Gesundheitsminister Rudolf Anschober
ORF.at/Carina Kainz
CoV-Versäumnisse

Im Sommer ‚gewisse Lockerheit entstanden‘

Angesichts der sich zuletzt wieder erheblich zugespitzten Coronavirus-Situation ortet Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) durchaus Versäumnisse – unter anderem bei einzelnen Länderbehörden. Gleichzeitig müsse sich aber „jeder bei der Nase nehmen“. Anschober verwies in diesem Zusammenhang auf den Sommer, den „wir alle recht genossen haben“, weswegen im Umgang mit der CoV-Krise dann wohl auch eine „gewisse Lockerheit entstanden ist“.

Mittlerweile sei in der Bevölkerung das Risikobewusstsein aber wieder deutlich gestiegen, wie Anschober am Samstag in der Ö1-Reihe „im Journal zu Gast“ weiter anmerkte. Anschober ortet eine „umfassende Trendwende“ – die Bevölkerung mache nun wieder immer stärker mit und übernehme wieder Mitverantwortung. Er sei jedenfalls „sehr zuversichtlich, dass das Verantwortungsgefühl der Bevölkerung bald wieder wie im Frühling ist und wir damit die Pandemie weiter unter Kontrolle halten können.“

Angesprochen auf die zahlreichen Beschwerden über die langen Wartezeiten bei den CoV-Tests und überlastete Gesundheitsbehörden gesteht Anschober – wenn auch aufseiten einiger Bundesländer – aber sehr wohl Versäumnisse ein. Angesprochen auf den beispielhaften Fall eines Schülers, der erst nach Tagen getestet wurde und weiter auf ein Ergebnis wartet, sagte Anschober, das sei ein „großer Fehler und das darf nicht passieren“. Eine medizinische Hotline könne immer nur so gut sein, wie sie ausreichend Personal habe, merkte der Minister an.

„Da muss nachjustiert werden“

Darauf angesprochen, warum hier nicht bereits früher etwas geschehen sei, verwies Anschober darauf, dass er die Bundesländer zwar über die Coronavirus-Gefahren im Herbst informiert habe, nicht alle hätten aber zeitgerecht aufgestockt.

Während beispielsweise in Vorarlberg bereits deutlich mehr Personal im Einsatz sein, gibt es Anschober zufolge in anderen Bundesländern derzeit „zu wenig Personal, und da muss nachjustiert werden“. Als Beispiel nennt Anschober Wien, wo die Herausforderung besonders groß sei. Wien hat bereits angekündigt, neue Mitarbeiter anzustellen und außer Frage stellte Anschober dabei: Hier müsse nun „massiv Geld in die Hand genommen werden“, um die personellen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.

„Schlussverantwortung haben immer wir“

In Abrede stellte Anschober, dass die Regierung zu spät auf die steigenden CoV-Fälle reagiert habe. Zudem verteidigte er die zuletzt die Vorgangsweise in Sachen Covid-Ampel sowie den Fahrplan für das neue, nächste Woche im Nationalrat zur Abstimmung stehende Coronavirus-Maßnahmenpaket. Außer Frage stehe aber: „Schlussverantwortung haben immer wir.“

Die zuletzt deutlich angestiegenen CoV-Zahlen seien Anschober zufolge „zu hoch für diese Jahreszeit“. Was die weitere Entwicklung betrifft, könnte die Lage mit etwa 600 positiven Fällen pro Tag nun stabil bleiben. Eine weitere Prognose sieht Anschober zufolge eine leichte Steigerung von bis zu 1.500 Fällen pro Tag, eine dritte allerdings auch einen dramatischen Anstieg von bis zu 2.500 Fälle pro Tag.

Kurz erwartet Impfstoff im ersten Halbjahr 2021

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, wird Anschober zufolge derzeit unter anderem darüber debattiert, ob auch Hausärztinnen und Hausärzte künftig gratis Coronavirus-Tests durchführen können. „Mein Ziel ist es, dass wir das ermöglichen“, so Anschober. Weiter große Hoffnung setzt der Minister – so wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – zudem auf die Entwicklung eines Impfstoffes. Er rechne dann mit einer Durchimpfungsquote von bis zu 50 Prozent, womit das CoV-Risiko dann merklich vermindert werde.

„Es ist aus heutiger Sicht zu erwarten, dass im ersten Halbjahr 2021 nicht nur ein Impfstoff erforscht, sondern auch zugelassen ist und in Europa auch zur Anwendung kommt“, wie Kurz am Samstag nach einem Treffen mit Vertretern der Pharmakonzerne Roche, Novartis und Lonza in Basel dazu sagte. „Ein Aufatmen und realistische Veränderungen“ halte er dann für Sommer 2021 „realistisch“.

Erklärtes Ziel: Zweiten Lockdown verhindern

„Bis dahin werden wir erleben, was am treffendsten mit einer Ziehharmonika verglichen werden kann“, schwor Kurz die Bevölkerung auf bewegte Zeiten im kommenden Herbst und Winter ein, „immer wenn es steigende Zahlen gibt, wird es die Notwendigkeit geben, mit Restriktionen zu reagieren, und wenn die Zahlen sinken, auch Lockerungen zu ermöglichen.“ Ziel sei es jedenfalls, „einen zweiten Lockdown zu verhindern." Das werde aber nur möglich sein, wenn sich alle bemühen, einen Beitrag zu leisten. Wenn wir alle unser Leben so normal leben wie möglich, uns aber auch in gewissen Bereichen einschränken.“

Schweizer Präsidentin Simonetta Sommaruga und Bundeskanzler Sebastian Kurz
Reuters/Denis Balibouse
Die weitere Vorgangsweise in Sachen CoV war zentrales Thema beim Treffen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit der Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga

Bei einem Treffen mit der Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (Sozialdemokraten/SPS) erörterte Kurz bereits am Freitag in der Nähe von Bern unter anderem gemeinsame Anti-Covid-Strategien. Sommaruga versicherte nach einem Treffen, alles zu tun, um neuerliche Grenzschließungen zu vermeiden. Wegen steigender Infektionszahlen hatte die Schweiz Wien am vergangenen Freitag auf die Liste der Coronavirus-Risikogebiete gesetzt und eine bedingte Quarantänepflicht ausgesprochen.

„Dauer-Zick-Zack-Kurs“

Scharfe Kritik an den Äußerungen von Gesundheitsminister Anschober kommt von der Opposition. „Sich nach der schwarz-grünen Pannen-Serie jetzt auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsbehörden abzuputzen, ist schäbig“, teilte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher per Aussendung mit. Genauso wenig anständig sei es‚ ‚die Grundstimmung in der Bevölkerung‘, die zu ‚Sorglosigkeit‘ führte, als Täter für die hohen Covid-Infektionen ausfindig zu machen, so Kucher, der der Regierung gleichzeitig einen „Verunsicherungs“- bzw. „Dauer-Zick-Zack-Kurs“ vorwirft.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker wirft Anschober zudem vor, es im Sommer verabsäumt zu haben, „einen Plan für den Herbst vorzubereiten sowie eine ordentliche Teststrategie auf die Beine zu stellen“. Zudem stolpere die Regierung „weiter von Woche zu Woche, von Pressekonferenz zu Pressekonferenz“, und zwar „ohne jeden Plan“, kritisierte Loacker.