Menschen mit Atemschutzmasken auf einer Straße in Hongkong
APA/AFP/Anthony Wallace
Coronavirus

In China werden die Schutzmasken knapp

Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus und der strikten Kontrollmaßnahmen werden in China die Schutzmasken knapp. Das Land bittet deswegen um Unterstützung: „Was China momentan dringend braucht, sind Atemmasken, Schutzanzüge und Schutzbrillen“, so die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Die chinesische Industrie komme mit der Produktion nicht mehr nach.

Nach Angaben des Industrieministeriums können chinesische Fabriken pro Tag nur rund 20 Millionen Atemmasken produzieren. Nach den Feiertagen, die als Schutzmaßnahme verlängert wurden, läuft die Produktion aber nur langsam an. Wie ein Ministeriumsvertreter sagte, versuchen die chinesischen Behörden zusätzliche Masken aus Europa, Japan und den USA zu besorgen. Nach Angaben des Außenministeriums haben zudem schon Länder wie Südkorea, Japan, Kasachstan und Ungarn medizinisches Material gespendet. Auch der Vatikan spendete 700.000 Masken – mehr dazu in religion.ORF.at.

Hintergrund ist, dass große Teile des Landes eine Maskenpflicht eingeführt haben. Neben der Provinz Hubei, in der die am stärksten betroffene Stadt Wuhan liegt, haben noch mehrere andere Provinzen und Städte in China Atemschutzmasken zur verpflichtenden Schutzmaßnahme erklärt, darunter die bevölkerungsreichste Provinz Guangdong sowie Sichuan, Jiangxi und Liaoning und die Stadt Nanjing. Zusammen haben sie mehr als 300 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen.

Notiz beim Eingang zu einem Geschäft in Hongkong besagt, dass Schutzmasken und Desinfektionsmittel ausverkauft sind
AP/Vincent Yu
Unter anderem hatten Hamsterkäufe die Masken knapp werden lassen

Auch medizinische Spezialausrüstung knapp

In den vergangenen Wochen hatte es vielerorts Panikkäufe bei Schutzmasken gegeben, was zu Engpässen geführt hatte. In den chinesischen Sozialen Netzwerken wurden zudem Vermutungen geäußert, dass die Behörden große Mengen an Schutzausrüstung zurückhalten. Knapp wurden zuletzt sowohl medizinische Spezialausrüstung, die in Spitälern zum Einsatz kommt, aber auch herkömmliche Schutzmasken. Letztere sollen vor allem verhindern, dass sich Menschen zu oft an Nase und Mund greifen und damit Schmierinfektionen verursachen. Die herkömmlichen Masken schützen unter anderem aufgrund des lockeren Sitzes nicht vor Viren, die über die Luft übertragen werden.

Angespannte Lage in China

China gerät angesichts der Ausbreitung des Coronavirus immer stärker unter Druck.

Laut der WHO sei die Nutzung von Masken eine mögliche Präventionsmaßnahme, die alleine aber nicht ausreichend sei. Wichtig sei unter anderem die regelmäßige Handhygiene und Distanz zu Personen, die infiziert sein könnten. Die Masken könnten einen „falschen Eindruck vermeintlicher Sicherheit“ vermitteln, so die WHO. Sie empfiehlt eine Verwendung vorrangig bei Menschen, die Symptome einer Atemwegserkrankung aufweisen. Bei der Nutzung von Masken sei auf die richtige Handhabung – etwa ein regelmäßiger Wechsel und richtige Entsorgung – zu achten.

Chinesische Führung: Fehler und Schwierigkeiten

Chinas Führung räumte am Montag „Fehler“ im Umgang mit der Coronavirus-Epidemie ein. Der Ständige Ausschuss des Politbüros der regierenden Kommunistischen Partei erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, die Reaktion auf die Coronavirus-Epidemie habe „Fehler und Schwierigkeiten“ beim nationalen Notfallmanagement offengelegt. Das System müsse daher verbessert werden. Der Ständige Ausschuss forderte außerdem eine verstärkte Überwachung von Märkten. Der illegale Handel mit Wildtieren müsse streng verboten werden, die Behörden müssten hart dagegen vorgehen.

Es wird vermutet, dass der Erreger der Lungenkrankheit auf einem Markt in der zentralchinesischen Stadt Wuhan von einem Wildtier auf den Menschen übergegangen ist. Auf dem mittlerweile geschlossenen Markt wurden außer Meeresfrüchten und Geflügel auch Tiere wie Krokodile, Schlangen und Füchse angeboten.

Staatschef Xi Jinping sagte bei der Sitzung des Politbüros, eine Eindämmung der Coronavirus-Epidemie werde einen „direkten Einfluss“ auf die wirtschaftliche und soziale Stabilität Chinas „und auch auf Chinas Öffnung“ haben. Angesichts der rasanten Ausbreitung des Erregers hat in China die Wut auf die Behörden immer mehr zugenommen. Vor allem den Behörden in Wuhan wurde vorgeworfen, Informationen zu dem Virus zu lange zurückgehalten zu haben.

