Will Smith ohrfeigt Chris Rock
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Oscars

Will Smiths unerwarteter Auftritt

Er ist als Favorit für den besten Hauptdarsteller in den Abend gegangen – und hat mit Handgreiflichkeiten überrascht: Will Smiths Auftritt überschattete eine verdient weiblich geprägte Oscar-Nacht. Sian Heder erhielt für „Coda“ die Auszeichnung für den besten Film und für das beste adaptierte Drehbuch. Jane Campion gewann den Regieoscar. Zahlreiche Solidaritätsbekundungen ergingen während der Show an die Ukraine.

Die Wettquoten für die Oscar-Nacht behielten recht. In den letzten Tagen vor der Verleihung zeichnete sich die Gehörlosen-Tragikomödie „Coda“ als aussichtsreich für die Königskategorie „Bester Film“ ab. Die erste Trophäe für Smith als bester Hauptdarsteller für seinen Auftritt in „King Richard“ als Vater der Tennisschwestern Serena und Venus Williams hatte sich ebenfalls abgezeichnet.

Nicht vorherzusehen war Smiths Handgreiflichkeit gegenüber Chris Rock, der für Irritationen sorgte. Noch vor Smiths Auszeichnung hatte sich der Komiker Rock an Smiths Frau Jada Pinkett Smith gewandt und einen Witz über ihre Kahlheit – die Schauspielerin hat eine Autoimmunerkrankung und thematisierte in der Vergangenheit immer wieder ihren Haarausfall – gemacht: „G.I. Jane 2 – ich kann es nicht abwarten, das zu sehen.“ Es war eine Anspielung auf den Film „G.I. Jane“, in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasierte. Zunächst lachte Smith darüber, dann stand er von seinem Platz auf und gab Rock eine Ohrfeige.

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Will Smith und Jada Pinkett Smith
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Auf dem Red Carpet war die Laune noch ungetrübt: Will Smith (M.) und seine Frau Jada Pinkett Smith (r.)
Will Smith ohrfeigt Chris Rock
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Nach einem Witz von Chris Rock über Jada Pinkett Smiths Frisur – sie thematisierte in der Vergangenheit immer wieder ihren Haarausfall – ohrfeigte Smith Rock. Damit überschattete er die ausgewogenen Preisentscheidungen der Academy. Kurz darauf erhielt Smith die Ehrung als bester Hauptdarsteller.
Jessica Chastain
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Jessica Chastain wurde als beste Hauptdarstellerin für „The Eyes of Tammy Faye“ ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede schlug sie ernste Töne an. „Wir sind mit Diskriminierung und einer bigotten Gesetzgebung konfrontiert, die über unser Land mit dem Ziel hinwegfegt, uns noch mehr zu spalten“, sagte Chastain unter anderem in Hinblick auf die LGBTQ-Gemeinschaft. „Es gibt Gewalt und Hassverbrechen, verübt an unschuldigen Bürgern überall in der Welt.“
Ariana DeBose
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Ariana DeBose wurde als erste LGBTQ-Frau und als erste Latina als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle in Spielbergs „West Side Story“-Remake geehrt. Sie sagte zum Publikum: „Sie sehen hier eine offen queere, nicht weiße Frau, eine Afro-Latina“, die ihre Kraft durch die Kunst gefunden habe.
Die Darsteller des Films „CODA“, Eugenio Derbez, Troy Kotsur, Emilia Jones, Amy Forsyth, und Daniel Durant.
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Der gehörlose Troy Kotsur (2. v. l.) wurde für seine Rolle in „Coda“ zum besten Nebendarsteller gekürt – die von Apple TV+ vertriebene Tragikomödie gewann außerdem als bester Film und für das beste adaptierte Drehbuch und damit in allen nominierten Kategorien.
Jane Campion
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Zwölf Nominierungen und ein Hauptgewinn: Für den Favoriten „Power of the Dog“ war Jane Campion die erste Frau, die zum zweiten Mal für die beste Regie nominiert war. Diesmal gewann sie, Stephen Spielberg, der 1993 mit „Schindlers Liste“ gegen Campions „Das Piano“ gewonnen hatte, ging leer aus.
Billie Eilish
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Erste Nominierung und erster Oscar für Billie Eilish für ihren Bond Song „No Time to Die“
Ahmir „Questlove“ Thompson, Robert Fyvolent und David Dinerstein
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Ahmir „Questlove“ Thompson, bekannt als Musiker („The Roots"), gewann mit seinem ersten Dokumentarfilm über das schwarze Pendant zu Woodstock, “Summer of Soul (… or When the Revolution Was Not Televised)“
Al Pacino, Francis Ford Coppola und Robert De Niro
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Francis Ford Coppola (M.) trat mit Al Pacino (l.) und Robert De Niro (r.) anlässlich des 50. „Paten“-Jubiläums auf die Bühne – und fand deutliche Worte zur Unterstützung der Ukraine
Jamie Lee Curtis
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Jamie Lee Curtis zeigte schon auf dem Red Carpet ihre „WithRefugees“-Schleife

