20 Euro Banknoten in einer Geldbörse
ORF.at/Christian Öser
Bargelddebatte

Wahres über Bares

Der politische Sommer ist quasi zu Ende. Um viele Themen, die in den vergangenen Monaten die Wogen hochgehen ließen, ist es ruhiger geworden. Zwar spricht heute keiner mehr über Münzen und Banknoten. Doch ein runder Tisch im Bundeskanzleramt wird sich bald mit der Absicherung von Bargeld beschäftigen. Wiewohl Konkretes weiterhin fehlt, scheint eines sicher zu sein: Das politisch Gewollte und das rechtlich Mögliche sind zwei Paar Schuhe.

In Österreich gilt das Bargeld als beliebt. Viele Menschen wollen aus diversen Gründen nicht auf das Bezahlen mit Scheinen und Münzen verzichten, wird in Umfragen betont. Dass die Politik das Thema aufgreift, liegt auf der Hand. In der Regel ist es die FPÖ, die sich als Hüterin des Bargelds positioniert und vor einer schleichenden Abschaffung warnt. Die ÖVP zog diesen Sommer nach und forderte, das Bargeld besser zu schützen. Eine Taskforce wurde eingerichtet, im September soll ein runder Tisch im Kanzleramt folgen.

Die Debatte ist freilich nicht neu. Seit Jahren hat das Bargeld einen fixen Platz in der Politik. Heuer kommen aber nicht nur vorgezogene Wahlkämpfe (EU-Wahl und Nationalratswahl 2024) hinzu, sondern auch zwei EU-Vorhaben. Zum einen soll mit der Geldwäsche-Verordnung eine Obergrenze für Bargeldbezahlungen eingeführt werden, um kriminelle Geldflüsse zu erschweren.

Und zum anderen wird aktuell auch ein „digitaler Euro“ diskutiert, der zusätzlich zu den bestehenden Bezahlmöglichkeiten im Euro-Raum etabliert werden soll. Recht schnell wurde von der FPÖ der Verdacht ventiliert, die EU wolle das Bargeld einschränken, im schlimmsten Fall sogar abschaffen. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte: „Ob begründet oder nicht: Es gibt bei den Menschen die Sorge, dass das Bargeld abgeschafft werden könnte.“

Währungspolitik „vollinhaltlich“ bei EU

Als einer der Ersten versuchte der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, die Sorgen auszuräumen. So verwies er etwa auf die Euro-Bargeld-Verordnung, die quasi als Gegenstück zum „digitalen Euro“ geplant ist. Darin wird festgehalten, dass das Bargeld (mit Ausnahmen) verpflichtend angenommen werden muss. Außerdem seien die Euro-Banknoten und Euro-Münzen seit 1999 kraft des Unionsrechts ohnehin abgesichert. Österreich könne inhaltlich „wenig Neues“ zum Schutz des Bargelds beitragen, so der EU-Vertreter.

EU-Rechtsexperte Walter Obwexer stimmt Selmayr insofern zu, als die Europäische Union in der Währungspolitik den Takt vorgibt. Mit der Einführung des Euro hätten die Mitgliedsstaaten die Verantwortung für die Regelung des Euro als einheitliche Währung „vollinhaltlich und ausschließlich“ der EU übertragen. „Die EU-Staaten haben keine Zuständigkeiten mehr, es sei denn, die EU ermächtigt sie, bestimmte Regeln auf nationaler Ebene zu erlassen“, sagt der Rechtsprofessor der Universität Innsbruck im ORF.at-Gespräch.

Das sei 2021 in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Hessischen Rundfunk bestätigt worden. „Die Mitgliedsstaaten können zwar die Zahlungsmodalitäten regeln, sie müssen sich aber an den Rahmen halten, den die Union verpflichtend vorgibt“, so Obwexer. Zu diesem Rahmen zähle der Grundsatz, dass der Euro als gesetzliches Zahlungsmittel in bar angenommen werden muss. Davon könne aber „aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses“ abgewichen werden, etwa wenn es um die Bekämpfung von Geldwäsche geht.

Martin Selmayr
APA/Tobias Steinmaurer
EU-Experte Selmayr versuchte gleich nach Start der Politdebatte zu kalmieren: Euro-Bargeld ist geschützt

Sollte mit der Geldwäscherichtlinie zum Beispiel die diskutierte EU-weite Bargeldobergrenze eingeführt werden, müsse Österreich diese umsetzen, sagt Obwexer. Derzeit sieht der Entwurf ein Limit von 10.000 Euro vor, EU-Staaten können aber niedrigere Schwellenwerte definieren. Die Obergrenze gilt nur für Personen, die beruflich mit Dienstleistungen und Gütern handeln, private Transaktionen zwischen Einzelpersonen sind davon ausgenommen. Auch eine Einführung des „digitalen Euro“ als Zahlungsmittel sei für Österreich bindend.

