Nationalratspräsident Werner Sobotka (ÖVP) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Sobotka im Ausschuss

Testballon, „ÖVP-Familie“ und Inserate

Die Befragung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im „Ibiza“-U-Ausschuss am Mittwoch hat für ein Novum gesorgt. Üblicherweise sitzt Sobotka dem Ausschuss vor, musste aber diesmal auf der Auskunftsbank Platz nehmen. Die Rolle des Vorsitzenden konnte er aber nicht ganz abstreifen – zum Unmut der Vorsitzenden Doris Bures (SPÖ). Im Fokus der Befragung standen Verflechtungen innerhalb der ÖVP-Organisationen, Inserate und ein Testballon für kommende Ausschusstage.

„Es ist ungewöhnlich, dass Sie heute nicht links von mir sitzen, sondern rechts“, sagte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl zu Beginn. Statt Nationalratspräsident Sobotka übernahm eben die Zweite Nationalratspräsidentin den Vorsitz. Das bedeutete auch, dass Bures – falls notwendig – Sobotka auf die im U-Ausschuss geltende Verfahrensordnung hinweisen musste und über Zulässigkeit von Fragen zu entscheiden hatte. Das war öfters der Fall. Am Anfang lautete das Duell allerdings FPÖ gegen ÖVP. Wenn die Freiheitlichen Sobotka befragten, kam es öfters zu Zwischenrufen vonseiten der ÖVP. Selbst die Stenografinnen und Stenografen hatten sichtlich Probleme, die Wortmeldungen richtig zuzuordnen.

Die FPÖ wollte mehr über die „Parteifamilie“ der ÖVP wissen und fragte deshalb nach Vorgängen, die auch außerhalb des Zeitraums der Untersuchung stattfanden – so etwa nach einem angeblichen Termin eines Funktionärs der Politischen Akademie (ÖVP) im Jahr 2014 bei einem mutmaßlichen Hintermann des 2017 erstellten „Ibiza-Videos“, in dem der Bereitschaft signalisiert haben soll, die FPÖ belastendes Material zu kaufen. ÖVP-Fraktionschef Wolfgang Gerstl meldete, dass die Beteiligten den Vorwurf schon bestritten hätten. Sobotka selbst wies die Frage der FPÖ sinngemäß zurück. Bures schritt ein: Ob eine Frage zulässig ist, sei ihr und dem Verfahrensrichter zu überlassen.

Kameraleute und Medienvertreter betreten das Lokal 7 im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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Der Medienandrang am Mittwoch war wieder etwas größer als bei den vergangenen Befragungen im Frühsommer

ÖVP-nah oder Teil der ÖVP?

Wie die FPÖ brachte auch die SPÖ die „ÖVP-Familie“, also Institutionen, die mit der ÖVP in Verbindung stehen, ins Spiel. So habe sich das Institut in den vergangenen Jahren laut SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer einen Postkasten mit mehreren „ÖVP-Tarnvereinen“ geteilt. Es sei auch die Telefonnummer der ÖVP Niederösterreich angegeben worden. Die SPÖ verteilte im U-Ausschuss Dokumente des „Projekts Ballhausplatz“, das 2017 kurz vor der Nationalratswahl veröffentlicht wurde. Damals machte der spätere Koalitionspartner FPÖ ein vermeintliches Strategiepapier für die Übernahme der Obmannschaft in der ÖVP durch Sebastian Kurz publik.

Unter dem Punkt „Aufgabenverteilung innerhalb der Parteifamilie auf Bundesebene“ scheint auch das Alois-Mock-Institut, das 2012 von Sobotka initiiert wurde und dem der ÖVP-Politiker zuerst als Obmann und dann als Präsident vorsteht, auf. „Wir haben nie von der ÖVP einen Auftrag erhalten, wir haben nie von der ÖVP Strukturen vorgegeben bekommen. Es gibt keinen Einfluss auf das Institut“, so Sobotka. Es gebe aber persönliche Verbindungen, weil ÖVP-Mitglieder auch im Alois-Mock-Insitut tätig sind. Das Institut unterliege nicht dem Parteienfinanzierungsgesetz, sagte Sobotka und stellte auch in Abrede, dass der Glücksspielkonzern Novomatic dem Institut Sachleistungen etwa durch die Bereitstellung eines Buffets zuteilwerden ließ.

