Unterlagen zur Budgetrede des Finanzministers
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Budget 2024

Fachleute vermissen Strukturreformen

Nachdem Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Mittwoch das Budget für 2024 präsentiert hat, haben Lob und Kritik daran nicht lange auf sich warten lassen. Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), sah im Ö1-Mittagsjournal eine grundsätzlich richtige Schwerpunktsetzung, sprach sich aber für energische Schritte in Reformbereichen aus. Harscher fiel das Urteil von Fiskalratspräsident Christoph Badelt aus.

Der Finanzminister sprach in seiner Rede im Nationalrat von einem „Zukunftsbudget“ und hob als inhaltliche Schwerpunkte etwa einen Ausbau der Kinderbetreuung, die Stützung der Konjunktur sowie Investitionen in Wissenschaft und Forschung und auch Sicherheit hervor. Dass ein Bereich wie der Finanzausgleich mitsamt Ausgaben für Kinderbetreuung sowie Klima und Umwelt im Budget heuer besonders berücksichtigt wird, bewertete Schratzenstaller im Ö1-Mittagsjournal positiv.

Klimaschutz und Transformation seien nicht nur mit Blick auf die Umwelt wichtig, Maßnahmen in dem Bereich würden auch „konjunkturbelebend“ wirken. „Das braucht es in der jetzigen Situation.“ Die vorgesehenen 16 Milliarden für die neue Leistungsvereinbarungsperiode der Universitäten sei ebenfalls wichtig, angesichts der „vielen Krisen auf der Welt“ sei auch eine Stärkung im Bereich Sicherheit angemessen.

Neuausrichtung des Förderwesens gefordert

Allerdings gebe es „eine ganze Reihe von Effizienzdefiziten“ im öffentlichen Sektor, etwa beim Pensionssystem. Die Pensionsausgaben im Budget würden zwar 30 Milliarden Euro und damit fast ein Viertel der Bundesausgaben 2024 ausmachen. Man brauche laut Einschätzung der Expertin aber eine Neuausrichtung des gesamten Förderwesens, um Doppelgleisigkeiten bei Bund, Ländern und Gemeinden zu vermeiden.

Zudem sei „unbedingt“ ein Abbau klimaschädlicher Subventionen nötig. Diese würden zwischen vier und sechs Milliarden Euro ausmachen. Weitere Reformbereiche müsse man „ganz dringend“ angehen – das sei die Schulverwaltung, die Bildungsverwaltung, aber auch das Gesundheitssystem sei ein großer Kostentreiber.

Brunner (ÖVP) optimistisch bei Budgetrede

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat am Mittwoch dem Nationalrat das Budget 2024 vorgelegt. Es sieht ein Defizit von 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor – damit wird die von der EU vorgegebene Maastricht-Grenze von drei Prozent wieder eingehalten.

Budget durch Inflation „stark belastet“

Es gebe zunehmende Einnahmen bei den inflationsabhängigen Steuern, etwa der Umsatzsteuer. Gleichzeitig beobachte man bei Abgaben wie der CO2-Steuer aber eine „schleichende Entwertung“. Aufgrund der hohen Inflation habe man auf der anderen Seite sehr stark steigende Ausgaben bei Sozialleistungen, das Bundesbudget sei durch die Inflation nach Einschätzung der Ökonomin „sehr stark belastet“.

Um auf den Pfad einer fiskalischen Nachhaltigkeit einzuschwenken, seien energische Schritte in all den genannten Reformbereichen dringend nötig. „Das ist unverzichtbar, das ist angesichts der kurzfristigen Krisen in den vergangenen Jahren zurückgestellt worden, aber das muss man jetzt unbedingt angehen.“

Badelt vermisst Nachhaltigkeit bei Budgetpfad

Fiskalratspräsident Badelt stieß sich in einem ersten Eindruck am „enormen Ausgabenwachstum“ des Budgets. „Dieser Grad der Expansion ist wohl nur politisch erklärbar in einem Vorwahljahr. Ökonomisch ist er so nicht notwendig“, sagte er: „Der Fiskalratspräsident fürchtet sich immer vor Vorwahlzeiten.“

Dass das für 2024 eingestellte strukturelle Defizit bei 2,5 Prozent liegen und in den nächsten Jahren bei 2,7 Prozent bleiben soll, wertete er als „wirkliches Problem“, denn dem Budgetpfad fehle damit die Nachhaltigkeit. Paradox ist laut Badelt auch, dass dieser Budgetpfad den gegenwärtig gültigen Fiskalregeln der EU widerspreche. Die könnten nun zwar geändert werden, Österreich sei hier bis jetzt aber gemeinsam mit Deutschland und den Niederlanden auf der Bremse gestanden.

Lob für Energiekostenzuschuss II und Gebäudesanierung

Trotz noch ausstehender umfassender Analyse des Fiskalrats nannte Badelt auch zwei Positivbeispiele aus seiner Sicht: Beim Energiekostenzuschuss II würden die Richtlinien nun deutlich fokussiert, was sich auch budgetär niederschlage. Auch Zusatzausgaben etwa für die Gebäudesanierung seien sehr sinnvoll, weil damit versucht werde, die Baukonjunktur anzureizen.

