Jörg Leichtfried (SPÖ) bei seiner Rede im Nationalrat
APA/Robert Jäger
Coronavirus

Opposition stellt Schulterschluss infrage

Mit der Bekundung ihrer Unzufriedenheit eröffneten am Freitag die Oppositionsparteien die Nationalratssondersitzung. SPÖ, FPÖ und NEOS stellten den „Schulterschluss“ zur Bewältigung der Coronavirus-Krise infrage. Sie beklagten, dass die Anti-Coronavirus-Maßnahmen nicht getrennt zur Abstimmung stehen und ließen offen, ob sie dem vorliegenden dritten Coronavirus-Paket zustimmen werden. Im Ausschuss hatten sie es abgelehnt.

Noch vor den Erklärungen der Regierungsspitze meldeten sich die Oppositionsvertreter „zur Tagesordnung“ zu Wort. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried kritisierte, dass die Regierung ihr großes Paket mit „ich glaube 92“ Punkten am Donnerstag durch den Budgetausschuss gepeitscht habe – dann aber die vier SPÖ-Anträge vertagt worden seien, mit dem Argument, es habe niemand Zeit, sie anzuschauen. „Das ist kein Schulterschluss, was Sie hier betreiben“, hielt er ÖVP und Grünen vor – und machte die Zustimmung zum Regierungspaket vom Umgang mit den SPÖ-Anträgen abhängig.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verlangte – bei allem Bekenntnis zu den Gesundheitsmaßnahmen – auch effiziente Maßnahmen gegen die drohende „soziale Katastrophe“: „Wir müssen alle Kraft nicht nur in Richtung dieses Virus richten, sondern auch, um diese soziale und wirtschaftliche Krise so schnell wie möglich abzuwenden“, bekräftigte sie die Forderungen nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes und Aufstockung des Härtefonds.

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner bei ihrer Rede hinter einer Plexiglasscheibe
ORF
Rendi-Wagner forderte unter anderem die Erhöhung des Arbeitslosengeldes

Sie kritisierte, dass die SPÖ-Anträge dazu vertagt wurden: „Die Menschen haben keine Zeit zu warten auf das Geld, das sie für ihr tägliches Leben brauchen.“ Bei den Gesundheitsmaßnahmen vermisst sie eine „zentrale Ressourcenplanung und -steuerung“ – und für den „Weg zurück in die Normalität“ sei eine Perspektive durch transparente Entscheidungskriterien nötig.

Kickl: „Bulldozermethode“

„Das ist kein seriöser parlamentarischer Schulterschluss, sondern die Bulldozermethode“, sagte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl und hielt der Koalition vor, das Parlament überrumpeln zu wollen. „Das muss ein Ende haben“, forderte er. Außerdem bekräftigte er die Forderung nach einer Arbeitsplatzgarantie und einem Rechtsanspruch auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz – statt Unternehmen zu „Almosenempfängern zu degradieren“, die wohl bei der „schwarz-grünen GmbH“ nach dem Prinzip der „Freunderlwirtschaft“ bedacht würden.

Dem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hielt er vor, mit „Horrorszenarien“ von Hunderttausenden Toten auf „unseriöse“ Weise Angst hervorzurufen – und der Regierung, „Überwachungs- und Bespitzelungsmaßnahmen schönzureden“ und im Hintergrund vorzubereiten. Aber es könne in einer Demokratie nicht „Freiheit oder Gesundheit“, sondern müsse „Freiheit und Gesundheit“ heißen.

Meinl-Reisinger: „Ein bissl Fonds“ reicht nicht

Mit der Zusammenfassung aller Maßnahmen in ein Sammelgesetz sei es für die Opposition nicht möglich, differenziert vorzugehen – und die richtigen Maßnahmen zu unterstützen, die „gefährlichen“ aber abzulehnen, merkte unterdessen der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak an. Es könne nicht nur darum gehen, das Gesundheitssystem zu stabilisieren, gleichzeitig gelte es auch zu verhindern, dass Wirtschaft und Gesellschaft kollabieren, bekräftigte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ihre Befürchtung, dass „die beiden Letzteren tatsächlich auf der Kippe stehen“.

Frau mit Schutzmaske beim Einkauf in einem Supermarkt
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Meinl-Reisinger fürchtet ein Kollabieren von Wirtschaft und Gesellschaft

Für die Wirtschaft werde „ein bissl Fonds“ nicht reichen. Wichtig wäre für Unternehmen rasche Hilfe – mit Verlustausgleich und nicht rückzahlbaren Zuschüssen – binnen Tagen und nicht binnen Wochen über ein „Bürokratiemonster, wo sie zu Bittstellern degradiert werden“. Die Grund- und Freiheitsrechte dürften auch in dieser Krise nicht ausgehebelt werden, kritisierte die NEOS-Chefin „giftige Pillen“ im dritten Coronavirus-Paket – etwa die Weitergabe sensibler Gesundheitsdaten. Zu kritisieren seien auch die „spontanen“ Abänderungen, die „bei Gott keine Kleinigkeiten“ beträfen. „Wir werden uns ernsthaft überlegen müssen, ob das dauerhaft so möglich ist“, sagte er in Richtung Koalition.

Wöginger: „Kein normaler Parlamentarismus“

Deren Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) räumten ein, dass „kein normaler Parlamentarismus“, so Wöginger, gelebt werde zurzeit. Aber man habe „die größte Krise der Zweiten Republik zu bewältigen“ – und dafür würden die Legisten und Mitarbeiter „Tag und Nacht arbeiten“, stellte der ÖVP-Klubchef fest.

Und merkte an, dass man die SPÖ-Anträge auch erst kurz vor dem Ausschuss am Donnerstag bekommen habe. „Wir können uns als Österreicher glücklich schätzen, dass wir diese Regierung mit Sebastian Kurz an der Spitze haben, die vom ersten Tag an das Richtige getan hat“, sprach er höchstes Lob aus – und dankte dann aber auch allen Parteien, dass sie den Beschluss der Hilfspakete ermöglicht haben. An die Bürgerinnen und Bürger appellierte er, weiter durchzuhalten bei den Schutzmaßnahmen, auf größere Ausflüge oder Bergtouren, aber auch große Osterfeiern zu verzichten: „Wir müssen noch durchhalten.“

Maurer: Über Ostern „die Zähne zusammenbeißen“

Maurer „kann die Aufregung ein Stück weit ganz gut verstehen“, versicherte aber: „Nichts davon passiert in irgendeiner Weise aus Bösartigkeit.“ Den „Schulterschluss“ brauche man übrigens nicht für das Parlament, sondern „für die Bevölkerung da draußen, für die Bewältigung der Krise“. Die Einschränkungen der Freiheit zur Eindämmung des Virus seien „enorm“, räumte die grüne Klubobfrau ein.

Aber sie seien nötig, „um das Leben der Mitmenschen zu schützen“, stellte sie fest – und wies die „Relativierungen“ Kickls zurück: „Wir tun das, damit Ärzte in den nächsten Wochen nicht entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss.“ Auch über Ostern werde man noch „die Zähne zusammenbeißen müssen“ – damit auf mittlere Sicht wieder ein „normaleres Leben“ möglich ist. Um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, habe die Regierung „genug Geld in die Hand genommen“, und das heutige Paket bringe weitere Maßnahmen zur Abfederung der Coronavirus-Folgen.