Ein israelischer Panzer vor dem Gazastreifen
AP/Tsafrir Abayov
Nach Hamas-Vorstoß

Weiter Ringen um Gaza-Feuerpause

Auch nach der am Montag von der radikalislamischen Hamas bekanntgebenen Zustimmung eines mit Ägypten und Katar unterbreiteten Vorschlags geht das Ringen um eine Waffenruhe im Gazakrieg in die nächste Runde. Das legt eine erste Reaktion von Israels Premier Benjamin Netanjahu auf den Hamas-Vorstoß nahe. Der Vorschlag sei zu weit von Israels Forderungen entfernt, so Netanjahu, der gleichzeitig die Entsendung einer „Delegation auf Arbeitsebene“ zu den Vermittlern ankündigte.

Bereits zuvor zeichnete sich eine Ablehnung Israels ab. Der Vorschlag, dem die Hamas nun zustimme, sei nicht jener, den Israel zuvor ausverhandelt habe, wie die Times of Israel mit Verweis auf mit der Sache vertraute Personen berichtet. Es handle sich um einen „aufgeweichten“ ägyptischen Entwurf, zitierte Reuters einen namentlich nicht genannten Insider. In dem von der Hamas nun offenbar zugestimmten Vorschlag seien „weitreichende“ Schlussfolgerungen enthalten, denen Israel nicht zustimmen könne.

Es handle sich nicht mehr um den gleichen Vorschlag, auf den sich Israel und Ägypten vor zehn Tagen geeinigt hätten und der die Grundlage indirekter Verhandlungen gewesen sei, hieß es auch beim israelischen TV-Sender Channel 12. Diesem seien nun „alle möglichen Klauseln“ eingefügt worden. Ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied sprach dem Sender zufolge zudem von einem Täuschungsmanöver der Hamas, um Israel als Verweigerer darzustellen.

ORF-Korrespondenten über Gaza-Verhandlungen

Die ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhary und Tim Cupal melden sich aus Kairo und Tel Aviv und sprechen über die jüngsten Entwicklungen bei den Verhandlungen über eine Gaza-Feuerpause.

Die Hamas hatte zuvor erklärt, sie akzeptiere einen Vorschlag Ägyptens und Katars für einen Waffenstillstand im Gazastreifen. Hamas-Chef Ismail Hanija habe den Ministerpräsidenten von Katar und den Geheimdienstchef Ägyptens über die Annahme des Vorschlags informiert. In der Erklärung der Hamas waren keine Einzelheiten zu dem Vorschlag genannt worden. Zuletzt war im November eine Feuerpause vereinbart worden.

Palästinenser jubeln nach der Verkündung einer Feuerpause durch die Hamas in Rafah
Reuters/Doaa Al Baz
Unmittelbar nach der Hamas-Ankündigung kam es in Rafah zu Jubelszenen

Kirby: „Befinden uns in kritischer Phase“

Die US-Regierung prüft eigenen Angaben zufolge die Zustimmung der radikalislamischen Hamas auf einen Vermittlervorschlag für eine Waffenruhe. „Wir schauen uns derzeit diese Antwort an. Und wir besprechen sie mit unseren Partnern in der Region“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag.

Der Frage eines Journalisten, welchen Inhalten des Vorschlags die Hamas genau zugestimmt habe, wich Kirby aus. Er werde nicht darauf eingehen, sagte er. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine Einigung das absolut beste Ergebnis ist, nicht nur für die Geiseln, sondern auch für das palästinensische Volk. Und wir werden nicht aufhören, auf dieses Ergebnis hinzuarbeiten.“

CIA-Chef William Burns sei in der Region und arbeite mit den Israelis daran, eine Einigung zu erzielen, so Kirby. „Das Letzte, was ich von diesem Podium aus tun möchte, ist, etwas zu sagen, das diesen sehr sensiblen Prozess noch mehr gefährden könnte. Wir befinden uns gerade in einer kritischen Phase“, so Kirby. Das Schlimmste, was man nun tun könne, sei, darüber zu spekulieren, was die Antwort der Hamas genau beinhalte.

Seit Monaten erfolglose Verhandlungen

Israel und die Hamas verhandeln seit Monaten nicht direkt miteinander, es gibt aber Gespräche. Deren Schwerpunkt war zuletzt aus Katar nach Ägypten verlegt worden. Angehörige der Geiseln und ehemalige Geiseln hatten in den vergangenen Tagen die israelische Regierung eindringlich aufgefordert, zu einer Verhandlungslösung zu kommen.

In einem Schreiben an Benni Ganz und Gadi Eisenkot, Minister im Kabinett von Regierungschef Benjamin Netanjahu, hatten diese noch am Montag Antworten zur Haltung der Regierung gefordert. „Wir Familienmitglieder beobachten voller Schrecken, was passiert“, schrieben sie auch mit Blick auf die Vorbereitungen der Rafah-Offensive. „Netanjahu macht den Deal bewusst zunichte und überlässt die Geiseln ihrem Tod.“

Aufruf zur Evakuierung von Teilen Rafahs

Die Hamas forderte bis zuletzt einen umfassenden Waffenstillstand, einschließlich eines vollständigen Abzugs der israelischen Armee aus dem Gazastreifen. Israel, das die komplette Zerschlagung der Hamas zum Ziel erklärt hat, lehnte das bisher ab.

Außenminister Israel Katz hatte zuletzt erklärt, sein Land sei bereit, den angekündigten Militäreinsatz in der Stadt Rafah zu verschieben, sollte ein Deal zur Freilassung von Geiseln zustande kommen. Erst am Montag hatte das israelische Militär zur Evakuierung der im Südgazastreifen gelegenen Grenzstadt Rafah aufgerufen.

Nach dem israelischen Aufruf verließen dem palästinensischen Roten Halbmond zufolge „Tausende“ Menschen das Gebiet. „Die Zahl der Menschen, die aus den östlichen in die westlichen Gebiete von Rafah ziehen, ist groß – besonders seit der Intensivierung der Bombardements“, sagte ein Sprecher der Hilfsorganisation, Osama al-Kahlut, laut AFP.

Israel meldet Angriff im Osten von Rafah

Am Montagabend meldete die israelische Armee weitere Angriffe auf Ziele im Osten von Rafah. Nach Angaben eines Armeesprechers handelte es sich um Einrichtungen der Hamas. Netanjahus Kriegskabinett hatte zuvor entschieden, den Militäreinsatz in Rafah im Süden des Gazastreifens fortzusetzen, um den militärischen Druck auf die Hamas zu erhöhen und die israelischen Kriegsziele durchzusetzen.

Demonstration für die Befreiung der Geiseln in Tel Aviv
AP/Ariel Schalit
Demonstration von Geiselangehörigen in Tel Aviv

In mehreren Städten Israels kam es am Montagabend unterdessen zu Demonstrationen für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der Geiseln in der Gewalt der Hamas. „Zeit der Entscheidung – Leben oder Tod“, hieß es auf einem großen Transparent auf einer Demonstration von Angehörigen der am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppten Geiseln. „Statt den Krieg zu beenden, um alle Geiseln nach Hause zu bringen, droht die Regierung mit einem Militäreinsatz in Rafah, der ihr Leben in Gefahr bringen wird“, sagte ein Vertreter der Familien.