Für den Transport bereite „Leopard 1 A5“-Panzer
APA/AFP/Ronny Hartmann
EU-Einigung

Russisches Geld für Aufrüstung von Ukraine

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, die milliardenschweren Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank für die Militärhilfe an die Ukraine zu verwenden. Das teilte die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch mit. Bisher ist nicht geplant, russische Zentralbankgelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen.

Es wird erwartet, dass die Einigung der Botschafter kommende Woche vom Rat der Wirtschafts- und Finanzminister und -ministerinnen abgesegnet wird. Bereits im Juli will die EU-Kommission erste Gelder in die Ukraine fließen lassen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Einigung: „Es gibt kein stärkeres Symbol und keine bessere Verwendung für dieses Geld, als die Ukraine und ganz Europa zu einem sichereren Ort zu machen“, schrieb sie auf X (Twitter).

Heuer bis zu drei Milliarden Euro

Laut Kommissionsangaben sind rund 210 Mrd. Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben. Euroclear zählt zu den wichtigsten Instituten, das Vermögenswerte der russischen Zentralbank verwahrt. Heuer sollen aus Zinsen noch bis zu drei Milliarden Euro dazukommen.

Die Einigung basiert auf einem Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, den EU-Staaten bereits im März vorgelegt hatten.

Demnach sollen 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbankgelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden. Zehn Prozent sollen für direkte Finanzhilfe für die Ukraine genutzt werden, etwa für die Verteidigungsindustrie und den Wiederaufbau des Landes.

Neutrale Staaten gegen Waffenlieferung

Skeptisch in den Verhandlungen waren vor allem neutrale Staaten wie Österreich, die sich nicht direkt an der Lieferung von Waffen und Munition beteiligen wollten. Es wurde daher vereinbart, dass die Zinserträge zum Teil auch für andere Finanzhilfen verwendet werden.

Lange verhandelt wurde auch, welchen Anteil Euroclear für seinen Aufwand einbehält. Nach Gesprächen von zunächst geplanten drei Prozent reduzierte sich der Anteil im Lauf der Verhandlungen auf 0,3 Prozent.

In Österreich ist das eingefrorene russische Vermögen weniger geworden. Waren es Ende 2022 zwei Milliarden Euro, sind es aktuell laut Angaben der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) noch 1,5 Milliarden Euro. Der Grund liegt in Kursschwankungen und Ausnahmegenehmigungen, teilte die DSN mit. Die Nationalbank (OeNB) bestätigte das auf APA-Anfrage. Wegen der Ausnahmen wurde seitens der Nationalbank eingefrorenes Vermögen auch wieder freigegeben.

Rechtliche Bedenken gegen direkte Verwendung

Für die direkte Verwendung der Gelder – und nicht indirekt über die Zinsen – sind die rechtlichen Bedenken zu groß, Vergeltungsmaßnahmen wären wahrscheinlich. Schon im vergangenen Jahr hatte Moskau die EU davor gewarnt, Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger und Bürgerinnen zu konfiszieren. Dann könnten auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern im Gegenzug zwangsenteignet werden.

Zudem könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

Selenskyj forderte mehr

Mit ihrer Einigung blieb die EU allerdings hinter den Forderungen des ukrainischen Premiers Wolodymyr Selenskyj und der USA zurück. Diese hatten die Freigabe des gesamten eingefrorenen russischen Vermögens in Höhe von rund 200 Milliarden Euro verlangt. Selenskyj forderte die EU immer wieder auf, zuletzt beim EU-Gipfel im März, sowohl Gewinne als auch Vermögenswerte zu nutzen.

Russland müsse sich der tatsächlichen Kosten des Krieges und der Notwendigkeit eines gerechten Friedens bewusst sein. Der stellvertretende ukrainische Regierungschef Olexandr Kubrakow hatte die von Russland verursachten Kriegsschäden zuletzt auf 500 Milliarden Euro beziffert und sich dabei auf Zahlen der Weltbank, der EU und der UNO berufen.