Stärkster Anstieg an Infektionen und Todesfällen bisher

Wie die chinesische Regierung am Dienstag mitteilte, stieg die Zahl der Todesopfer durch die Epidemie seit Montag in Festlandchina um weitere 64 Fälle. Sie alle wurden in der zentralchinesischen Provinz Hubei verzeichnet. Mittlerweile gibt es daher mindestens 426 Todesopfer. Bis Dienstag gab es zudem 20.438 bestätigte Erkrankungen – 3.225 neue Fälle im Vergleich zum Vortrag. Es ist der bisher stärksten Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus und der Todesfälle innerhalb eines Tages.

Ein erster Todesfall wurde am Dienstag aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong gemeldet. Dabei handelt es sich um einen 39-jährigen Einwohner der Finanzmetropole, der im Jänner nach Wuhan gereist war, wie die örtliche Gesundheitsbehörde mitteilte. Nach Informationen von Lokalmedien litt der Mann unter anderen Gesundheitsbeschwerden, die seine Behandlung wegen des Virus erschwerten. Bisher wurden in Hongkong insgesamt 15 Fälle von Ansteckungen mit dem Coronavirus verzeichnet.

Tausende sitzen auf Kreuzfahrtschiff fest

Unterdessen lässt Taiwan ab Freitag keine Ausländer mehr einreisen, die sich in den vergangenen 14 Tagen in China aufgehalten haben. Die chinesische Sonderverwaltungszone Macao schließt derweil wegen des Coronavirus zwei Wochen lang ihre Casinos. Das teilte der Regierungschef von Macau, Ho Iat Seng, am Dienstag mit. Die Glücksspielmetropole ist ein beliebtes Ziel von Reisenden aus Festlandchina.

Japan lässt Tausende von Passagieren und Besatzungsmitglieder auf einem Kreuzfahrtschiff auf das neue Coronavirus hin untersuchen. Im Hafen von Yokohama in Japan sind mehr als 3.700 Menschen auf einem Kreuzfahrtschiff unter Quarantäne gestellt. Ein Mann aus Hongkong, der im vergangenen Monat auf dem Schiff reiste, wurde positiv auf das Coronavirus getestet. Der 80-jährige Mann flog nach Japan und bestieg das Schiff „Diamond Princess“ der Reederei Carnival Japan am 20. Jänner in Yokohama und landete am 25. Jänner in Hongkong, wie das Unternehmen mitteilt.

Die Reederei gehört zu dem britisch-amerikanischen Kreuzfahrtunternehmen Carnival. Carnival bestätigte, dass sich die Umschlagszeit des Schiffes um etwa 24 Stunden verzögert, damit die Behörden die Gesundheit aller 2.666 Gäste und 1.045 Besatzungsmitglieder an Bord überprüfen können.

Höhepunkt „in zehn Tagen bis zwei Wochen“

Am Montag hatte China mitgeteilt, dass der Höhepunkt der Epidemie erst bevorstehe. Erwartet werde er „in zehn Tagen bis zwei Wochen“, sagte der Chef des nationalen Expertenteams im Kampf gegen das Coronavirus, Zhong Nanshan, nach Angaben chinesischer Staatsmedien vom Montag. Dafür müssten aber vorbeugende Maßnahmen verstärkt werden. „Wir dürfen in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen.“

Damit korrigierte der bekannte Experte seine bisherige Vorhersage von vor einer Woche, als er den Höhepunkt noch für Ende dieser Woche vorhergesagt hatte. Warum er den Zeitpunkt jetzt doch weiter in die Zukunft verschieben musste, sagte Zhong nicht. Die Sterblichkeitsrate bezifferte er bei dem Statement auf 2,4 bis 2,5 Prozent. Zuletzt gab es allerdings immer wieder Zweifel an den Angaben aus Peking.

Fast 250 Mrd. Dollar Zuschuss für Wirtschaft

Chinas Zentralbank will der vom Virusausbruch getroffenen Wirtschaft erneut zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Über Repo-Geschäfte wurden bereits am Montag Liquidität im Wert von 1,2 Billionen Yuan (173,8 Milliarden Dollar) zugeschossen, nun kündigte die People’s Bank of China (PBOC) einen weitere Finanzspritze am Dienstag in Höhe von 500 Milliarden Yuan (71,22 Milliarden Dollar) an.

Aktienmärkte: 600 Milliarden Euro „vernichtet“

Auch wirtschaftlich zeigen sich Folgen des Ausnahmezustands in China. Nach wie vor sind in der Krisenregion in Zentralchina weiterhin 45 Millionen Menschen in mehreren Städten abgeschottet. Zahlreiche Unternehmen haben die Produktion niedergelegt, die zunehmende internationale Isolierung Chinas und das deutlich schwächere Reiseaufkommen innerhalb des Lands treffen außerdem die Tourismusbranche schwer.

