Der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz
IMAGO/SKATA
Kurz-Prozess

Über 20 Zeugen, etwa Strache und Schmid

Für den Prozess gegen Ex-Kanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz und zwei seiner Wegbegleiter ab 18. Oktober im Wiener Straflandesgericht sind 21 Zeugen beantragt, etwa Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid sowie Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Erstangeklagte ist die vormalige ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner, zudem angeklagt ist Kurz’ ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli.

Alle müssen sich wegen Vorwurfs der falschen Zeugenaussage verantworten. In dem 108-seitigen Strafantrag steht Glatz-Kremsner an erster Stelle. Der Managerin (bis März 2022 als Generaldirektorin der Casinos Austria und Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Lotterien) werden Falschaussagen im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss zu fünf Themenbereichen vorgeworfen, Kurz zu drei Themenbereichen.

Bei Kurz geht es im Prozess um die Frage, inwieweit er in die Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Chef involviert war. Die Frage, ob er im Vorfeld eingebunden gewesen sei, bejahte Kurz im „Ibiza“-U-Ausschuss mit dem Zusatz „eingebunden im Sinne von informiert“ – eine Falschaussage, so die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Bernhard Bonelli und Bettina Glatz-Kremsner
ORF.at/Lukas Krummholz; ORF.at/Carina Kainz
Bonelli und Glatz-Kremsner müssen sich mit Kurz vor Gericht verantworten – Glatz-Kremsner ist Erstangeklagte

Kurz selbst sei bereits im Sommer 2017 an Schmid herangetreten, um ihn mit der Strukturreform zu beauftragen und ihm mitzuteilen, Schmids Rolle in der Leitung der neuen Beteiligungsgesellschaft zu sehen. Außerdem sei in einem von Kurz unterfertigten Sideletter mit dem damaligen Vizekanzler Strache ein Nominierungsrecht der ÖVP für den Vorstand der Beteiligungsgesellschaft vereinbart worden.

Falschaussagen zu ÖBAG-Besetzung

Auf die Frage nach Wahrnehmungen zur Besetzung des Aufsichtsrates der ÖBAG habe Kurz „tatsachenwidrig“ ausgeführt, er wisse, dass es im Finanzministerium und im zuständigen Nominierungskomitee Gespräche gegeben habe, er habe die Entscheidung aber nicht getroffen und die Aufsichtsräte nicht ausgewählt.

Anders sieht das die Anklage: In einem Sideletter sei auch für den Aufsichtsrat der ÖBAG ein Nominierungsrecht der ÖVP vereinbart worden. Kurz selbst habe „sich bei vielen Gesprächen zur Besetzung des Aufsichtsrates beteiligt“ und aktiv eingebracht und sämtliche von der ÖVP zu benennenden Aufsichtsräte mit ihm selbst „abstimmen“ lassen.

Weiters falsch ausgesagt habe Kurz der WKStA zufolge in Bezug auf einen Chat zwischen Strache und dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger, in dem es um eine Vereinbarung geht. Hier gab Kurz laut Akt an, das könne alles sein, er habe keine Ahnung, was die beiden vereinbart hätten, obwohl er gewusst habe, dass es sich um ein Personalpaket betreffend Postenbesetzungen der „FMA Neu“ und der ÖBAG sowie deren Beteiligungsunternehmen handelte.

Wirtschaftsstrafrechtsexperte Kert zur Kurz-Anklage

Robert Kert, Vorstand des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht an der WU Wien, ist zu Gast im ZIB2-Studio und spricht über die Beweislage im Fall Sebastian Kurz, über einen möglichen Freispruch und beurteilt die Vorgehensweise der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Er sehe einen Freispruch nicht als Niederlage der Staatsanwaltschaft.

Auch gegen Bonelli Vorwurf der Falschaussage

Auch Kurz’ Vertrautem und ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli wird Falschaussage vor dem U-Ausschuss in Bezug auf die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates vorgeworfen. Er habe ausgesagt, darüber informiert worden zu sein, welche Entscheidung getroffen wurde, obwohl er „tatsächlich in den Prozess spätestens ab September 2018 eingebunden war, an mehreren Sitzungen betreffend die Besetzung des ÖBAG-Aufsichtsrates teilnahm, diesbezüglich mit Kurz, Löger und Schmid mögliche Kandidaten diskutierte und wusste, dass neben grundsätzlicher fachlicher Eignung die persönliche Loyalität und Verlässlichkeit ein zweites entscheidendes Auswahlkriterium darstellte“.

Außerdem habe er Kurz eine mögliche Kandidatin vorgeschlagen und alle späteren Aufsichtsräte mit ihm abgestimmt. Es handle sich auch bei der Aussage, die Bestellung sei eine Entscheidung des Finanzministers gewesen, um eine Falschaussage.

„Fehlende Erinnerung“ könnte Problem sein

Falsch ausgesagt habe Bonelli laut WKStA auch, als er angab, sich nicht genau erinnern zu können, ob es zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen über die Bestellung eines Alleinvorstandes gegeben habe.

Auch gab Bonelli an, nicht zu wissen, wer betreffend das Kabinett im Finanzministerium die Kabinettsmitglieder ausgesucht hat. Diesbezüglich habe aber er den Prozess organisiert und initiativ Löger kontaktiert, in Sitzungen dessen Vorschläge diskutiert und ihm am Ende des Prozesses mitgeteilt, dass „die von Löger in Aussicht genommene Besetzung von Kurz, (Gernot, Anm.) Blümel und (Axel, Anm.) Melchior genehmigt sei.“

Mehrere Vorwürfe gegen Glatz-Kremsner

Glatz-Kremsner werden Falschaussagen sowohl im U-Ausschuss als auch vor der WKStA vorgeworfen. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens zur Causa Casinos Austria (CASAG) habe sie angegeben, nicht von einem Treffen zwischen Löger und Johann Graf gewusst zu haben – eine Falschaussage, so die Staatsanwaltschaft.

Tatsachenwidrig ausgesagt habe sie auch zur Bestellung Peter Sidlos zum Vorstandsmitglied der CASAG. Sie hätte lediglich gewusst, dass er FPÖ-Bezirksrat war, aber keine Wahrnehmung zu einem politischen Hintergrund seiner Bestellung gehabt. Wahrheitswidrig sei auch die Aussage, sie habe keine Unterstützung bei der Bestellung Sidlos zugesagt und nie mit Strache darüber gesprochen. Diesem hätte sie jedoch mitgeteilt: „Unterstützung sehr gerne und aus Überzeugung.“ Sidlo wird im Prozess als Zeuge aussagen müssen.

Weiters gab Glatz-Kremsner an, keine „Signale“ einer Unterstützung einer Bewerbung ihrerseits zur CEO der CASAG aus dem Finanzministerium bzw. der ÖVP-Parteispitze erhalten zu haben. Die Anklage wirft ihr vor, genau gewusst zu haben, dass Schmid, Löger und Kurz ihre Bewerbung unterstützten und ihr das auch mitteilten. Anwalt Lukas Kollmann gibt an, dass seine Mandantin von einem „positiven Verfahrensausgang“ ausgehe. Für alle Angeklagten gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.