Abholstation bei einem Baumarkt
picturedesk.com/Jonas Güttler
Umfangreiche CoV-Kurzarbeitsdaten

Ausreißer in umsatzstarken Branchen

Neben Zuschüssen und Garantien hat der Staat den Unternehmen während der Pandemie mit Kurzarbeitshilfen wirtschaftlich unter die Arme gegriffen – um die Beschäftigung zu sichern. Voraussetzung waren „vorübergehende, nicht saisonbedingte, wirtschaftliche Schwierigkeiten“. Doch wie die dem ORF vorliegende Liste des Arbeitsmarktservice (AMS) über die Verteilung der Kurzarbeit zeigt, gab es diese auch für Branchen, die weder mit mangelnder Nachfrage noch mit wirtschaftlichen Einbußen zu kämpfen hatten.

Dazu zählen etwa exemplarisch der Lebensmittelhandel, Baumärkte und – mit einem Beispiel – auch die Telekommunikation. Die Daten zeigen zudem, dass nicht alle Unternehmen innerhalb einer Branche gleichermaßen von den Kurzarbeitsunterstützungen Gebrauch gemacht haben. Denn während manche Betriebe ihre Beschäftigten in anderen Bereichen des Unternehmens einsetzten, schickten Mitbewerber ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit.

Das seien „unternehmensstrategische Entscheidungen“ gewesen, so BDO-Steuerrechtsexperte Thomas Neumann gegenüber dem ORF. Auch AMS-Chef Johannes Kopf sieht das als „unternehmenspolitische Entscheidung“. Es sei jedenfalls keine Kurzarbeit genehmigt worden, wenn entsprechend gearbeitet wurde, sagte Kopf im ORF-Interview. Förderungen und Gewinne schlossen einander in Österreich jedenfalls nicht aus. Es sei geprüft worden, ob Missbrauch betrieben wurde, erklärte Neumann: „Aber wirtschaftlicher Erfolg nach der Kurzarbeit war kein Rückforderungsgrund.“

ORF liegen Daten zu COV-Kurzarbeit vor

Wegen der Coronavirus-Pandemie hat die Regierung Unternehmen knapp zehn Milliarden Euro als Kurzarbeitshilfe bezahlt. Lange waren die Empfänger geheim, der ORF hat jetzt die Daten.

Ministerium: Mitnahmeeffekte vermeiden

Der Rechnungshof (RH) stellte schon 2022 in seinem Bericht zur Umsetzung und Kontrolle der Covid-19-Kurzarbeit fest, dass die „Attraktivität des Modells der Covid-19-Kurzarbeit“ tendenziell den Druck auf Unternehmen und Beschäftigte verringere, sich „neu zu orientieren“. Zudem erhöhe sich „das Risiko von Mitnahmeeffekten“ – also Förderungen auch für diejenigen, die diese etwa wegen eigener Gewinne gar nicht brauchen.

Es gelte bei jedem Förderinstrument, Mitnahmeeffekte möglichst zu vermeiden, das sei aber nicht zu 100 Prozent möglich, hieß es aus dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium gegenüber dem ORF. Die Gewinne im Fall der Kurzarbeitshilfe seien aber „in Relation zum Gesamtnutzen zu betrachten“. Das AMS konzentrierte nach eigenen Angaben seine Überprüfungen auf das Förderungsziel, die Beschäftigung zu sichern.

TV-Hinweis

Im Rahmen der Recherchekooperation von ZIB2, „Eco“ und ORF.at widmet sich das TV-Magazin am Donnerstag um 22.30 Uhr in ORF2 der Frage, wie viele CoV-Hilfen die 100 größten Unternehmen Österreichs beantragten und welche Gewinne sie während der Pandemie verzeichneten – mehr dazu in tv.ORF.at.

„Die wirtschaftliche Begründung (für den Antrag auf Kurzarbeit, Anm.) erfolgte durch den Betrieb selbst“, so das AMS gegenüber dem ORF. Die Prüfung sei in der Zuständigkeit der Sozialpartner gelegen. Erst im Zuge der RH-Prüfergebnisse sei das AMS später zu einer „standardisierten Prüfung der wirtschaftlichen Fördervoraussetzungen verpflichtet“ worden, so das Arbeitsministerium. Eine umfassende Evaluierung der Covid-19-Kurzarbeitshilfe sei jedenfalls derzeit in Arbeit.