Bisher bekannt ist, dass die Novomatic in den Jahren 2017 bis 2019 im achtseitigen „Mock-Report“, der jährlich bis zu sechsmal erscheint, um insgesamt 14.000 Euro inserierte. Gegen das Alois-Mock-Institut erging bereits eine anonyme Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein. Seit Mai prüft die WKStA, ob ein Anfangsverdacht besteht und ob dann Ermittlungen eingeleitet werden sollen. Sobotka sagte, dass das Institut kein Sponsoring vom Glücksspielriesen erhalten habe. Wie das Budget von 250.000 Euro zusammenkommt? „Über Veranstaltungen und Kooperationspartnern“, so Sobotka. Bekannt ist der Satz aus dem „Ibiza-Video“ von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: „Die Novomatic zahlt alle.“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)
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Sobotka konnte während der Befragung nicht immer lächeln

Testballon, um Möglichkeit auszuloten

Ein Ausschnitt des Videos wurde am Mittwoch dem U-Ausschuss gezeigt. Teile des Ende April beschlagnahmten Materials wurden am Dienstag den Abgeordneten übermittelt. Der Zeitpunkt – kurz vor der Befragung von Sobotka – sorgte für Kritik und wurde von den Grünen und der Opposition als „Nebelgranate“ tituliert. Dennoch lief zumindest eine Minute über die Bildschirme im Ausschusslokal. Die SPÖ startete einen Testballon, um auszuloten, was überhaupt möglich ist. Im Ausschnitt waren Strache und der damalige FPÖ-Politiker Johann Gudenus zu sehen. Kaum verständlich sprachen sie über ÖVP-Unterstützer, die 20 Millionen Euro in einen Topf werfen würden.

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper las etwas später aus dem dazugehörigen Transkript vor. Darin wird deutlich, dass es um 20 Millionen Euro ging, die bestimmte Leute angeblich über Vereine an die ÖVP spenden würden. Diese Umgehungsstruktur ist Teil der Ermittlungen in der „Ibiza-Affäre“. Sobotka sagte, er habe dazu aber keine Wahrnehmungen. Die Novomatic bezeichnete der ÖVP-Politiker mehrmals als „Kooperationspartner“, Sponsoring sei ein falscher Ausdruck. Als Sobotka eine Frage abermals als unzulässig beurteilte, mischte sich Krainer ein, der aber nicht am Wort war. Bures: „Weder der Nationalratspräsident noch Sie (in Richtung Krainer, Anm.) müssen die Zulässigkeit von Fragen beurteilen.“

Die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ)
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Bures erklärte gleich mehrmals, dass sie und der Verfahrensrichter über die Zulässigkeit von Fragen entscheiden

Für Sobotka ist es auch nicht verwerflich, dass große Firmen verschiedene Interessenlagen und Wissensfragen hätten. Die Novomatic habe sich vor allem dafür interessiert, ob der Osten ein interessanter Markt sei. Das Interesse des „großen Konzerns in Niederösterreich“ liege auch im Gründer Johann Graf, „der immer etwas Neues“ machen wolle. Welche Expertise das Institut in Sachen Osten habe, wollte Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli wissen. Sobotka erklärte, diese liege in den Referenten, die man für Veranstaltungen einlade. Wenn das die Novomatic selbst mache, koste es ein Vielfaches, so Sobotka, das Institut kenne viele Experten, das sei „unser Mehrwert. Wir gehen zu Firmen und bieten das an."

Bures: Meine Vorsitzführung

Mehrmals zog Sobotka die Zulässigkeit von Fragen in Zweifel, weil sie außerhalb des Untersuchungszeitraums (2017 bis 2019) fallen. So wollte die SPÖ wissen, ob die Mitarbeiter des Alois-Mock-Instituts 2012 bis 2019 im Haus der ÖVP Niederösterreich saßen. Er könne nicht verifizieren, wo die Mitarbeiter ihre Arbeit verrichteten, so Sobotka und fragte, was diese Frage mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun habe. Pöschl sagte, dass die Frage vom Beweisthema rund um die Vereine umfasst wird. Bures schloss: „Der Verfahrensrichter und ich sagen, ob eine Frage zulässig ist, wenn Sie Vorsitzender sind, können Sie das tun.“

Ventilator vor dem Lokal 7
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Am Mittwoch funktionierte die Klimaanlage im Sitzungssaal nicht – im spätsommerlichen Wien eine Qual

Angesprochen auf ein von ihm gegebenes „Krone“-Interview, in dem er sich über den Vorwurf, er habe über das Alois-Mock-Institut eine Nähe zur Novomatic, geärgert hatte, ruderte Sobotka zurück. Im Interview sagte er: „2019 haben wir zweimal 2.500 Euro erhalten. Darüber können andere Vereine im parteinahen Umfeld nur müde lächeln.“ Als Krisper wissen wollte, welche Vereine er damit genau meinte, sagte der Nationalratspräsident, dass er diese nicht kenne. Er habe lediglich eine öffentliche Meinung wiedergeben wollen. Der ÖVP-Politiker stellte auch klar, dass das Institut weder an die ÖVP noch an eine andere Partei Geld gespendet habe.