Erfolgreiches Volksbegehren zündet Debatte

Die Pläne der EU werden breit diskutiert, im vergangenen Jahr wurde ein Volksbegehren „Für uneingeschränkte Bargeldzahlung“ gestartet. Darin forderten die Initiatoren und Initiatorinnen verfassungsrechtliche Maßnahmen, „um die Beibehaltung des uneingeschränkten Bargeldzahlungsverkehrs zu verankern“. Das Bargeld müsse „ohne Obergrenzen“ geschützt werden. Mit 530.938 Unterstützungen gehört das Volksbegehren zu den erfolgreichsten in der Zweiten Republik. Es liegt auf Rang 13.

Dementsprechend waren auch die Abgeordneten voll des Lobes, als das Parlament vor der Sommerpause das Volksbegehren behandelte. Im Ausschuss fand ein Expertenhearing statt, im Nationalratsplenum positionierten sich alle Klubs pro Bargeld. Die FPÖ konnte sich mit dem Volksbegehren am stärksten identifizieren und forderte ein „Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung“. Aus der ÖVP hieß es dagegen, dass die „Verwendung von Bargeld in Österreich sehr gut abgesichert“ sei und dass „keine Pläne zur Einschränkung von Bargeld“ existierten.

So richtig Fahrt nahm die Debatte aber erst einen Monat später auf, als die EU-Kommission Ende Juni die Entwürfe zum „digitalen Euro“ und zum Euro-Bargeld veröffentlichte. Umgehend verlangte die FPÖ eine Volksbefragung zum Schutz des Bargelds. Dieses könnte nämlich schleichend ersetzt werden, wurde suggeriert. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) widersprach: „Es gibt überhaupt keine Diskussion, dass es abgeschafft wird – weder in Europa noch in Österreich.“

Ein Sommer von Noten und Münzen

Nachdem die SPÖ eine Kampagne für wohnortnahe Bankomaten gestartet hatte, nahm sich im August auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) des Themas an und forderte, das Bargeld als Zahlungsmittel in der Verfassung zu verankern. Die FPÖ fühlte sich von der ÖVP kopiert, der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte die ÖVP-Forderung „Theater“. Man versuche damit, der „FPÖ irgendwie das Wasser abzugraben“, sagte er in der „Tiroler Tageszeitung“.

Verfassungsexperte Peter Bußjäger hält den ÖVP-Vorstoß im Gespräch mit ORF.at für „etwas populistisch“. Das Bargeld sei ohnehin unionsrechtlich abgesichert, und zudem sehe auch das heimische Nationalbankgesetz eine grundsätzliche Annahmeverpflichtung vor. „Banknoten müssen zum vollen Nennwert unbeschränkt angenommen werden, soweit die Verpflichtung nicht in bestimmten Zahlungsmitteln zu erfüllen ist“, so Bußjäger. Das Finanzministerium habe das vor drei Jahren in einem Auskunftsersuchen bestätigt.

In dem Schreiben heißt es mit Verweis auf das Nationalbankgesetz und das Scheidemünzengesetz, dass „für Euro-Scheine und Kleingeld prinzipiell eine Annahmepflicht besteht“. Wie Bußjäger und Obwexer hielt auch das Finanzressort gesetzliche Einschränkungen in Sachen Barzahlung fest, etwa um Geldwäsche zu bekämpfen. Zudem gebe die Privatautonomie Schranken vor: „Abgesehen davon ist es nach dem Prinzip der Vertragsfreiheit Händlern und Dienstleistern grundsätzlich freigestellt zu entscheiden, mit wem und zu welchen Konditionen sie Verträge schließen möchten.“

Verfassung nicht „strapazieren“

Eine Bargeldannahmepflicht besteht laut dem Privatrechtsexperten Johannes Flume auch im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB). „Das ABGB hat jedoch keinen Biss“, sagte er zum „Kurier“. Die Politik müsse sich deshalb die Frage stellen, ob man das ABGB abändert und zum Beispiel Verwaltungsstrafen einführt, sollte eine Bargeldzahlung nicht angenommen werden. Nach Ansicht von Bußjäger könnte man auch das Nationalbankgesetz nachschärfen. Dazu müsse man gar nicht die Verfassung „strapazieren“, es reiche eine einfache Mehrheit.

Berlaymont-Gebäude
European Union, 2023
Die EU-Kommission legte im Juni zwei Entwürfe („digitaler Euro“, Euro-Bargeld) vor und verhandelt die Geldwäsche-Richtlinie

Tatsächlich wurde das Thema im Nationalrat angerissen, als über das Bargeldvolksbegehren debattiert wurde. Damals brachte die SPÖ einen Antrag ein, der sich mit einer Verschärfung der „bestehenden Annahmepflicht“ beschäftigte. Zustimmung erhielt die SPÖ aber nur von der FPÖ. Laut ÖVP-Mandatarin Angela Baumgartner gebe es zwar Ausnahmen von der Pflicht, aber: Wenn in einem Geschäft Waren gekauft werden, könne der Händler die Barzahlung nicht ablehnen, „solange Sie mit einem gültigen Euro-Geldschein bezahlen“.