Millionenbeträge für MPreis und Interspar

Zu den wirtschaftlichen Profiteuren der Pandemie zählt beispielsweise der Lebensmittelhandel, der durchgehend geöffnet war und Gewinne zum Teil im mehrstelligen Millionenbereich einfuhr. Von Interspar und der Tiroler MPreis Warenvertrieb GmbH wurden zugleich Millionenbeträge für Kurzarbeit beantragt – vorrangig argumentiert mit dem Verweis auf geschlossene Gastrobereiche.

MPreis nahm Kurzarbeit zwischen April 2020 und Juni 2021 in Anspruch und erhielt dafür knapp sechs Mio. Euro. Mehr als drei Viertel aller Beschäftigten, die in Kurzarbeit waren, sind laut dem Unternehmen der Cafe- und Konditoreischiene Baguette des Unternehmens zuzuordnen. Ein Großteil dieser Filialen sei im Frühjahr 2020 geschlossen gewesen, später öffneten einige für einen To-Go-Betrieb. Insgesamt verzeichnete MPreis allerdings steigende Umsätze und Gewinne im ersten Pandemiejahr 2020, 2021 folgte ein Gewinnrückgang.

Große Unterschiede zwischen Marktteilnehmern

Ein Ziel der Kurzarbeitsregelung war, Mitarbeiter im Betrieb zu halten. Sowohl Interspar als größte Tochter von Spar Österreich als auch die Billa AG und MPreis stockten die jeweilige Belegschaft von 2019 auf 2020 sogar stark auf. Der Lebensmittelhandel habe während der Pandemie höhere Umsätze gehabt, gestand Spar gegenüber dem ORF ein, es habe aber auch höhere Aufwände gegeben, von der komplizierteren Logistik über Schutzmaßnahmen bis zu – in der Anfangsphase – kostenlos verteilten Masken.

Interspar nahm für April und Mai 2020 und November 2020 bis Mai 2021 Kurzarbeit in Höhe von rund 4,5 Mio. Euro in Anspruch für nach Unternehmensangaben mehr als 1.000 Beschäftigte, die in den Restaurants von Interspar und der Tochter Maximarkt arbeiteten. Die Restaurants seien über mehrere Zeiträume geschlossen gewesen. Zugleich gab es vom Geschäftsjahr 2019 auf 2020 und auch noch im zweiten Pandemiejahr Gewinne im dreistelligen Millionenbereich.

Kaum Kurzarbeit bei Billa

Weniger intensiv wurde hingegen die Kurzarbeit bei Billa und Billa Plus genutzt. Die Billa AG, im Eigentum der REWE Group, beantragte erst im zweiten Halbjahr der Pandemie (November 2020 bis März 2021) Kurzarbeit – insgesamt 29.453 Euro für 16 Beschäftigte im Gastro- und Kantinenbereich. In den ersten Monaten der Pandemie sei bei der Billa AG keine Kurzarbeit beantragt worden, da die Mitarbeiter zunächst andere Aufgaben übernommen hätten, hieß es vonseiten der REWE Group.

Kurzarbeit für kritische Infrastruktur

Mit Umschichtungen innerhalb der Belegschaft reagierte auch das Mobilfunkunternehmen Drei. Shopmitarbeiter hätten Hotlines und Kundenschnittstellen verstärkt, so das Unternehmen auf ORF-Anfrage. Mit Verweis auf die kritische Infrastruktur beantragten weder Drei noch A1 Telekom während der Pandemie Kurzarbeit. Bei A1 waren die Shops großteils geöffnet, Techniker mit Schutzmaßnahmen auch in Haushalten unterwegs.

Auch T-Mobile Austria zählte zur kritischen Infrastruktur, beantragte aber Kurzarbeit für die Zeit von April bis Juni 2020. Nach Unternehmensangaben war „weniger als ein Drittel“ der Beschäftigten. Dafür erhielt das Unternehmen rund 2,6 Mio. Euro. „Die ersten Monate der Pandemie waren von großer Unsicherheit hinsichtlich unternehmerischer Risiken durch Lockdowns und andere Einschränkungen geprägt“, argumentierte T-Mobile gegenüber dem ORF die Arbeitszeitreduktionen um 20 bis 50 Prozent etwa im Vertriebsbereich.

T-Mobile fuhr allerdings 2020 einen Millionengewinn ein – wenn auch mit rund 97 Mio. Euro weniger als die beiden Mitbewerber. Im Laufe der Pandemie reduzierte das Unternehmen zudem die Zahl der Beschäftigten – von 2.189 im Jahr 2019 auf 1.793 im Jahr 2022.

