Robert Fico, Chef der SMER-SSD
Reuters/Radovan Stoklasa
Fico hofft auf Comeback

Wahl in Slowakei mit vielen Fragezeichen

Monatelang hat die sozialdemokratische Smer-Partei unter dem slowakischen Ex-Premier Robert Fico die Umfragen angeführt. Kurz vor der Wahl zeigten manche Umfragen aber noch ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen zur zweitgereihten liberalen Progresivne Slovensko (PS). Wer auch immer die slowakische Parlamentswahl am Samstag für sich entscheidet: Jeder wird für die Regierungsbildung Partner brauchen. Und hinter möglichen Koalitionen stehen noch viele Fragezeichen und harte Verhandlungen.

25 Parteien treten bei der Wahl an, neun haben Chancen, ins Parlament einzuziehen, nur vier davon unterstützen laut dem europäischen Mediennetzwerk Euractiv die Sanktionen gegen Russland. Nicht zuletzt deshalb wird die Wahl in dem 5,4-Millionen-Einwohner-Land nicht nur im Inland beobachtet. Denn eine von Fico gebildete Regierung könnte Auswirkungen auf die Ukraine-Politik der EU haben, setzte der Ex-Premier doch gezielt prorussische und antieuropäische Töne im Wahlkampf ein.

Fico wollte vor der Wahl nicht mitteilen, wo er seine Stimme abgeben würde. Am Samstag veröffentlichte er dann ein Video im Onlinedienst Facebook, das ihn bei der Stimmabgabe in einem Dorf nordöstlich von Bratislava zeigt. Er wolle eine Slowakei, die nicht von „Amateuren und Stümpern ohne Erfahrung“ geführt werde, sagte der Ex-Regierungschef. Sein schärfster Konkurrent, PS-Chef Michal Simecka, erklärte bei seiner Stimmabgabe in einer Schule in Bratislava, er erwarte ein enges Rennen, in dem „jeder Stimmzettel zählen wird“. Er hoffe, dass „egal welche Regierung aus dieser Wahl hervorgeht, die Unterstützung der Ukraine fortgesetzt wird“.

Fico-Kritiker fürchten Orban-Kurs

Die Sorge von Kritikern Ficos ist groß, dass ähnlich wie in Ungarn unter Ministerpräsidenten Viktor Orban mit der Rückkehr des Smer-Politikers Klientelismus und Korruption wieder stärker an der Tagesordnung stehen, verbunden mit Angriffen auf Justiz und Medien. Auch könnte die militärische Hilfe für die Ukraine reduziert werden. Die Slowakei positionierte sich bisher als starker Unterstützer der Ukraine.

Robert Fico, Chef der SMER-SSD und Michal Simecka (Progresivne Slovenska)
APA/AFP/Vladimir Simicek
Mit den Chefs der beiden führenden Parteien, Simecka (li.) und Fico (re.) entscheidet sich die politische Richtung der Slowakei

„Völliges Misstrauen“ in die Politik

Angesichts einer chaotischen Regierung nach der vergangenen Wahl 2020, den Auswirkungen der Pandemie und des Ukraine-Krieges habe die Mehrheit der Slowaken und Slowakinnen „völliges Misstrauen“ in die Politik, sagte Katarina Klingova von der NGO Globsec gegenüber dem „Guardian“. Fico präsentiert sich als Stabilitätsfaktor mit einfachen Antworten auf Krisenzeiten.

Die Verbreitung von Desinformation und russischer Propaganda sei groß, so Klingova. In der Slowakei gebe es mehr als 280 Websites und Portale sowie 1.700 Facebook-Seiten und -Gruppen, die falsche Informationen verbreiten. In der Slowakei gebe es eine „sehr pessimistische Stimmung“, ergänzte die slowakische Soziologin Olga Gyarfasova bei einer Diskussion des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) kurz vor der Wahl. Das Vertrauen in die Politik sei stark gesunken. Für 80 Prozent bewege sich das Land in die falsche Richtung.

