Außenministerium in Wien
ORF.at/Patrick Bauer
Nach Appell zu Abschiebestopp

Afghanische Botschafterin einbestellt

Nach ihrem Appell an Österreich und andere europäische Länder zu einem verlängerten Abschiebestopp für abgewiesene afghanische Asylwerber ist die afghanische Botschafterin in Wien, Manizha Bakhtari, ins Außenministerium einbestellt worden. Man sei „überrascht“ über die Aussagen Bakhtaris, hieß es vom Außenministerium. Das Gespräch mit der Botschafterin sei dann konstruktiv verlaufen.

Bereits im Juli hatte Kabul die EU-Staaten wegen des Vormarsches der Taliban und der damit stark verschlechterten Sicherheitslage im Land um ein vorübergehendes Aussetzen von Rückführungen von abgewiesenen Afghanen gebeten. Bakhtari hatte nun in einem Interview im Ö1-Morgenjournal noch um die Verlängerung des Abschiebestopps für afghanische Asylwerber mit negativem Bescheid über den Oktober hinaus ersucht. „Wir sind nicht in der Lage, Abgeschobene aufzunehmen“, begründete die Diplomatin ihre Bitte mit Verweis auf die Sicherheitslage, die sich seit dem Abzug der NATO-Truppen aus dem Krisenland zunehmend verschlechtert.

Eine Sprecherin des Außenministeriums sagte, man sei von Bakhtaris Aussagen überrascht, „nachdem es erst vergangene Woche anderslautende Signale gegeben hatte“. Eine Aussetzung von Abschiebungen stehe nicht zur Debatte, so eine Sprecherin des Außenministeriums am Freitag. Gegenüber Ö1 wollte die Botschafterin mittags die Einberufung nicht kommentieren. Sie verwies aber darauf, dass die Kontake gute seien und es ohnehin wöchentlich Treffen gebe.

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„Konstruktiv“

Eine Aussetzung von Abschiebungen stehe nicht zur Debatte und diesen Standpunkt wolle man der Botschafterin „noch einmal klar darlegen“, hieß es im Vorfeld des Treffens, das am frühen Nachmittag stattfand und an dem auch eine Vertreterin des Innenministeriums teilnahm. Das Gespräch sei „konstruktiv“ verlaufen, teilte eine Ministeriumssprecherin am Nachmittag mit.

Die Botschafterin habe erneut ersucht, dass Europa die Sicherheitslage in Afghanistan laufend evaluiere. Zugleich habe sie betont, dass Afghanistan weiterhin zu allen Vereinbarungen stehe, was auch die Rückübernahme eigener Staatsbürger mit einschließe.

„Kein Abschiebestopp geplant“

„Vonseiten Österreichs ist kein Abschiebestopp nach Afghanistan geplant“, hieß es bereits am Donnerstag gegenüber der APA aus dem Innenministerium. Ein für Dienstagabend geplanter Abschiebeflug von München nach Afghanistan, an dessen Bord auch zwei aus Österreich abzuschiebende Afghanen hätten sein sollen, war am Dienstag kurzfristig abgesagt worden, soll jedoch „zeitnah“ nachgeholt werden, hieß es dazu auch aus Berlin. Grund für die Absage soll die Gewalteskalation in Kabul bzw. eine fehlende Landegenehmigung gewesen sein.

„Wer das verneint, verweigert Realität“

Völlig konträr zum großen Koalitionspartner äußerten sich die Grünen. Den Appell der Botschafterin müsse man erst nehmen, schrieb die außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic am Freitagnachmittag auf Facebook. Die Frage, ob Abschiebungen nach Afghanistan noch vertretbar sind, stelle sich gar nicht mehr. „Wer das verneint, verweigert die Realität, dass die afghanische Regierung keine Landeerlaubnis mehr vergibt.“

Aktuell eskaliere die Gewalt, deshalb müsse man sich nun mit den Fragen beschäftigen: „Wie helfen wir akut der Zivilbevölkerung? Wo finden die Flüchtenden eine rasche Zuflucht und wie können weitere Tote vermieden werden?“, forderte Ernst-Dziedzic einen „Sicherheitsgipfel“.

Gegenüber Ö1 attackierte Bakhtari die Taliban scharf und erhob Vorwürfe gegen das Nachbarland Pakistan: „Die Taliban haben nicht die intellektuellen Fähigkeiten, das Land zu regieren“, so die Botschafterin im Interview. Gleichzeitig warf sie Pakistan vor, die Taliban finanziell zu unterstützen. Sie hofft auf die junge Generation. Diese werde nicht zulassen, dass das Land „zu seiner dunkelsten Zeit zurückkehrt“.