Danach kehrte er auf seinen Platz zurück und rief zweimal laut in Rocks Richtung: „Lass den Namen meiner Frau aus deinem verdammten Mund!“ – Dabei benutzte er zweimal das im US-Fernsehen verpönte Wort „fucking“, das in der US-Übertragung mit einem Piepton übertönt wurde.

Smith als „Verteidiger seiner Familie“

Rock wirkte nach dem Vorfall durchaus überrascht, fing sich aber schnell wieder und witzelte noch: „Das war die größte Nacht in der Geschichte des Fernsehens.“ Doch ob es sich um einen tatsächlichen Wutausbruch von Smith handelte oder um eine abgesprochene Szene, ist unklar. Allerdings zeigt ein inzwischen auf Twitter kursierendes Video, wie Denzel Washington und Tyle Perry im Anschluss versuchten, Smith zu beruhigen. In der Übertragung wurde währenddessen eine plötzliche Werbeunterbrechung eingespielt.

In seiner emotionalen Dankesrede kommentierte Smith den Vorfall danach und bezeichnete sich wie Richard Williams, den er in „King Richard“ verkörperte als „Verteidiger seiner Familie“. Es sei seine Aufgabe, Menschen zu schützen, so Smith, der sich weinend „Botschafter der Liebe und der Fürsorge“ nannte.

Seine Rede strotzte dabei von einem Sendungsbewusstsein, das auch die anwesenden Branchenstars im Dolby Theatre sichtlich irritierte. Zwar versuchte Smith seinem Auftritt mit den Worten „Ich hoffe, die Academy lädt mich je wieder ein“ eine witzige Wendung zu geben, doch die fatale Optik seines Ausbruchs überschattete sowohl die Solidarität mit der Ukraine, die am Abend zur Schau getragen wurde, als auch die ausgewogenen Preisentscheidungen der Academy.

Mehrere andere Preisträger wollten Smiths Verhalten bei den Backstage-Interviews nicht kommentieren. So sagte etwa Ahmir „Questlove“ Thompson, der für „Summer of Soul“ den Oscar für die beste Doku bekam: „Darüber spreche ich nicht.“

Jessica Chastain gewann den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Die US-Amerikanerin erhielt die Auszeichnung für ihre Rolle in dem Film „The Eyes Of Tammy Faye“.

„Coda“ als Gewinner des Abends

Smith überschattete damit den Gewinner des Abends, „Coda“. Das Remake des französischen Films „Verstehen Sie die Beliers?“ konnte neben dem Preis für den besten Film auch seine anderen beiden Nominierungen in den Kategorien „Bestes adaptiertes Drehbuch“ und „Bester Nebendarsteller“ (Troy Kotsur) in Oscars ummünzen.

Kotsur wurde der insgesamt zweite gehörlose Mensch in den Darstellerkategorien, der je einen Oscar gewann. Er hielt seine Dankesrede in Gebärdensprache und machte dabei klar: „Dieser Preis ist der gesamten Gehörlosengemeinschaft gewidmet.“ Als beste Nebendarstellerin wurde Ariana DeBose für ihre Rolle der Anita in Steven Spielbergs Remake der „West Side Story“ geehrt.

