Eindrücke vom BVT-U-Ausschuss
ORF.at/Roland Winkler
Tierschützer im U-Ausschuss

Balluch sieht BVT von ÖVP beeinflusst

Der BVT-U-Ausschuss rollt die Tierschützeraffäre zwischen 2006 und 2011 neu auf. Dazu war am vergangenen Mittwoch Martin Balluch, Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT), geladen. Er kritisierte das damalige Vorgehen der Behörden, also die Anklage von 13 Aktivisten, als politisch motiviert. Balluch sah den Unmut der ÖVP dafür ursächlich, weil man der Partei „auf die Zehen gestiegen“ sei.

Genauer gesagt ging es um die Tätigkeit einer Sonderkommission der Polizei, die ab 2006 gegen die Aktivisten ermittelte. Das Vorgehen war äußerst umstritten. Unter anderem, weil mehrere Beschuldigte trotz schwacher Beweislage monatelang in U-Haft genommen wurden und nach dem eigentlich gegen organisierte Kriminalität gerichteten „Mafia-Paragrafen“ angeklagt wurden.

Dieser (mittlerweile entschärfte) Paragraf stellte die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation unter Strafe, ohne dass konkrete Taten nachgewiesen werden mussten. Im Prozess wurde der VGT als eine solche kriminelle Organisation eingestuft. Letztlich endete der Prozess in Wiener Neustadt mit Freisprüchen aller Angeklagten. Auf den hohen Prozesskosten blieben sie jedoch sitzen.

„Der ÖVP auf die Zehen gestiegen“

Die Opposition sieht den Tierschützerprozess als Paradebeispiel für politischen Machtmissbrauch im Innenministerium, wie sich auch während Balluchs Befragung zeigte. Der Vorwurf, so auch am Mittwoch sinngemäß geäußert: Verfassungsschutz und Polizei seien auf Zuruf von ÖVP-nahen Kreisen gegen unbequeme Aktivsten vorgegangen, obwohl strafrechtlich nichts gegen sie vorlag.

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Balluch trat bereits vor der Befragung vor die Presse – auch im Ausschuss führte er sehr detailreich aus

Ähnliches stellte Balluch in aller Ausführlichkeit dar – und begann damit bereits vor Beginn des Ausschusses. Man sei damals offensichtlich der ÖVP „auf die Zehen gestiegen“, weil die Aktionen der VGT gegen die Agenda der Partei gerichtet gewesen seien. Als Beispiel für das bereits frühe „politisch motivierte“ Vorgehen nannte er ein „grundsätzliches Demonstrationsverbot“, geltend für Einkaufsstraßen und verfügt vom damaligen ÖVP-Innenminister Günther Platter.

„Da muss schon jemand an Schaltern drehen“

„Da muss schon jemand an den Schaltern drehen, dass so was passiert“, so Balluch. Später, im Prozess, seien die Vorwände „von vorne bis hinten konstruiert gewesen“ und Fakten „gezielt falsch dargestellt“ worden. Balluch betonte, dass während aller Kampagnen keine einzige Straftat von ihm verübt worden sei. Dennoch habe er „ganz starken Gegenwind“ verspürt, weil sich der VGT für Verbote unter anderem von Hennen-Legebatterien eingesetzt habe.

„Sehr verblüfft“ habe ihn schon damals, dass eine Prüfung durch das Finanzamt, ob man dem VGT die Gemeinnützigkeit entziehen könnte, auf Auftrag des BVT geschah, so Balluch. Er ortete eine „politische Intervention“. Balluch sagte, dass sein in der ÖVP und im CV aktiver Vater schon sehr früh gewarnt habe, dass Repression zu befürchten sei, weil sich Aktionen der Tierrechtler auch gegen CVler gerichtet hatten, und „wenn die um Hilfe bitten, dann hilft man ihnen auch“.

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Balluch beim Erscheinen vor dem Ausschusslokal. Das BVT habe eine Rolle im Vorgehen gegen den VGT gespielt.

