Soldaten der Netzach-Jehuda-Bataillon während Training, 2014
APA/AFP/Menahem Kahana
Übergriffe im Westjordanland?

Israel warnt vor US-Sanktionen

In Israel wächst die Sorge vor möglichen US-Sanktionen gegen eine israelische Armee-Einheit. Präsident Jizchak Herzog warnte Washington in Interviews mit deutschen Medien eindringlich vor Strafmaßnahmen. Auch der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte empört auf Berichte über mögliche US-Sanktionen gegen das im Fokus stehende Nezach-Jehuda-Bataillon.

In dem betroffenen Bataillon dienen ultraorthodoxe junge Männer. Das US-Nachrichtenportal Axios hatte am Samstag unter Berufung auf drei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtet, es werde erwartet, dass US-Außenminister Antony Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen gegen das Bataillon wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland ankündige.

Berichten zufolge gehe es um Übergriffe auf Palästinenser im Westjordanland, die vor dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober stattgefunden hätten. Es wäre das erste Mal, dass die USA Sanktionen gegen eine israelische Militäreinheit verhängen. Das Nezach-Jehuda-Bataillon sei sehr erfolgreich, sagte der israelische Präsident Herzog am Sonntag in einem Interview mit „Bild“, „Welt“ und anderen Springer-Medien. Mögliche Verfehlungen von Mitgliedern des Bataillons würden in Israel untersucht und verfolgt.

Herzog: US-Sanktionen wären „großer Fehler“

US-Sanktionen wären ein „großer Fehler“, sagte Herzog. „Wir haben eine sehr starke Justiz“, sagte der israelische Staatschef. Diese habe sogar Anklage gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erhoben. „Niemand kann in Israel dem Gesetz entgehen“, sagte der Präsident.

Auch Netanjahu reagierte empört auf Berichte über mögliche US-Sanktionen gegen das Bataillon. „Die israelische Armee darf nicht bestraft werden“, schrieb er am Samstag auf X (Twitter). In einer Zeit, in der „unsere Soldaten gegen die Monster des Terrors“ kämpften, sei ein derartiges Sanktionsvorhaben „der Gipfel der Absurdität und ein Verstoß gegen die Moral“.

Ähnlich kritisierte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant die möglichen Sanktionen. Die Einheit handle im Einklang mit dem Völkerrecht und den Werten des israelischen Militärs, gab Galant an. Sanktionen würden nicht nur Israels internationaler Legitimität im Kampf gegen die Hamas schaden, sondern es gebe für die USA auch keine Rechtfertigung dafür, sagte Benni Ganz, Mitglied des Kriegskabinetts, am Sonntag, wie die Onlinezeitung Times of Israel unter Berufung auf das Büro von Ganz berichtete.

Axios: Sanktionen beträfen militärische Unterstützung

Die Sanktionen würden dem Bataillon jegliche militärische Unterstützung oder Ausbildung durch die USA verwehren, berichtete Axios. Das „Leahy-Gesetz“ – dessen Namen auf den Senator Patrick Leahy zurückgeht – aus dem Jahr 1997 verbietet, dass US-Auslandshilfe und Schulungsprogramme des Verteidigungsministeriums an ausländische Sicherheits-, Militär- und Polizeieinheiten gehen, denen glaubhaft vorgeworfen wird, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben.

Die BBC berichtete mit Verweis auf einen hochrangigen US-Beamten, dass eine Gruppe US-Beamter, bekannt als „Israel-Leahy-Überprüfungsforum“, im vergangenen Jahr mehrere Vorwürfe gegen israelische Einheiten, darunter das Nezach-Jehuda-Bataillon, geprüft hatte.

Bericht: Sanktionen gegen mehrere Einheiten möglich

Die Times of Israel berichtete indes unter Berufung auf zwei US-Quellen weiter, die USA würden auch Sanktionen gegen andere Militär- und Polizeieinheiten wegen des Verdachts von Menschenrechtsverletzungen erwägen. Die Untersuchungen liefen seit über einem Jahr.

Das Nezach-Jehuda-Bataillon wurde 1999 als Vorzeigeprojekt mit 30 Soldaten gegründet, um ultraorthodoxen Männern, die per Ausnahmeregelung vom Militärdienst befreit sind, den Zugang zum Wehrdienst zu erleichtern. Zwar dienen Ultraorthodoxe auch in anderen Einheiten, im Unterschied dazu geht das Bataillon jedoch auf die besonderen Befindlichkeiten strengreligiöser Juden ein.

Siedler zunehmend Teil des Bataillons

Im Laufe der Jahre nahm die Einheit zunehmend Angehörige der nationalreligiösen Siedlerbewegung auf, die unter anderem den rechtsextremen Parteien der Minister Besalel Smotritsch und Itamar Ben Gvir nahestehen. Zuletzt mehrte sich deshalb Kritik an der Einheit, unter anderem wegen mutmaßlicher Übergriffe von Soldaten auf Palästinenser.

So sollen Soldaten des Bataillons im Westjordanland für den gewaltsamen Tod des Palästinensers Omar Assad verantwortlich gewesen seien: Der US-Doppelstaatsbürger starb 2022 an einem Herzinfarkt, nachdem er festgenommen und später auf einer Baustelle ausgesetzt worden war. Laut einer palästinensischen Untersuchung starb der 80-Jährige an einem durch Misshandlung verursachten stressbedingten Herzinfarkt.

Spannungen im Westjordanland

Die radikalislamische Hamas hatte am 7. Oktober einen Großangriff auf Israel verübt und dabei nach israelischen Angaben etwa 1.200 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel geht seitdem in großem Ausmaß militärisch gegen die Palästinenserorganisation im Gazastreifen vor.

Währenddessen nahmen in den vergangenen Monaten auch die Spannungen im Westjordanland zu. Zusammenstöße zwischen der israelischen Armee und Palästinensern stehen auf der Tagesordnung. Auch die Gewalt zwischen Palästinensern und jüdischen Siedlern eskaliert. Nach einem israelischen Militäreinsatz mit mehreren Toten begann am Sonntag ein Generalstreik.