Di Darsteller und Crew des Filmes „Coda“
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„Coda“ war der Gewinnerfilm des Abends

Jane Campion konnte die Sparte „Beste Regie“ für sich entscheiden. Mit ihrem Westerndrama „The Power of the Dog“ war die Neuseeländerin Campion die erste Frau, die zweimal in der Regiesparte nominiert war. Und sie ist erst die dritte Frau, die in der Regiesparte gewinnen konnte. Bereits 1994 holte sich die 67-Jährige einen Oscar – für das beste Originaldrehbuch für „Das Piano“.

Unterstützung für die Ukraine

Eine wichtige Rolle während des Abends spielte die russische Invasion in der Ukraine. Inmitten des Abends wurde mittels schwarz-weißer Einblendung zu einer Schweigeminute unter dem Hashtag „Stand with Ukraine“ und zu Spenden für die betroffenen Menschen aufgerufen.

Ansonsten setzten Einzelne Zeichen. Regielegende Francis Ford Coppola, der mit seinen Schauspielern Robert De Niro und Al Pacino anlässlich des „Paten“-Jubiläums auf der Bühne erschien, verabschiedete sich mit einem „Vive Ukraine!“ Der Schauspieler Jason Momoa („Dune“) als Präsentator der Kategorie „Beste Kamera“ trug etwa ein blau-gelbes Einstecktuch. Und einige wenige seiner Kollegen wie etwa Yoon Yeo-jeong, Vorjahressiegerin in der Sparte der Nebendarstellerinnen, trugen blaue Bänder mit der Aufschrift „WithRefugees“, um damit ihre Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.

Al Pacino, Francis Ford Coppola und Robert De Niro
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Francis Ford Coppola (M.) fand als Erster deutliche Worte zur Unterstützung der Ukraine

Vorab hatte Schauspieler Sean Penn (61) zu einem Boykott der Gala aufgerufen, falls sie ohne eine Zuschaltung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski stattfinden sollte. In einem CNN-Interview sagte der Schauspieler und Regisseur am Samstag, dass ein Erscheinen Selenskis bei der Show vor einem Millionenpublikum eine großartige Gelegenheit für eine Ansprache gewesen wäre. Sollte die Academy diese Gelegenheit verpassen, was er befürchte, wäre das der „schamloseste Moment in der Geschichte Hollywoods“. Die Produzenten der Show hatten im Vorfeld angekündigt, dass der Ukraine-Krieg in jedem Falle eine Rolle im Laufe des Abends spielen solle.

„Dune“ mit den meisten Preisen

Die meisten Auszeichnungen des Abends konnte Denis Villeneuves zehnfach nominiertes Sci-Fi-Abenteuer „Dune“ für sich reklamieren. Vor allem in den technischen Kategorien „Sound“, „Kamera“, „Schnitt“, „Production Design“ und „Visuelle Effekte“ sowie „Filmmusik“ (Altmeister Hans Zimmer) war man erfolgreich und konnte sechs Trophäen mit nach Hause nehmen.

Bei den Animationsfilmen setzte sich wie erwartet das Disney-Musical „Encanto“ durch, während Superstar Billie Eilish nach ihrer Performance in der Show auch den Oscar für den besten Song mit ihrem Bond-Titel „No Time to Die“ einheimste. Zur Riege der Favoritensiege zählte auch jener des japanischen Kandidaten „Drive My Car“ von Ryusuke Hamaguchi, der die Trophäe in der Sparte des Auslandsoscars holte.

Gesellschaftskritisches Moderatorinnentrio

Moderiert wurde der Abend von den drei Komödiantinnen Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes – womit die Show erstmals seit 2018 wieder einen Host hatte. Die drei Auserwählten lieferten dabei die erwartbaren Scherze auf Kosten von Kolleginnen und Kollegen und kleine Einlagen ab. Dabei waren sie erfrischend gesellschaftskritisch: Schumer bemerkte am Anfang, das Moderatorinnentrio sei „billiger als ein Mann“.

Skyes sagte nach dem Auftakt: „And for you people in Florida, we’re going to have a gay night“ und kritisierte damit das „Don’t Say Gay“-Gesetz des US-Bundesstaats Florida, das die Thematisierung von sexueller Orientierung vom Kindergartenalter bis in die dritte Klasse untersagt. Das kürzlich in Kraft getretene Gesetz wird von LGBTQ-Vertretern als diskriminierend verurteilt.