Laboruntersuchung zur Abklärung des Coronavirus
APA/Hans Punz
Coronavirus

Drei neue Fälle in Wiener Anwaltskanzlei

Bereits seit Tagen liegt ein Wiener Anwalt mit einer schweren Form der durch das Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit im Krankenhaus. Am Dienstag wurde offiziell bestätigt, dass sich drei weitere Juristen seiner Kanzlei mit dem Virus infiziert haben. Eine davon begann inzwischen als Praktikantin am Wiener Landesgericht zu arbeiten.

Die Frau habe am Montag den Dienst am Landesgericht angetreten und am Montagabend von einem positiven Test auf das Virus SARS-CoV-2 erfahren, bestätigte Gerichtssprecherin Christina Salzborn. Dienstagfrüh gab die junge Juristin dem Landesgericht ihre Erkrankung bekannt. Daraufhin wurde sie aufgefordert, zu Hause zu bleiben.

Eine Kollegin, die am Montag längeren Kontakt mit der jungen Frau hatte, wurde heimgeschickt. Vorsorglich wurde eine Hauptverhandlung abberaumt – die Betroffene hatte am Montag Kontakt zu einem Verfahrensbeteiligten gehabt. Die Betroffene befindet sich derzeit in Heimquarantäne, der Gesundheitsdienst der Stadt Wien (MA 15) entscheidet über das weitere Vorgehen.

Ansteckungsrisiko „äußerst gering“

Laut Salzborn zeigt die junge Juristin keine Symptome: „Weder hustet sie noch weist sie sonstige Anzeichen auf eine Erkrankung auf.“ Das Justizministerium schließt derzeit eine Ansteckungsgefahr im Landesgericht weitgehend aus. Das Risiko der Übertragung sei „ausgesprochen gering“, sagte Christina Ratz, Ressortmediensprecherin des Justizministeriums. „Es besteht keine Ansteckungsgefahr, sofern mit der Kollegin kein enger körperlicher Kontakt wie Händeschütteln oder mehr als 15-minütiges Gespräch im Abstand von weniger als zwei Metern stattgefunden hat.“

Selbst wenn es am ersten Berufstag der Praktikantin am Landesgericht zu kollegialen Begrüßungsszenen gekommen sein sollte, sei nur dann von einer Ansteckungsgefahr auszugehen, „wenn die infizierte Person in den letzten 24 Stunden tatsächlich Symptome – trockener Husten und Fieber – aufweisen sollte“, meinte Ratz. Für weitere Kontaktpersonen der Bediensteten bestehe derzeit kein relevantes Risiko.

Kanzlei ließ Tests durchführen

Bevor sie als Praktikantin dem Landesgericht zugeteilt wurde, hatte die Betroffene als studentische Mitarbeiterin in der Kanzlei jenes Anwalts gearbeitet, der als der am schwersten erkrankte heimische Covid-19-Patient gilt. Der Jurist befindet sich seit Längerem im Kaiser-Franz-Josef-Spital, er ist nicht ansprechbar.

Die Anwaltskanzlei Wolf Theiss hatte in den vergangenen Tagen alle Mitarbeiter testen lassen, wie sie am Dienstag per Aussendung mitteilen ließ. Der Virentest habe binnen 24 Stunden nach Bekanntwerden der Erkrankung des Anwalts begonnen. Am Freitag seien über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einem deutschen virologischen Institut getestet worden, am Montag rund 80 weitere. Drei davon seien positiv getestet worden, heißt es in der Aussendung. Laut der Kanzlei zeigten die Betroffenen aber keine Symptome einer Erkrankung und wurden in häusliche Quarantäne gestellt.

„Es gab keine Anordnung der Behörden zur Durchtestung“, sagte Barbara Fürchtegott, Sprecherin der Kanzlei Wolf Theiss, im Gespräch mit der APA. Es habe sich um eine „Eigeninitiative“ gehandelt, um die besorgten Mitarbeiter zu beruhigen, die offenbar befürchteten, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben. Wann der infizierte Anwalt zuletzt die Kanzlei betreten hatte, ließ sich weiter nicht klären. Wolf Theiss wollte das mit dem Hinweis auf die Wahrung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Betroffenen nicht offenlegen.

„21 plus drei“ Infizierte

Die drei Infizierten scheinen mittlerweile auch in der offiziellen Statistik auf, die das Gesundheitsministerium mehrmals täglich aktualisiert. Derzeit gebe es hierzulande „21 plus drei“ Infizierte, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) im Vorfeld der heutigen zweiten Sitzung des Medizinischen Fachbeirats zum Coronavirus. Neben den drei Mitarbeitern der Anwaltskanzlei wurden am Dienstag zwei Fälle aus Wien und ein weiterer aus Niederösterreich bekannt – mehr dazu in wien.ORF.at und noe.ORF.at. Bei ihnen hatten behördliche Tests ein positives Ergebnis geliefert.