„Pistole an den Kopf gehalten“

Von Überwachungsmaßnahmen gegen ihn habe er erfahren, als jemand am 21. Mai 2008 um 5.00 Uhr in sein Haus eingestiegen, in sein Schlafzimmer gestürmt sei und ihm eine Pistole an den Kopf gehalten habe, so Balluch auf Nachfrage von Verfahrensrichter Eduard Strauss. Die vom BVT ausgelöste Finanzprüfung sei „sehr seltsam“ gewesen, so habe man sich dafür interessiert, ob man nicht in Wahrheit ein kommerzielles Interesse habe. Das sei eine gezielter Versuch gewesen, den VGT auszuschalten, so Balluch.

Auch wurde die Rolle von Staatsanwalt Wolfgang Handler erörtert, der ja auch im BVT-Verfahren zuständiger Gruppenleiter ist: Handler war bei der Hausdurchsuchung bei Balluch anwesend, habe im Auto gewartet und es mitfilmen lassen: „Er hat mir zugeschaut, wie ich nackt aus dem Haus gezerrt wurde“ – „warum macht ein Staatsanwalt das, noch dazu einer aus dem Cartellverband, warum soll er das machen, wenn nicht wegen politischer Intervention?“, fragte Balluch.

„SoKo Bekleidung“

Er habe generell ein „erhöhtes Interesse“ vonseiten des Verfassungsschutzes gespürt. "Die SoKo-Chefs (also jene Sonderkommission „Bekleidung", die die Ermittlungen führte, Anm.) waren von BVT und LVT (Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Anm.) Wien“, einer der Spitzel war vom BVT, zudem habe er zahlreiche Dokumente gesehen, aus denen hervorgehe, dass Verfassungsschützer bei VGT-Demos anwesend waren.

„Es könnte Kinderpornografie drauf sein“

Auch sei Einsicht in Akten verweigert worden. Gleichzeitig sei im Zuge von Finanzprüfungen die „Buchhaltung weggetragen“ und behauptet worden, „es könnte Kinderpornografie (auf konfiszierten Unterlagen, Anm.) drauf sein“. Finanzminister war damals Josef Pröll (ÖVP). Ziel sei gewesen, dem Verein die Gemeinnützigkeit zu entziehen, so Balluch auf Frage von Jetzt-Mandatarin Alma Zadic.

Treffen im Innenministerium

Jetzt-Mandatarin Zadic zitierte auch aus einem Dokument, aus dem hervorgeht, dass einer der Chefs der Modekette Kleiderbauer direkt beim damaligen Innenminister Platter angerufen hatte. (Hintergrund: Der VGT hielt Demos und Infoveranstaltungen gegen Pelzverkauf vor Filialen ab). Der Kleiderbauer-Chef habe sich bei Platter im April 2007 über eine Beschädigung seines Autos und die Untätigkeit der Polizei beschwert.

Am Tag darauf fand dann das Treffen der Kleiderbauer-Chefs im Innenministerium statt. Ob das üblich sei, dass man direkt beim Minister anruft wegen Sachbeschädigung, wollte Zadic wissen. „Auch unser Bus wurde von oben bis unten beschmiert“, so Balluch, „ich habe mich darüber per Mail beim Ministerium beschwert.“ Doch anders als gegenüber Kleiderbauer habe niemand reagiert.

„De facto Ruin eines Unternehmens“

Im Protokoll nach dem Treffen im Innenministerium hieß es, dass der Polizeipräsident von der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit aufgefordert wird, „alle administrativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Demonstrationen vor den Filialen zu untersagen“. Das Versammlungsrecht dürfe „nicht zu einem De-facto-Ruin eines Unternehmens“ führen. Von Ruin konnte nie die Rede sein, so Balluch auf Nachfrage – nur von Imageschaden.