Wahlsieg alleine keine Entscheidung

Ein Ergebnis der Wahl vorherzusagen sei schwierig, heißt es von vielen Beobachtern. In den Tagen vor der Wahl gab es aufgrund zahlreicher unentschiedener Wähler und Wählerinnen noch Verschiebungen. Menschen aus dem urbanen Mitte-rechts-Spektrum würden sich von kleineren Parteien, die möglicherweise die Fünfprozenthürde für den Einzug ins Parlament nicht schaffen, ab- und der PS zuwenden, beobachtet der Slowakei-Experte Milan Nic von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Es reiche jedenfalls nicht, die Wahl zu gewinnen, so Gyarfasova, denn jeder Wahlsieger ist auf eine Koalition angewiesen. Keine Partei sei stark genug, alleine eine Regierung zu bilden. Monatelang hielten sich Smer und PS an der Spitze. Die Anfang des Jahres noch in den Umfragen führende Partei Hlas rutschte inzwischen auf den dritten Platz ab.

Ex-Smer-Politiker als Königsmacher

Mit Hlas spaltete sich der ehemalige Parteikollege Ficos und Ex-Ministerpräsident, Peter Pellegrini, von der Smer ab. Die Partei nimmt eine wichtige Rolle als Königsmacher ein. Unklar ist, ob sich Hlas eher einer Koalition mit Smer oder mit der liberalen PS anschließen würde.

Ex-Ministerpräsident Peter Pellegrini (Hlas)
APA/AFP/Vladimir Simicek
Der Ex-Smer-Politiker Pellegrini könnte mit seiner neuen Partei bei der Koalitionsbildung entscheidend sein

Für die Partnersuche werden Fico jedenfalls bessere Optionen eingeräumt als dem PS-Vorsitzenden Michal Simecka. Fico stehen als mögliche Koalitionspartner die rechtsextreme Republika und die rechte Slowakische Nationalpartei (SNS) offen. Allerdings gibt es bei der SNS Unsicherheiten, ob sie überhaupt die notwendige Fünfprozenthürde erreicht. In den Umfragen liegt sie zwischen fünf und sechs Prozent.

Noch knapper könnte es bei der rechtspopulistischen Partei „Wir sind eine Familie“ (Sme Rodina, SR) sein – sie erreicht in den Umfragen vier bis fünf Prozent. Die rechtsextreme Republika erreicht je nach Umfrage zwischen fünf und acht Prozent. Je nachdem, welche Kleinparteien den Einzug ins Parlament schaffen, könnte das starke Auswirkungen auf die Optionen für Koalitionen haben.

Wahl in Slowakei mit vielen Fragezeichen

Die sozialdemokratische Smer-Partei unter der Führung des ehemaligen slowakischen Premierministers Robert Fico hat monatelang die Umfragen angeführt. Kurz vor den Wahlen zeigte sich jedoch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der liberalen Partei Progresivne Slovensko (PS). Unabhängig davon, wer die slowakischen Parlamentswahlen gewinnt, wird jeder bei der Regierungsbildung Koalitionspartner benötigen.

Experte: Radikalisierung im nationalistischen Lager

Pellegrini schloss eine Koalition mit der rechtsextremen Republika im Vorfeld bereits aus, aber es sei wahrscheinlicher, dass die Partei zur Smer tendiere, so Slowakei-Expertin Zuzana Zavarska vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW): „Es ist nicht einmal innerhalb der Partei klar, inwieweit sie eine andere Richtung als Fico einschlagen wollen.“ Grundsätzlich gilt Hlas als sozialdemokratisch sowie als ukraine- und EU-freundlich orientiert.

Als Hlas noch höher in den Umfragen lag, wurde über eine Koalition mit PS spekuliert. Mit sinkenden Umfragewerten reduzierte sich die Wahrscheinlichkeit dafür. Zudem habe es Beobachtern zufolge zuletzt eine Annäherung zwischen Hlas und Smer gegeben. Auch bei Hlas-Wählerinnen und -Wählern gebe es eine Präferenz Richtung Smer statt PS.

Der slowakische Politologe Grigorij Meseznikov beobachtet eine bisher noch nicht da gewesene Radikalisierung des nationalistischen Parteienlagers. Problematisch sei auch, dass die rechtsextreme Partei Republika sich so präsentiere, dass sie nicht als solche wahrgenommen werde. Fico versuche zwar, Republika zu vermeiden, die Option bestehe aber noch.