Zwischen Stillstand und Ansturm

Den Wechsel zwischen Lockdowns und schrittweisen Öffnungen spürten Bau- und Heimwerkermärkte stärker. Sie waren während der „harten“ Lockdowns gezwungen zu schließen, durften aber bereits nach dem ersten Stillstand ab Mitte April 2020 wieder öffnen. Schon am ersten Öffnungstag war der Andrang groß, Bilder von langen Warteschlangen kursierten.

Hornbach (rund 1,5 Mio. Euro für Kurzarbeit) und Bauhaus (970.000 Euro) beschränkten sich auf diese erste Zeit von Mitte März bis Ende April bzw. Ende Mai 2020. Bauhaus fuhr allerdings im Geschäftsjahr 2020 auch einen Gewinn von mehr als 25 Millionen Euro ein, Hornbach von rund 15 Millionen Euro. Hornbach begründete gegenüber dem ORF die Kurzarbeit mit der „unsicheren Entwicklung und nicht absehbaren Lockerungen“. Von Bauhaus liegt bisher keine Stellungnahme vor.

Mitbewerber Obi, mit mehr als sieben Mio. Euro Spitzenreiter bei den Kurzarbeitshilfen in dieser Branche, beantragte diese Hilfe auch noch für den zweiten und dritten österreichweiten harten Lockdown. Das Unternehmen argumentierte die Kurzarbeit mit den zeitweiligen Schließungen der Eigenmärkte.

„Bis zum nächsten Lockdown“

Die vor allem in der Steiermark tätige Lieb-Markt-Kette ging noch weiter und beantragte auch noch im vierten österreichweiten Lockdown Ende 2021 Kurzarbeit. Zu der Kette zählen allerdings nicht nur Baumärkte, sondern auch Sportfachgeschäfte. Insgesamt wurden es 1,5 Mio. Euro. Diese Hilfe habe die Arbeitsplätze der mehr als 400 Beschäftigten gesichert, so das Unternehmen.

CoV-Kurzarbeitshilfe: Wer wie viel bekommen hat

Mit Beginn der CoV-Pandemie im März 2020 wurde in Österreich die Covid-19-Kurzarbeit eingeführt. Insgesamt wurden dafür mehr als 9,8 Milliarden Euro Steuergeld verwendet. Welche Unternehmen wie viel CoV-Hilfe bekommen haben, war bisher allerdings geheim. Jetzt hat die Zeit im Bild nach einem vier Jahre dauernden Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht recht bekommen – und damit erstmals Zugriff auf diese Daten.

Mit über 1,8 Mio. Euro liegt Zgonc etwas darüber. Das auf Werkzeuge, Bau- und Gartenmaschinen spezialisierte Unternehmen beantragte besonders lange Kurzarbeit – zu den vier österreichweiten Lockdowns auch noch einige Wochen vor und nach dem auf Ostösterreich reduzierten Lockdown im Frühling 2021.

Bis auf wenige systemerhaltende Beschäftigte „konnten und durften“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „im Verkauf – knapp 400 – und in unseren Lagern – etwa 70 – und ein großer Anteil in der Verwaltung – rund 30 – nicht beschäftigt werden“, argumentiert Zgonc die Notwendigkeit von Kurzarbeit. Das Unternehmen gestand aber einen „kaum bewältigbaren Ansturm und die naturgemäß große Nachfrage nach Bau, Heimwerk- und Gartenprodukten“ ein – „bis zum nächsten Lockdown“.

Gewinne auf Staatskosten

Fast 48 Milliarden Euro hat uns die Covid-Pandemie gekostet. Das Motto der damaligen Regierung „Koste es was es wolle!“ Und es hat gekostet. Manche Unternehmen haben sogar mehr Geld erhalten, als sie benötigt hätten. Das zeigen jetzt Daten vom Arbeitsmarktservice zur Kurzarbeit, die dem ORF exklusiv vorliegen.

Millionengewinne trotz Unsicherheiten

Schwierigkeiten und Unsicherheiten aufgrund der zeitweiligen behördlich verordneten Schließungen nannten die meisten Vertreter der Bau- und Heimwerkermärkte gegenüber dem ORF als ausschlaggebend für die Kurzarbeitsanträge.

Alle konnten ihren Umsatz im ersten Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu 2019 steigern, und auch in ihren Bilanzen scheint ein Ergebnis nach Steuern im ein- bis zweistelligen Millionenbereich auf. Die „Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstandes“ gelang den Baumärkten jedenfalls. Die meisten konnten ihren Mitarbeiterstand über die Pandemie halten bzw. sogar ausbauen.