der britische Premierminister Rishi Sunak
APA/AFP/Benjamin Cremel
GB-Asylpakt mit Ruanda

Große Hürden auch nach Beschluss

Nach jahrelangem Gezerre hat das Parlament in London in der Nacht auf Dienstag das umstrittene Gesetz verabschiedet, mit dem Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt wird. Damit wurde der Einspruch des Obersten Gerichtshofs in London ausgehebelt: Abschiebungen von Asylsuchenden, die ohne gültige Papiere ins Vereinigte Königreich kommen, sind künftig möglich. Doch die Umsetzung könnte ebenso mühsam und langwierig werden wie das Zustandekommen des Gesetzes – von den Kosten ganz schweigen.

Zunächst erhält Ruanda 370 Millionen Pfund (rund 430 Mio. Euro) als wirtschaftliche Unterstützung, sobald das Land 300 Personen aufgenommen hat, sind weitere 120 Millionen Pfund (rund 140 Mio. Euro) fällig. Zusätzlich fließen in diesen Topf 20.000 Pfund pro eingeflogene Person.

Zudem zahlt London rund 150.000 Pfund (rund 170.000 Euro) für fünf Jahre Unterbringung und Versorgung, ebenfalls pro Person. Laut einem neuen Bericht des britischen Rechnungshofs (NAO) kommen dazu aber noch Personal-, Verwaltungs-, Transport- und Ausbildungskosten im Innenministerium, die sich bisher auf 20 Millionen Pfund (rund 23 Mio. Euro) belaufen und sich mit mehreren Millionen pro Jahr zu Buche schlagen werden. Allein die Flugkosten werden mit 11.000 Pfund pro Person angegeben. Der „Telegraph“ bezifferte die Gesamtkosten mit bis zu fünf Milliarden Pfund für fünf Jahre.

Abschreckende Wirkung?

Die Regierung rechtfertigt die hohe finanzielle Belastung mit der von ihr erwarteten abschreckenden Wirkung und damit der Eindämmung der Fluchtbewegung über den Ärmelkanal. Kritiker bezweifeln, dass der Pakt diese Wirkung tatsächlich entfalten wird. Denn laut „Telegraph“ rechnet die Regierung nicht damit, heuer mehr als 500 Personen nach Ruanda fliegen zu können – und die ersten Flüge sollen laut Premierminister Rishi Sunak in zehn bis zwölf Wochen starten.

Laut Regierung habe man eine private Fluglinie gefunden, die die Transporte übernimmt. Welche das ist, ist noch nicht bekannt. Die ursprünglich verpflichtete spanische Fluggesellschaft Privilege Style sprang schon Ende 2002 ab. UNO-Menschenrechtsexperten und -expertinnen riefen Fluggesellschaften und Luftfahrtbehörden indes auf, sich nicht an solchen Programmen zu beteiligen. Menschen nach Ruanda oder in ein anderes Land zu bringen, von wo aus sie womöglich in ihre Heimat zurückgezwungen werden, könne gegen das Recht auf Schutz vor Folter und anderer erniedrigender Behandlung verstoßen.

52.000 Menschen im rechtlichen Niemandsland

Abgeschoben werden sollen auf illegalem Weg nach Großbritannien eingereiste Menschen, noch bevor eine Prüfung auf mögliche Asylgründe erfolgt. Schon derzeit sitzen 52.000 Menschen mit diesem Status in Großbritannien fest – und praktisch täglich werden es mehr.

Britische Medien glauben, dass es Jahre dauern werde, bis ein größerer Teil dieser Gruppe nach Ruanda gebracht werden kann. Der einzige Flug, der bisher nach Ruanda abheben sollte, wurde per einstweilige Verfügung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in letzter Minute gestoppt. Später erklärte das Höchstgericht in Großbritannien den Asylpakt für rechtswidrig.

Rechtliche Verfahren vorprogrammiert

Befürchtet wird, dass sich viele Menschen der Abschiebung entziehen, sobald sie darüber informiert werden, indem sie untertauchen. Zudem wird damit gerechnet, dass Geflüchtete noch individuell Beschwerden gegen Abschiebungen nach Ruanda einlegen werden. In einer BBC-Analyse geht man davon aus, dass solche rechtlichen Einwände wieder zu komplizierten und langwierigen Verfahren führen werden.

Das neue Gesetz will zwar rechtliche Einsprüche – auch des EGMR – einschränken, ob diese Regelung aber hält, wird von Rechtsexperten bezweifelt. Im – für die Regierung – schlimmsten Fall könnte der EGMR sogar urteilen, dass eine nach Ruanda gebrachte Person nach Großbritannien zurückgebracht werden müsse.

Die schwierige Umsetzung des Pakts könnte auch die Torys politisch endgültig den Kopf kosten. In Umfragen liegen Sunaks Konservative nach Jahren des Chaos weit hinter der oppositionellen Labour-Partei. Sunak setzt in erster Linie auf den Ruanda-Deal, um politisch noch aufholen zu können. Scheitert das Projekt, haben die Konservativen wohl keinen Trumpf für die kommende Wahl.