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Balluch erschien ohne Vertrauensperson – Amon thematisierte das, Krainer konnte aufklären

„Einige aus der ÖVP waren sehr wütend auf mich“

Balluch erzählte auf Fragen von NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper von zahlreichen Aktionen gegen die ÖVP, etwa die Besetzung der Parteizentrale. Auch die ÖVP habe schon damals Stimmung gegen die Tierschützer gemacht, auch mittels eines Flugblatts. Im Gegenzug habe man die ÖVP mit Kampagnen Stimmen gekostet – der damalige Kärntner ÖVP-Agrarsprecher habe ihm bei einer Veranstaltung einmal ins Gesicht geschlagen: „Es gab offenbar einige Leute, die sehr wütend waren auf mich, aus der ÖVP.“ Für Balluch ergab sich daraus „politische Verfolgung“.

Amon vermutete Absprache zu Vertrauensperson

ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon war aus nachvollziehbaren Gründen weniger gut auf Balluch zu sprechen und lenkte die Befragung in eine andere Richtung – er wollte wissen, wer mit Balluch gesprochen und ihm geraten habe, seinen Bruder (ebenfalls damals angeklagt) nicht als Vertrauensperson mitzunehmen (Balluch erschien zur Befragung allein). Amon vermutete eine „Abstimmung“ Balluchs mit Personen aus dem Ausschuss, die Zweifel an der „Glaubwürdigkeit“ Balluchs aufkommen lassen könnte.

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Amon (l.) und Balluch (sitzend, r.) – überschaubare Harmonie während der Befragung

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer brachte schließlich Licht in die Sache: Er kenne Balluch schon lange und habe ihm gesagt, dass er es für keine gute Idee halte, wenn sein Bruder als Vertrauensperson auftritt. Krainer: „Ich habe gesagt: Wenn ich die ÖVP wäre, würde ich seinen Ausschluss beantragen.“

„Infojunkie mit gesteigertem Selbstbewusstsein“

Amon legte einen Gerichtsbeschluss vor, in dem das Gericht feststellt, dass Balluch ein „Infojunkie mit einem gesteigerten Selbstbewusstsein“ sei, er sammle allerlei Unterlagen, auch über Brandanschläge radikaler Tierrechtsaktivisten in Österreich. Er sammle „alle möglichen Unterlagen, sofern die Polizei nicht um 5.00 Uhr Früh bei mir einbricht und alle wieder wegnimmt“, so Balluch.

Später widersprach Krainer Amon, weil der ÖVP-Fraktionsführer von einer Steigerung der Straftaten seitens Tierrechtsaktivisten zwischen 2006 und 2008 gesprochen habe. Im Verfassungsschutzbericht 2008 stehe aber, dass es zwar zu einer Steigerung legaler Tierrechtsaktionen gekommen sei, aber auch zu einem Rückgang von Sachbeschädigungen bzw. Straftaten.

Die ÖVP versuchte im Zuge von Balluchs Befragung die Gewaltbereitschaft des VGT darzustellen. Einig war man da mit der Auskunftsperson nicht. Balluch wollte in diversen Vorfällen keine Straftaten sehen, sondern legitimen Aktivismus.

FPÖ stürzte sich auf verdeckte Ermittler

FPÖ-Fraktionsvorsitzender Hans-Jörg Jenewein stürzte sich auf den Einsatz der verdeckten Ermittlerin. Auf eine entsprechende Frage sagte Balluch, dass es zu keiner Zeit Konsequenzen gehabt habe, dass der Einsatz vom Staatsanwalt nicht genehmigt war (was nicht legal ist).

Die verdeckte Ermittlerin (Deckname Danielle Durand) sei bei über 200 Aktionen dabei gewesen, man sei nachts zu Legebatterien gefahren und auch auf einen Tierrechtskongress in die Niederlande und zu anderen Anlässen. Über ihre Rolle habe man aber während des Strafprozesses erst durch Zufall erfahren: In einem Nebensatz im Ermittlungsakt sei von „vier Frauen, eine davon die VE“, die Rede gewesen.

Balluch habe dann einen Privatdetektiv eingeschaltet, um der verdeckten Ermittlerin nachzuspüren. Die Ermittlerin habe die Aktivisten sogar in der U-Haft besucht und vor dem Gefängnis für deren Freilassung demonstriert. „Sie hat gesagt, sie war selbst total überrascht, dass man dann die Hausdurchsuchung bei uns gemacht hat.“