäer müssen deutlich mehr tun für die Ukraine.“

Der EU sei durch die lange Hängepartie „vor Augen geführt worden, wie unsicher die amerikanische Unterstützung für die Ukraine geworden ist“, sagte der Europapolitiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Wir müssen in Europa ganz schnell lernen, deutlich mehr Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit auf unserem Kontinent zu übernehmen“, schrieb auch der SPD-Abgeordnete Michael Roth im Onlinedienst X (Twitter).

„Europäische Hilfe weiter viel zu gering“

Ganz ähnlich äußerte sich der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter: Das milliardenschwere Hilfspaket der USA helfe den ukrainischen Soldaten unmittelbar in einer Lage, in der die Unterstützung der europäischen Staaten weiterhin viel zu gering ausfalle und zu spät komme, sagte er den Funke-Zeitungen. Der Krieg könnte noch lange dauern „und dies nun das vorerst letzte große Unterstützungspaket der USA sein“.

Europa müsse den Vereinigten Staaten deshalb „zwingend nachfolgen“, sagte Kiesewetter weiter. Die EU müsse bei der Ukraine-Unterstützung mindestens auf Augenhöhe mit den USA kommen und sich darauf einstellen, künftig ausbleibende US-Hilfen zu kompensieren. „Europa muss vorsorgen und seine Sicherheit endlich und schnell in die eigene Hand nehmen“, twitterte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Olaf Scholz besucht Soldaten, im Hintergrund das Patriot-Verteidigungssystem
Reuters/Wolfgang Rattay
Scholz letzten Herbst beim Besuch einer Bundeswehrbasis bei Köln. Im Hintergrund ein Patriot-Raketenabwehrsystem.

Neue Debatte über Taurus-Raketen?

Auf Scholz, der den US-Beschluss begrüßte, könnte auch der Druck steigen, die deutschen Taurus-Marschflugkörper, die Kiew seit Langem fordert, zu liefern. Das lehnt Scholz wegen der großen Reichweite, die einen Einsatz auch in Russland ermöglichen würde, bisher strikt ab. Am Montag beraten die EU-Außenminister über weitere Unterstützung für die Ukraine.

Selenskyj drängt auf rasche Lieferung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bat die Partner und Unterstützer seines Landes, die Zeitspanne zwischen Zusagen militärischer Hilfe und der tatsächlichen Lieferung möglichst kurz zu halten. „Die Zeit zwischen den politischen Entscheidungen und den tatsächlichen Verlusten des Gegners an der Front, zwischen der Verabschiedung des Pakets und der Stärke unserer Soldaten sollte so kurz wie möglich sein“, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache vor allem mit Blick auf die jüngste Entscheidung des US-Abgeordnetenhauses, die nun noch vom Senat abgesegnet werden muss.

Das Repräsentantenhaus hatte am Samstag die Freigabe eines Hilfspakets im Umfang von 61 Milliarden US-Dollar (rund 57 Mrd. Euro) für die Ukraine gebilligt, das dringend benötigte Waffenlieferungen zur Verteidigung gegen Russland enthält. Davor hatte die NATO am Freitag beschlossen, die Ukraine mit weiteren Flugabwehrsystemen zu stärken. Die Lücken in der Flugabwehr sind besonders folgenreich, da Russland seit Monaten immer wieder schwere Angriffe auf die zivile Infrastruktur, vor allem das Stromnetz, ausführt.

US-Kongress: Hilfspaket für die Ukraine

Monatelang haben im US-Kongress die konservativen Republikaner die Ukraine-Hilfe blockiert. Doch nun wurde mit einer überparteilichen Mehrheit von 311 zu 112 Stimmen ein umgerechnet 57 Milliarden Euro schweres Paket für Kiew gebilligt.

Experten: Russland wird Offensive verstärken

Auch wenn das Pentagon laut „New York Times“ die Waffenlieferungen binnen weniger Tage aufnehmen kann, ist damit zu rechnen, dass die neuen Waffen erst in Wochen zum Einsatz kommen. Dieses Zeitfenster, so erwarten Fachleute, wird Russland nutzen, um bei seiner Offensive möglichst weit voranzukommen und weitere schwere Schläge auf die Infrastruktur auszuführen.

Der Kreml erklärte am Montag, dass die US-Hilfe keine grundsätzliche Änderung auf dem Schlachtfeld herbeiführen werde. Die russischen Einheiten seien derzeit auf dem Vormarsch, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Natürlich führen die bereitgestellten Gelder und die Waffen, die von diesem Geld geliefert werden, nicht zu einer Änderung dieser Dynamik.“ Stattdessen würden sie zu mehr Opfern unter Ukrainern und zu einer größeren Zerstörung führen, sagte er.