Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
AP/Efrem Lukatsky
Anschlagsplan

Selenskyj entlässt Chef von Leibwache

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach einem vereitelten Mordanschlagsversuch auf ihn den Leiter seiner Leibwache entlassen. Selenskyj veröffentlichte am Donnerstag ein Dekret zur „Entlassung von Serhij Leonidowitsch Rud aus dem Amt des Leiters der Abteilung für Staatsschutz der Ukraine“. Deutschland übernahm unterdessen die Kosten für neue US-Raketenwerfer für Kiew.

Selenskyjs Erlass nannte keine Gründe für den Personalwechsel auf dem hochsensiblen Posten. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU hatte am Dienstag erklärt, ein vom russischen Geheimdienst FSB gesteuertes „Netzwerk von Agenten“ zerschlagen zu haben, welche „die Ermordung des ukrainischen Präsidenten vorbereiteten“.

Die Pläne der Gruppe zielten laut Geheimdienst darauf ab, Soldaten aus dem Umfeld des Sicherheitsdienstes von Selenskyj zu rekrutieren, um diesen „als Geisel zu nehmen und zu töten“. Zwei Offiziere aus der Leibwache Selenskyjs wurden unter dem Vorwurf festgenommen, sie hätten geheime Informationen an Russland weitergegeben.

Kiew: Bereits mehrere Anschläge vereitelt

Der 47-jährige Rud hatte die Abteilung, die für die persönliche Sicherheit des ukrainischen Präsidenten und anderer hochrangiger Regierungsmitglieder und deren Familien zuständig ist, seit 2019 geleitet.

Russland hat Selenskyj seit Beginn der Offensive in der Ukraine im Visier. Nach Angaben Kiews richteten sich bereits mehrere Mordversuche gegen den Präsidenten und andere ukrainische Regierungsvertreterinnen und -vertreter.

Deutschland bezahlt für Raketenartilleriesystem

Deutschland wird unterdessen die Lieferung von drei Raketenartilleriesystemen aus den USA an die Ukraine bezahlen. Verteidigungsminister Boris Pistorius machte die Entscheidung am Donnerstag in Washington nach Gesprächen mit seinem Amtskollegen Lloyd Austin öffentlich. „Sie stammen aus Beständen der US-Streitkräfte und werden von uns bezahlt“, sagte er.

Die Systeme kosten einen höheren zweistelligen Millionenbetrag. Das HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) ist ein auf einem Lastwagenfahrgestell montiertes Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem.

Selenskyj will Initiative zurückgewinnen

Mit Ankunft der westlichen Waffen will die Ukraine laut Selenskyj die Initiative an der Front zurückerlangen. Derzeit seien die russischen Streitkräfte im Osten der Ukraine in der Offensive, das sei kein Geheimnis, sagte der ukrainische Staatschef am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit der Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, in Kiew.

„Sobald die Waffenlieferungen ankommen, stoppen wir ihre Initiative“, versprach Selenskyj. Aber für die Eroberung der Initiative brauche sein Militär eben „etwas Kräftiges“. Die Pressekonferenz im Freien vor dem Präsidialamt musste kurz darauf wegen eines Luftalarms abgebrochen werden.

Laut Selenskyj bereitet das russische Militär derzeit eine Großoffensive vor. Dazu würden Kräfte im Norden und Osten der Front gesammelt. Trotzdem laufe bei den Russen längst nicht alles so gut, wie sie glaubten. „Es ist nicht so, dass ich damit Ihre Stimmung heben will. Das ist die Realität“, versicherte Selenskyj.

Putin beklagt westliche „Heuchelei“

Russlands Präsident Wladimir Putin beschwor unterdessen am Gedenktag des Sieges über Deutschland im Zweiten Weltkrieg die Kampfbereitschaft seines Landes. Zudem richtete er eine Warnung an den Westen: Russlands Atomstreitkräfte seien „immer in Alarmbereitschaft“, sagte Putin bei der großen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau. Dem Westen warf Putin „Heuchelei“ und „Revanchismus“ vor, dieser versuche, die Erinnerung an den sowjetischen Sieg zu verfälschen.

Angeblich ukrainischer Angriff auf Raffinerie

Die Ukraine griff unterdessen nach eigenen Angaben eine fast 1.200 Kilometer von der Grenze entfernte russische Ölraffinerie an. Aus ukrainischen Verteidigungskreisen hieß es am Donnerstag, bei dem Angriff auf die Raffinerie in der teilautonomen Republik Baschkortostan sei eine „Rekordreichweite“ erzielt worden. Insgesamt sei die Drohne 1.500 Kilometer weit geflogen. Ziel sei eine Gasprom-Raffinerie in der Stadt Salawat gewesen.

Der Angriff sei vom ukrainischen Geheimdienst SBU ausgeführt worden. Zudem habe es einen Angriff auf zwei Öllager in der Region Krasnodar im Süden Russlands gegeben, hieß es. Russische Rettungsdienste erklärten, es sei zu Schäden an der Pumpstation der Salawat-Raffinerie in Baschkortostan gekommen. „Es gibt kein Feuer, keine Opfer“, so das lokale Katastrophenschutzministerium. Örtliche Behörden gaben an, nach dem Drohnenangriff sei Rauch über der Raffinerie aufgestiegen, sie funktioniere aber normal weiter.