Ashley Judd
AP/Susan Walsh
Fall Weinstein

Fassungslosigkeit in Hollywood

Die Aufhebung eines Vergewaltigungsurteils gegen den früheren Filmmogul Harvey Weinstein hat in Hollywood Enttäuschung und Fassungslosigkeit ausgelöst. Kritik kam unter anderen von Rosanna Arquette, Ashley Judd und Mira Sorvino, die dem früheren Filmproduzenten sexuelle Übergriffe vorgeworfen haben.

Weinstein sei 2020 „zu Recht verurteilt“ worden, die Aufhebung des Urteils sei „bedauerlich“, sagte Arquette dem Branchenblatt „Hollywood Reporter“. „Als Überlebende bin ich mehr als enttäuscht.“

Judd, die erste Schauspielerin, die mit Missbrauchsvorwürfen gegen Weinstein an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb im Onlinedienst Instagram: „Das ist ungerecht gegenüber den Überlebenden. Wir leben in unserer Wahrheit. Wir wissen, was passiert ist.“

McGowan: „Werden niemals kippen, wer wir sind“

„Entsetzt!“, reagierte die Schauspielerin Sorvino auf X (Twitter). Der ehemals sehr mächtige Produzent sei ein „Seriensexualstraftäter, der 200 Frauen oder mehr vergewaltigt/ihnen ein Leid angetan hat“. Sie sei „angewidert“, dass die Justiz mehr den Sexualstraftätern als den Opfern zuneige.

Die Schauspielerin Rose McGowan, die Weinstein Vergewaltigung vorwirft, erklärte auf Instagram zu dem gekippten Urteil: „Sie werden niemals kippen, wer wir sind.“ Sie bedankte sich bei allen, die mit „Mut“ und „Einigkeit“ gegen den Missbrauch eingetreten seien.

Weinstein war 2020 in New York wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Dagegen hatte der heute 72-Jährige Berufung eingelegt. Am Donnerstag hob der Oberste Gerichtshof von New York das Urteil wegen Verfahrensfehlern auf und ordnete eine Neuverhandlung an.

Frauen angehört, deren Fälle nicht Teil der Anklage waren

Das Gericht bemängelte unter anderem, dass Frauen in dem Prozess als Zeuginnen zugelassen wurden, deren Fälle nicht Gegenstand der Anklage gewesen seien. Die Entscheidung, das Urteil aufzuheben, fiel allerdings denkbar knapp mit vier gegen drei Stimmen.

In Fällen sexueller Übergriffe steht meist Aussage gegen Aussage. Ankläger würden daher oft versuchen, mit Zeuginnen und Zeugen ein Verhaltensmustesr herauszuarbeiten, so die „New York Times“. Das berge aber das Risiko, die Geschworenen auf unfaire Art zu beeinflussen. Diese dürfen den Angeklagten nur aufgrund der ihm in der Anklage vorgeworfenen Tatbestände beurteilen.

Meist würden Richterinnen und Richter daher diese Zeugenaussagen beschränken. Auch im Fall Weinsteins seien vom Richter zwar einige Zeuginnen zugelassen worden, aber deutlich weniger also von der Anklage beantragt. Das Berufungsgericht befand nun, der Richter hätte gar keine zulassen dürfen. Unklar ist derzeit, welche Folgen die Revision auf andere ähnliche Verfahren hat.

Causa Weinstein: „Rückschlag für Justiz“

„#MeToo“-Gründerin Tarana Burke hat ihre Enttäuschung über die Aufhebung eines Vergewaltigungsurteils gegen Harvey Weinstein zum Ausdruck gebracht. Die Entscheidung sei jedoch kein Rückschlag für die Bewegung, sondern für das Justizsystem, so die Menschrechtsaktivistin in New York.

Auch in Kalifornien verurteilt

Weinstein wurde auch in Kalifornien – unter anderem wegen Vergewaltigung – zu 16 Jahren Haft verurteilt. Auch in diesem Verfahren wurden Zeuginnen angehört, die von Übergriffen Weinsteins erzählten, für die er nicht angeklagt war. Allerdings ist laut „New York Times“ die Rechtslage in Kalifornien diesbezüglich anders als in New York.

Mit Spannung wird jedenfalls ein für Mai anberaumter Berufungstermin in Los Angeles erwartet. Auf dieses Urteil dürfte die Aufhebung der Verurteilung in New York keine Auswirkungen haben, sagte die Strafrechtsprofessorin Aya Gruper der Nachrichtenagentur AFP.

Auslöser für „#MeToo“-Bewegung

Die Enthüllungen über den einst gefeierten Filmproduzenten hatten 2017 die „#MeToo“-Bewegung ausgelöst. Dutzende Frauen, darunter Stars wie Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie, hatten ihm sexuelle Angriffe bis hin zu Vergewaltigung vorgeworfen. Weinstein wies alle Vorwürfe zurück und sprach von einvernehmlichem Sex. In vielen Fällen waren die mutmaßlichen Taten bereits verjährt.

Kurz nach Aufhebung des Urteils teilte das Büro des zuständigen Bezirksstaatsanwalts Alvin Bragg, der auch Trump anklagte, mit, dass man einen neuen Prozess anpeile. „Wir werden alles in unsere Macht Stehende tun, um den Fall neuerlich zu verhandeln, und bleiben entschlossen darin, Opfern sexueller Gewalt zum Recht zu verhelfen.“