Alois-Mock-Institut inserierte bei NÖAAB

Dass es Kooperationen mit Parteien gegeben habe, konnte Sobotka nicht ausschließen – merkte aber an, dass Kooperationen mit Parteiorganisationen möglich gewesen wären. Krainer legte eine Liste vor, auf der die ÖVP-Frauen NÖ und der NÖAAB (Niederösterreichischer Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund) aufscheint. „Was hat das mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun?“, fragte Sobotka in Richtung SPÖ-Politiker. Für Pöschl war die Frage zulässig.

Der ÖVP-Politiker bestätigte kurze Zeit später, dass das Alois-Mock-Institut in der Zeitung des NÖAAB inserierte. Sobotka ist sowohl Vorsitzender des Instituts als Obmann des NÖAAB, der eine Teilorganisation der ÖVP ist. Krainer ortete Geldflüsse von Novomatic ans Mock-Institut und Inserate des Mock-Instituts an den NÖAAB. „Es gibt keinen Geldfluss, es gibt eine Inseratenleistung“, konterte Sobotka. Krainers „Theatralik“, die er gut beherrsche, sei um diese Zeit schon etwas „lahm“, wie der Nationalratspräsident sagte. Andere Inserate seien ihm nicht bekannt, so Sobotka.

Kai Jan Krainer (SPÖ) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
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SPÖ-Fraktionschef Krainer sah in einer Aussage Sobotkas ein „Geständnis“ von Geldflüssen

Das Thema beherrschte quasi den Abschluss der Befragung. Während FPÖ und SPÖ Sobotkas Bestätigung von Inseraten als „Geständnis“ beurteilten, ortete der ÖVP-Politiker „konstruierte Vorwürfe“. Das Alois-Mock-Institut habe in der Zeitung inseriert, um sich zu „verbreitern“. Man habe zudem nicht beim NÖAAB inseriert, sondern in der Zeitung, deren Medieninhaber der NÖ Pressverein ist. Geschäftsführerin des NÖAAB und des Pressvereins ist übrigens Sandra K., wie auf den Websites der beiden Organisationen ersichtlich ist. Sobotka wiederholte auf ÖVP-Nachfrage: „Einen Geldfluss ohne Gegenleistung gab es nicht.“

Sobotka: „Kein Verhör“

Nach der Befragung hielt Sobotka mit seiner Kritik an so mancher Entscheidung des Vorsitzes nicht hinter dem Berg. Er verstehe nicht, was Fragen, die nicht den Untersuchungszeitraum beträfen, im U-Ausschuss verloren haben. Außerdem wolle er, wie er sagte, den U-Ausschuss wieder – sinngemäß – auf die richtige Bahn bringen. Die Befragung sei „kein Verhör“, sondern diene der Aufklärung. Er sei es als Politiker gewohnt, damit umzugehen. Aber andere Auskunftspersonen hätten Angst. Dass die SPÖ von einem „Geständnis“ Sobotkas spreche, mache ihm nichts aus. „Das ist Krainers Wahrnehmung. Ich hoffe, er nimmt meine auch in seinem Bericht auf.“

Wolfgang Sobotka (ÖVP) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss,
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Nach der Befragung offerierte Sobotka den Medien noch seine Sicht der Dinge

Nach Sobotka wurde der ehemalige Novomatic-Sprecher Bernhard Krumpel als Auskunftsperson befragt. Krumpel verließ Anfang 2020 den Glücksspielkonzern. In der Vergangenheit war er als Pressesprecher des damaligen ÖVP-Finanzlandesrates von Niederösterreich, Sobotka, tätig. Dann wechselte er in das Kabinett von Ernst Strasser (ÖVP), der damals Innenminister war. Krumpel kommt in den Chatverläufen vor, die schon vor dem „Ibiza“-Ausschuss publik wurden. Die dritte Auskunftsperson hat bereits abgesagt.