Etwas anders sieht es Zivilrechtsexpertin Silvia Dullinger von der Johannes-Kepler-Universität Linz. Es sei nämlich möglich, andere Zahlungsmodi zu vereinbaren. So seien Bankdaten auf einer Rechnung ein Indiz dafür, dass der Verkäufer eine Banküberweisung akzeptiert. „Wenn nichts vereinbart wird, gilt im Zweifel, dass das Bargeld angenommen und mit Bargeld bezahlt werden muss“, sagt Dullinger im ORF.at-Gespräch. Nachschärfen könne man Gesetze aber immer.

Verfassung im Einklang mit EU-Recht

Die Verfassung zu ändern ist hingegen nicht ganz so einfach. Die Koalition braucht eine Zweidrittelmehrheit, und die Bestimmung darf nicht unionsrechtswidrig sein. Einig ist man sich in der Fachwelt auch, dass die Politik nicht jedes Vorhaben verfassungsrechtlich ummanteln soll. Denn die Verfassung soll die Staatsorganisation regeln und die Grundrechte festsetzen, sagt ein früheres Mitglied des Verfassungsgerichtshofs zu ORF.at. Mit der Idee, das Bargeld in die Verfassung zu heben, wolle die Politik der Öffentlichkeit suggerieren, dass sie sich um ihre Sorgen kümmert. Vielmehr werde die Verfassung aber aus parteipolitischen Gründen „missbraucht“, sagt der Ex-Höchstrichter.

EU-Rechtsexperte Obwexer teilt „zu 100 Prozent“ die Meinung, die Verfassung nicht mit „irgendwelchen Grundsätzen und Kleinigkeiten zu überfrachten“. Einigt sich die Politik aber darauf, dass eine Verankerung von Bargeld „nicht völlig sinnlos ist“, dann sollte sie im EU-Teil der Verfassung zu finden sein, sagt er. „Eine solche Bestimmung kann nämlich gar nichts anderes als eine ergänzende Regelung zum Unionsrecht sein. Man könnte festlegen, dass Bargeldzahlungen innerhalb des Rahmens, den die EU erlaubt, als Grundsatz gelten“, sagt er.

Obwexer verweist auf einen Punkt, der in der aktuellen Debatte bisher nicht vorkam: Der Gesetzgeber könnte schon jetzt Barzahlungen aus gewissen Gründen beschränken. Das ist bisher eben einfachgesetzlich möglich. „Wenn der Gesetzgeber den Grundsatz der Barzahlung mit einer Zweidrittelmehrheit absichert, wäre es für künftige Mehrheiten im Parlament nicht so leicht, eine Obergrenze einzuziehen“, sagt der Experte. Aber wiederum gilt: EU-Recht geht vor, und das müsse klar in der Verfassung erkenntlich sein.

Blick in den Plenarsaal des Parlaments
ORF/Roland Winkler
Dem Parlament ist das Thema Bargeld nicht neu: Einige Anträge wurden bereits behandelt

Vertreter Österreichs binden?

Eine andere Überlegung, die eher am Rande aufgetaucht ist, war eine Bargeldbindung der österreichischen Vertreter bei Abstimmungen auf EU-Ebene. Schon bisher kann der Hauptausschuss des Nationalrats eine Stellungnahme zu einem Vorhaben abgeben. Der Minister bzw. die Ministerin sei an die Stellungnahme gebunden und dürfe nur unter Umständen davon abweichen, sagt Bußjäger. Nun könnte man zwar verfassungsrechtlich verankern, dass sich Österreichs Vertreter für das Bargeld einsetzen müssen. Ob das sinnvoll ist, sei eine andere Frage.

Der Nationalrat hat dazu schon eine Debatte durchgespielt. ÖVP und SPÖ forderten 2016 ihre Minister und Ministerinnen auf, sich in der EU für das Bargeld einzusetzen. Gleichzeitig wollte die ÖVP das Bargeld „als Signalwirkung“ in die Verfassung heben. Die SPÖ nannte die Idee „Politik-Placebo-Instrument“ und Grünen-Mandatar Werner Kogler „wirkungslos und dumm auch noch". Die Grünen zeigen sich heute zwar zurückhaltender zum Bargeldvorstoß der ÖVP, Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hielt aber in einer Anfragebeantwortung fest, dass das Bargeld gesetzlich" ausreichend abgesichert“ sei.

Dem Parlament liegt aber schon der nächste Antrag vor. Die FPÖ will das Bargeld in das verfassungsrechtliche Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger heben. Schon 2019 verfolgte man diesen Plan. Damals hieß es, dass die Verwendung von Bargeld „keinen Einschränkungen“ unterliegen soll. Das Vorhaben wurde später gemeinsam mit der ÖVP mit Ausnahmen von der uneingeschränkten Barzahlung abgeschwächt. Justizminister Clemens Jabloner reagierte trotzdem empört: Das Staatsgrundgesetz sei „nicht der Platz dafür“, und der Antrag sei „rechtstechnisch verfehlt und bedenklich“.