Auskunftsperson Günther Mayr
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ÖVP-U-Ausschuss

„So ist die Finanzverwaltung nicht“

„Mein Herz blutet“ und „So ist die Finanzverwaltung nicht“ – mit recht deutlichen Worten ist der Steuersektionschef im Finanzministerium, Gunter Mayr, am Donnerstag in seine Befragung im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss gestartet. Und in der Tonart ging es weiter: Die Vorgehensweise in der Steuercausa Siegfried Wolf war in großen Teilen laut Mayr „unüblich“ und „unerfreulich“.

Gleich zu Beginn seiner Befragung wolle er eine Lanze für die Beamtenschaft im Finanzministerium brechen, wie Sektionsleiter Mayr sagte. Sie, die Beamten und Beamtinnen, seien „erstklassig und funktionieren“. Es blute ihm das Herz, wenn eine Handvoll Personen die Reputation des Ministeriums beschädige. Welche Personen er damit meinte, legte er dann eindrücklich und durchaus unverblümt dar.

Im Februar 2016 sei er erstmals über die Steuercausa Wolf informiert worden, so Mayr, das sei grundsätzlich o. k., denn als Sektionschef könne man auch zu Steuercausen hinzugezogen werden, etwa wenn es um Rechtsfragen geht. Damals ging es um die Großbetriebsprüfung, bei der festgestellt wurde, dass Wolf nicht genug Steuern gezahlt hatte. Thomas Schmid, der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, habe ihn dazu kontaktiert.

Auskunftsperson Günther Mayr
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Sektionschef Mayr lieferte eine umfassende Darstellung der Ereignisse

Er, Mayr, habe sich dann den Fall näher angesehen, gemeinsam mit der auch fachlich zuständigen Chefin der Großbetriebsprüfung. Dann habe es einen „eher unüblichen“ Termin mit den Steuerberatern Wolfs gegeben – dieser sei eher kurz gewesen, weil er deren Wunsch nach einer Reduktion nicht geteilt habe. Er habe das dann auch dem Generalsekretariat mitgeteilt, wo er erfahren habe, dass die Vorständin des für Wolf zuständigen Finanzamts durchaus Spielraum für eine Minderung der Steuerschuld sehe. Mayr selbst erklärte per Mail, dass es keine neuen Erkenntnisse gebe und eine (notwendige) Schlussbesprechung stattzufinden habe.

„Unerfreulicher“ Termin mit Thomas Schmid

Dann wurde es laut Mayr „unerfreulich“, bei einem Termin mit Schmid inklusive persönlicher Vorwürfe von Schmid an ihn. Er, Mayr, habe Schmid bei dem Termin gesagt, dass die Sache nicht gedeckt sei, woraufhin Schmid die Finanzamtsvorständin angerufen und das Telefonat auf laut gestellt habe. Bei diesem Gespräche habe er Zweifel an der Unbefangenheit bekommen, schließlich hätten die beiden immer nur über „Sigi“ geredet.

Stephanie Krisper (NEOS)
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NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper fragte Mayr zur Steuercausa und erfuhr, dass Schmid anmerkte, Wolf könne nützlich „in Russland“ sein.

Die Vorständin habe dabei erklärt, dass sie die Sache anders sehe, etwa dass nur ein Teil besteuert wird und einer nicht. Er habe sich dann noch mal von der Vorständin die Unterlagen schicken lassen, sei dennoch bei seiner Meinung geblieben und habe schließlich eine Schlussbesprechung Ende Juli vorgeschlagen. Er habe dann erfahren, dass die Schlussbesprechung sogar Mitte Juli stattfinden könnte, damit sei die Sache für ihn erledigt gewesen.

„Fragwürdige“ Abschlussprüfung

Drei Jahre später holte ihn die Causa aber wieder ein – da habe er aus den Chats von Schmid zitierenden Medien erfahren, dass die Steuerschuld von 10,6 auf 7,6 Millionen Euro reduziert wurde. In weiterer Folge habe er sich das Protokoll der Schlussbesprechung vorlegen lassen, das ihn verblüfft habe. Bei der Schlussbesprechung sei etwa die Leiterin der Großbetriebsprüfung nicht dabei gewesen, dafür der Leiter der Strafsachenstelle des Finanzamts – ein „fragwürdiger“ Vorgang, so Mayr. Es sei nicht das Topteam gewesen, sondern das „Ersatzteam“.