Das zeigte sich am Montag auch auf den Finanzmärkten: Durch einen Kursrutsch wurden am ersten Tag nach den verlängerten Neujahrsferien über 600 Milliarden Euro „vernichtet“. Die Schanghaier Börse meldete am Montag einen Kursrutsch um 7,72 Prozent und verlor damit innerhalb eines Handelstages 2,8 Billionen Yuan an Wert, umgerechnet etwa 360 Milliarden Euro. Der zweite Aktienmarkt des Landes im südchinesischen Shenzhen brach um 8,45 Prozent ein, was einen Verlust von zwei Billionen Yuan (260 Milliarden Euro) bedeutete.

Viele Aktien fielen gleich zu Beginn um die zehn Prozent, die als Handelslimit festgelegt sind. Es waren die größten Verluste seit der Börsenkrise 2015 in China.

Hongkong schließt Grenzen, Russland will abschieben

Weltweit sind rund 180 Erkrankungen durch das Virus in zwei Dutzend anderen Ländern bestätigt. Den ersten Todesfall außerhalb Chinas gab es am Wochenende auf den Philippinen. Es handelte sich um einen eingereisten Chinesen aus Wuhan. Asiatische Staaten haben Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um eine Einschleppung des Coronavirus zu verhindern. So riegelte auch die Finanzmetropole und chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong am Montag einen Großteil der Grenzübergänge zum chinesischen Festland ab.

Provisorisches Krankenhaus in Wuhan (China)
Reuters/China Daily CDIC
In Wuhan, wo das Coronavirus erstmals aufgetreten ist, geht am Montag das neue Krankenhaus für Coronavirus-Patienten in Betrieb, das in nur acht Tagen gebaut worden ist

Rigorose Maßnahmen plant auch Russland: Die Regierung in Moskau will ausländische Coronavirus-Patienten abschieben. Das Virus sei „in die Liste der besonders gefährlichen Krankheiten“ aufgenommen worden, sagte der russische Ministerpräsident Michail Mischustin am Montag. „Dies ermöglicht es uns, infizierte Ausländer auszuweisen und besondere Maßnahmen wie Isolierung und Quarantäne umzusetzen“. Er habe einen nationalen Plan zur Bekämpfung der Epidemie unterzeichnet.

AUA stellt Flüge bis Ende Februar ein

Die russischen Behörden hatten am Freitag die ersten Coronavirus-Fälle im Land gemeldet. Es handelt sich um zwei Chinesen, die in Krankenhäusern isoliert werden. Moskau hatte in den vergangenen Tagen die Verbindungen zu seinem Nachbarland weitgehend gekappt. Die russische Regierung beschloss, die 4.250 Kilometer lange Grenze zu China zu schließen. Bahn- und Flugverbindungen wurden ganz oder teilweise ausgesetzt. Der zweitgrößte russische Lebensmittelhändler Magnit setzte zudem die Einfuhr von Obst und Gemüse aus China aus.

Unterdessen setzen die Austrian Airlines aufgrund des Coronavirus die China-Flüge zumindest bis zum 28. Februar aus. Zunächst waren sie bis zum 9. Februar gecancelt worden, hieß es in einer Aussendung der Lufthansa Group am Montag – mehr dazu in wien.ORF.at.

WHO rät zu Augenmaß

Die WHO rät im Kampf gegen die Virusausbreitung zu Augenmaß. Es gebe keinen Anlass für Maßnahmen, die „unnötig den internationalen Verkehr und Handel beeinträchtigen“, sagt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die WHO rufe alle Länder auf, stichhaltige und konsequente Entscheidungen zu treffen. Gewarnt wurde seitens der Organisation auch vor falschen Informationen.

Der Ausbruch des Erregers sei von einer „massiven Infodemie“, einer Überschwemmung an Informationen begleitet worden. Da die Flut an Informationen es vielen Menschen schwer mache, zwischen Mythen und Fakten zu unterscheiden, hat die WHO eine große Informationskampagne auf Facebook, Twitter und in anderen Sozialen Netzwerken gestartet.

Darin gibt die Organisation unter anderem Informationen zur Prävention, klärt aber auch Mythen auf. Unter anderem betonte die Organisation, dass es keinen Beleg dafür gebe, dass Knoblauch, Mundwasser oder der Rauch von Feuerwerk gegen das Virus helfe. Die Annahmen von Briefen oder Päckchen aus China sei hingegen ungefährlich. Das Virus überlebe nicht lange auf solchen Objekten.

G-7-Staaten verabreden abgestimmtes Vorgehen

Vertreter der G-7-Staaten verständigten sich nach Angaben des deutschen Gesundheitsministeriums indes über Maßnahmen gegen die Coronavirus-Epidemie. „Die Minister verabredeten ein so weit als möglich abgestimmtes Vorgehen bei den Reisebestimmungen und Vorsichtsmaßnahmen, bei der Erforschung des neuen Virus und bei der Zusammenarbeit mit der WHO, der EU und China“, hieß es in der Mitteilung.

„Eine angemessene Reaktion auf das Virus kann nur international und europäisch abgestimmt erfolgen“, sagte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn laut Mitteilung. Am Dienstag wollte sich der CDU-Politiker demnach mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien und Frankreich treffen.