Christine Ostermayer
ORF.at/Sonia Neufeld
Eröffnung

Star bei „quietschfideler“ Gala

Sie hat „gefühlt ewig auf sich warten lassen“ – am Dienstagabend war es endlich so weit: Die Diagonale ’21 ist nun offiziell eröffnet. In ihrer Eröffnungsrede war den Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger die Vorfreude über das „quietschfidele“ Filmfest deutlich anzumerken. Neben der Premiere für „Fuchs im Bau“ gab es am ersten Tag gleich zwei große Preise – Christine Ostermayer wurde zum Star des Abends.

Das hat es lange nicht mehr in Graz gegeben: Auch wenn sie es aufgrund der Abstandsregeln nicht ganz war, die Helmut-List-Halle wirkte am Dienstagabend enorm gut gefüllt, und schon die Anmoderation und der Diagonale-Trailer wurden lautstark beklatscht.

Der Höhepunkt des Abends folgte schon kurz darauf: Kaum betrat die sympathische Ostermayer, die extra aus München angereist war, den Saal, gab es Standing Ovations für die 84-Jährige, die den Diagonale-Preis, einen goldenen Selfie-Stick der Künstlerin Verena Dengler, selbst überreicht bekam.

Christine Ostermayer mit Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber
ORF.at/Sonia Neufeld
Auch die Diagonale-Intendanten Schernhuber (l.) und Höglinger (m.) gratulierten Ostermayer

Schon im Vorfeld zeichnete sich ab, dass Ostermayers Auftritt ein ganz besonderer werden wird – und das in einem ebenso besonderen Jahr für die Diagonale. „Sie machen sich lächerlich, wenn Sie mich auszeichnen!", soll die Schauspielerin auf die Ankündigung gesagt haben, dass sie heuer mit dem großen Diagonale-Schauspielpreis ausgezeichnet werde.

„Sprache weggeblieben“

Sie müsse das nun „berichtigen“: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gesagt habe ‚Sie machen sich lächerlich‘“, so Ostermayer, die für Lacher im Saal sorgte. Ihr sei in dem Moment, als ihr „die Überraschung gesagt wurde“, die „Sprache weggeblieben“, so „geschockt“ sei sie gewesen.

„Ich habe heute den ganzen Tag darüber nachgedacht, wie oft ich mich in meinem Berufsleben verbeugt und dem Publikum Danke gesagt habe.“ Stattdessen habe sie über ihre Auftritte nachgedacht – heute jedoch, „nehme ich die große Ehre ganz einfach an, bedanke mich, bedanke mich bei der wunderbaren Jury und natürlich beim Publikum. Vielen, vielen Dank!“

Von ebendieser Jury (Ute Baumhackl, Christian Konrad, Julia Franz Richter, Julia Stemberger und Hüseyin Tabak) bekam Ostermayer Rosen gestreut: Sie habe die österreichische Kulturlandschaft „mitgeprägt“, habe sich in die Geschichte des Films, des Theaters und des Hörspiels eingeschrieben. Die Mitglieder verwiesen auf das enorme Talent Ostermayers: „In vielen und vielfältigen Rollen stellt Christine Ostermayer unter Beweis, wie einfühlsam, schlicht und echt sie ihre Arbeit ausgestaltet.“

Große Spätrolle in „Anfang 80“

Es ist nicht die erste Auszeichnung für Ostermayer bei der Diagonale – schon für ihre gefeierte Rolle in „Anfang 80“ wurde sie bei dem Filmfestival 2012 ausgezeichnet. Der Spielfilm von Sabine Hiebler und Gerhard Ertl griff nicht zuletzt auch der Altersdebatte im heimischen Film vor, die Mavie Hörbiger Anfang dieses Jahres angestoßen hatte.

Ostermayers Darstellung der krebskranken Rosa in „Anfang 80“ war eine große Spätrolle für die heute 84-Jährige, die ihr schon damals den Gewinn des Schauspielpreises sicherte. Nun wurde sie für ihre Verdienste um die österreichische Filmkultur erneut gewürdigt.

Doppelte Premiere und ein nachgeholter Preis

Das Gesicht der neuen Diagonale zeigte sich an diesem ersten Tag bereits sehr deutlich: Statt einmal wurde der Eröffnungsfilm „Fuchs im Bau“ gleich zweimal gezeigt. Das Sozialdrama mit Schmäh von Arman T. Riahi über einen Lehrer in einer Jugendstrafanstalt wurde damit gleich doppelt gefeiert – zumindest am Abend unter Jubel des Publikums.

Doppelt war aber auch die Preisverleihung. Denn neben der großen Ostermayer wurde schon wenige Stunden davor ein großes Versäumnis nachgeholt. Ursula Strauss wurde noch im Nachhinein der Diagonale-Preis des Vorjahres überreicht, für die heimische Filmkultur damit wohl insgesamt ein großer Tag.

„Kein Sommer wie damals“

Kultur – nicht nur speziell Filmkultur – war auch das große Thema der coronavirusbedingt kürzeren Eröffnungsrede. Bei der Intendanz standen Euphorie und Wehmut, Grant und Schmäh ganz nah aneinander, und auch das ist vielleicht Nachwirkung eines besonderen Jahres.

„‚Endlich wieder Kultur!‘ – eine Parole, mit Blick auf die unerträglichen letzten Monate so richtig – und doch irgendwie vollkommen falsch“, hieß es da. „Als wäre nicht der gesamte Umgang mit der Pandemie und ihren gesellschaftlichen Auswirkungen eine Frage der Kultur“, führten die Diagonale-Intendanten aus.

„Es wird kein Sommer wie damals“, klang das Resümee erst ernüchternd – doch tatsächlich hat sich die Filmbranche im vergangenen Jahr so sehr verändert wie schon lange nicht mehr. Das gelte damit auch für die Diagonale „mit einer Einbettung in einen globalen Filmmarkt im Umbruch. Bei aller Euphorie, mit der wir in dieser Woche in die Festivalkinos zurückkehren, ist eines gewiss: Es ist ein erster großer Schritt, bei dem es auch um die Frage gehen muss, welche Rolle Kinos und Filmfestivals künftig einnehmen können.“

„Das ist nicht nichts“

Aber mit Blick auf die 108 Wettbewerbsfilme, die in Graz aufgeführt werden, auf das „temporär größte Kino Österreichs“ in der Helmut-List-Halle, „Beat- und Anarchoautorinnen, Clowns und eine Buhlschaft“ sei das nach dem Pandemiejahr „nicht nichts – und schon gar nicht gar nichts“. Entsprechend heiter auch das Schlusswort: „Willkommen zurück in Graz! Wir wünschen eine quietschfidele Diagonale.“