Die offizielle Bestätigung, dass die drei Kanzleimitarbeiter erkrankt sind, kam Dienstagabend. Am Nachmittag hatte Michael Binder, der medizinische Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) betont, dass unklar ist, wie viele Personen in Österreich tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert sind. „Derzeit können wir es nicht sagen. Wir wissen aber, dass nur ganz wenige Menschen mit symptomhafter Coronavirus-Erkrankung bekannt sind“, sagte Binder. Er ging davon aus, „dass nur eine kleine Menge mit nicht erkannter Coronavirus-Erkrankung derzeit vorhanden ist“.

Test zu „98 Prozent spezifisch“

Dass nicht „alle Symptomlosen“ getestet würden, erklärte Binder damit, dass der Test „weder zu 100 Prozent sensitiv noch spezifisch“ sei. Somit könnten „nicht alle tatsächlich Erkrankten ganz genau“ erkannt werden. Laut Binder sind etwa 98 Prozent der Testergebnisse spezifisch. „Wenn wir ungefiltert Menschen ohne Symptome oder Bezug zu dieser Erkrankung testen, würden wir eine sehr große Anzahl falsch-positiver Ergebnisse haben“, sagte der KAV-Direktor.

Rudolf Anschober und Michael Binder
APA/Helmut Fohringer
Anschober und Binder erklärten am Dienstag, warum nur Menschen mit Symptomen getestet werden

Das würde sich auf die aktuelle Situation „nicht positiv auswirken“. Das betreffe aber nicht nur Österreich, sondern die ganze Welt. „Es ist nicht ratsam, Personen zu testen, die keine Krankheitssymptome haben“, so Binder. Anschober betonte, dass es in Österreich bereits „ein stark ausgebautes Testnetz“ gebe. Mit den Kapazitäten „muss man vernünftig umgehen und zielorientiert testen“, sagte der Gesundheitsminister.

Sondergipfel der EU-Gesundheitsminister

Da das Coronavirus nicht nur Österreich betrifft, wird am Freitag in Brüssel ein Sondergipfel der Gesundheitsminister tagen. Hier sollen Wege gefunden werden, um noch besser zusammenzuarbeiten. Als europäisches Hauptsorgenland gilt weiterhin Italien, wo 95 Prozent der europäischen Todesfälle verzeichnet wurden.

Dass das Nachbarland so betroffen ist, hat laut den Experten zwei Gründe: Zum einen den besonders starken Tourismus aus China und enge wirtschaftliche Verbindungen. Dazu kommt laut Franz Allerberger von der AGES die Nähe zu Afrika, in dem das Virus wesentlich stärker verbreitet ist als offiziell angegeben. In Österreichs südlichem Nachbarland hatten sich bis Montag 1.835 Personen angesteckt, 52 Menschen starben. Die Zahl der bisher genesenen Patienten stieg auf 149. 50 Prozent der Infizierten würden keine Symptome vorweisen.

Zwar sank die Zahl der Neuinfektionen in Italien und vor allem in der am stärksten betroffenen Region Lombardei. Dennoch steht das lombardische Gesundheitssystem unter Druck. Die Krankenhäuser sind überlastet, die Behörden riefen daher private Kliniken auf, Betten für Patienten zur Verfügung zu stellen. Die Lombardei sucht zusätzliche Plätze für Patienten, die unter Quarantäne gestellt werden müssen.

Globales Phänomen

Weltweit haben sich laut dem Berliner Robert-Koch-Institut inzwischen rund 90.900 Menschen in 73 Ländern nachweislich mit dem neuen Coronavirus infiziert. Allein China hat nach offiziellen Angaben 80.280 Infizierte. „Das Geschehen verlagert sich etwas weg von China, und der Rest der Welt wird vermehrt betroffen“, so Schaade vom Robert-Koch-Institut. Seit Montag seien in China offiziell 115 Fälle hinzugekommen, in den restlichen 72 Ländern 1.700 Fälle. Es handele sich weiterhin um eine dynamische und ernstzunehmende Situation.

Außerhalb Chinas am stärksten betroffen ist Südkorea. Die Gesundheitsbehörden meldeten im Verlauf des Dienstags über 800 weitere Fälle, bei denen sich Menschen mit dem Erreger der Lungenkrankheit ansteckten. Die Gesamtzahl erreichte 5.186. Die Zahl der Todesfälle, die mit dem neuen Coronavirus in Verbindung gebracht werden, stieg im Vergleich zum Vortag um fünf auf 31.

Viele Neuinfektionen meldete auch der Iran. Insgesamt wurden nach offiziellen Angaben 2.336 Menschen – 835 mehr als am Vortag – positiv auf das Virus getestet. Die Zahl der Toten stieg innerhalb von 24 Stunden von 66 auf 77, wie das Gesundheitsministerium am Dienstag mitteilte.