Dazu sagte die Auskunftsperson K. bei der Befragung am Mittwoch im Ausschuss, dass bewusst versucht worden sei, bei der Schlussbesprechung keine Personen mit besonders konträren Positionen einzuladen, damit diese Sache schnell erledigt ist. Laut Mayr dauerte die Besprechung aber auch so eher ungewöhnlich über fünf Stunden. Zudem sei die Schlussbesprechung im Oktober 2016 erfolgt – davon habe er nichts gewusst. Die Bescheide seien zu dem Zeitpunkt rechtskräftig gewesen.

Norbert Hofer
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Die dritte Befragung führte erneut der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ), davor auch Mandatar Friedrich Ofenauer (ÖVP) und zu Beginn des Befragungstages die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ)

Schmid genehmigte Schuldnachlass

Mayr wurde ein drittes Mal mit der Causa Wolf befasst, zu den für die Steuerschuld fälligen Zinsen. Ab 150.000 Euro ist auch der Sektionschef, gemeinsam mit dem Generalsekretär, damit zu befassen – in Summe ging es bei Wolf um 630.000 Euro Nachlass. Als er nachgefragt habe, habe es geheißen, dass schon der Generalsekretär – also Schmid – seine Genehmigung erteilt habe.

Kurt Egger (ÖVP)
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Für die ÖVP fragte Kurt Egger, unter anderem nach der Zinsennachsicht

Der Sektionschef veranlasste dann die Aufhebung des Nachsichtbescheids Mitte 2019. In weiterer Folge habe er Anzeige stellen müssen, dazu sei er bei begründetem Verdacht laut Gesetz verpflichtet – auch wenn es „unangenehm“ gewesen sei. Schließlich habe er keine Möglichkeit für eine Nachsicht gesehen.

Generalsekretär mit Weisungsrecht

Schmid sei als Generalsekretär sein Vorgesetzter – „das haben Sie beschlossen als Parlamentarier“, erinnerte Mayr die Abgeordneten an eine für ihn womöglich diskutable Konstellation. Gemeint war wohl, dass die Funktion des Generalsekretärs bzw. der Generalsekretärin im Zuge des Regierungswechsels 2017 mit einem Weisungsrecht ausgestattet wurde – dieses besteht bis heute, eine Ausschreibung für die mächtige Position ist nicht notwendig.

Nina Tomaselli (Grüne)
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Die grüne Fraktionschefin Nina Tomaselli fragte noch nach weiteren Fällen

Auf die Frage, ob er wegen der Causa um seine Position fürchtete, meinte Mayr, wenn er im Rahmen der Gesetze seine Tätigkeit nicht mehr ausüben könne, „dann kann ich auch nicht mehr Sektionschef sein“. Er sei mit zehn Jahren derzeit der längstdienende Sektionschef im Finanzministerium, quasi ein „Urgestein“, so Mayr selbst.

Fall Wolf für Mayr „einzigartig“

Die Causa Wolf sei ihm besonders in Erinnerung geblieben, so Mayr, es habe durchaus auch andere Großbetriebsprüfungen gegeben, die aber für beide Seiten zufriedenstellend ausgegangen sein – etwa im Fall des steirischen Schokoladenproduzenten Zotter, der über den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) an ihn herangetragen worden sei. Schelling habe ihn in dem Fall aber nicht bedrängt. In Erinnerung sei Mayr, dass Schmid mal bemerkt hätte, dass Wolf „in Russland“ nützlich sein könnte.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer fragte nach dem Fall Zotter

Keine Anfrage gab es für den Industriellen Stefan Pierer oder von Rene Benko, so Mayr – mit dem Immobilieninvestor Benko ging Mayr auf Einladung Schmids einmal essen. Er habe klargestellt, dass die Finanzverwaltung nur im Rahmen der Gesetze handle. Von Benko habe er dann nie mehr gehört. Der Fall Wolf sei in seiner Intensität „einzigartig“ gewesen.

Weitere Ladungen und Beugestrafe-Anträge

Zum Abschluss der Befragungswoche wurden weitere Ladungen beschlossen, aber auch Beugestrafeanträge gegen Wolf und Schmid. Einmal mehr muss der suspendierte Justizministeriums-Sektionschef Christian Pilnacek in den U-Ausschuss kommen.