Dennoch, so der Fiskalratspräsident: „Wenn man nicht so viele Zusatzausgaben erfinden würde, müsste es möglich sein, dieses Defizit in der Größenordnung zwei Prozent zu halten.“ Das Riesenproblem sei die Budgetperspektive. Im Augenblick sehe er „keinen Willen und keinen Weg, das Budget zu konsolidieren“. Wenn man zudem in einer als nicht so dramatisch erwarteten Konjunktursituation mit solchen Defiziten hineingehe: „Wo sind dann die Reserven für eine neuerlich aufkommende Krise?“

Monika Köppl-Turyna vom industrienahen Institut EcoAustria meinte, insgesamt seien die Prioritäten des Budgets zu wenig in die Zukunft gerichtet. Die hohe Zinslast und die marode Konjunktur würden Handlungsmöglichkeiten für Investitionen und eine Budgetkonsolidierung beschränken.

Battisti (ORF) zur Budgetrede

Die Leiterin des ZIB-Wirtschaftsressorts, Barbara Battisti, analysiert die Budgetrede von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

Wirtschaft und Industrie sehen richtige Richtung

Lob kam von der Wirtschaftskammer (WKO). „Die Weichen sind gestellt und gehen grundsätzlich in die richtige Richtung: Die Regierung hat heute mit Augenmaß einen Weg aus der Krise präsentiert“, kommentierten deren Präsident Harald Mahrer und WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf das neue Budget. Besonders positiv sei der geplante Ausbau der Kinderbetreuung. Auf weitere Entlastungen, etwa die Ausweitung des Investitionsfreibetrags und eine „nachhaltige“ Senkung der Lohnnebenkosten, dürfe aber nicht vergessen werden.

Von richtig gestellten Weichen spricht in einer Aussendung auch Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung. Er hebt Ansätze zur Bekämpfung des Fach- und Arbeitskräftemangels wie die steuerliche Begünstigung von Überstunden und „die Absicherung und Aufstockung der Budgets für Universitäten und Fachhochschulen“ hervor. Auch er vermisste aber strukturelle Reformen im Bereich des Pensions- und Gesundheitswesens.

Kritik von Arbeiterkammer und ÖGB

Anders sieht das die Arbeiterkammer. Der Budgetentwurf mache „ein paar zaghafte Schritte in die richtige Richtung“, so Arbeiterkammer-Budgetexperte Georg Feigl. Gegen die Teuerung sei von den Regierungsmaßnahmen „praktisch nichts mehr übrig“. Durchschnittliche Arbeitnehmer und -nehmerinnen würden „nur“ mehr von der Abgeltung der kalten Progression profitieren.

„Wenig überraschende Punkte“ im Budget sieht ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Er vermisst eine nachhaltige Entlastung der Haushalte. Positiv seien aber die aufgestockten Mittel im Bereich der Forschung und die gestern vorgestellten Maßnahmen zur „Belebung der Konjunktur“. Letztere seien aber zu niedrig dotiert. „Äußerst kritisch“ sehe er die geplante weitere Absenkung der Lohnnebenkosten, „enttäuschend“ seien die Einnahmen aus der Übergewinnsteuer für Energieunternehmen.

Auch die Umweltschutzorganisation WWF kritisiert den fehlenden Abbau umweltschädlicher Subventionen, damit befeuere man auch den Bodenverbrauch. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 begrüßt steigende Budgets für die Energiewende, weist aber darauf hin, dass die zusätzliche Milliarde für den Heizungstausch und die thermische Sanierung kein Ersatz für ein Erneuerbaren-Wärme-Gesetz und ein Klimaschutzgesetz sei.

ÖH und Hoteliers unzufrieden

Nicht zufrieden zeigt sich die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH). Die Erhöhung auf 16 Milliarden Euro sei ein guter Schritt in die richtige Richtung, „leider ist diese Erhöhung aber noch nicht ausreichend“, sagte Nina Mathies aus dem ÖH-Vorsitzteam. Als Verlierer des neuen Budgets sehen sich die Hoteliers. Anders sieht das die zuständige Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP), die gezielte Investitionsanreize wie den „Nachhaltigkeitsbonus“ lobte.

Das Budget stelle die Weichen für ein zukunftsfittes Österreich, zeigte sich ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker überzeugt. Die Grünen können dem Budgetvoranschlag für 2024 einiges abgewinnen, vor allem, was die von ihnen geleiteten Ministerien betrifft.

Die SPÖ kritisierte eine Polemik gegen einen „Vollkaskostaat“ auf Kosten der arbeitenden Menschen. NEOS forderte ein „echtes Zukunftsbudget“ statt des türkis-grünen „Zukunftswashing“. Schwarz-Grün starte ein Jahr vor der Nationalratswahl eine letzte „große Steuergeldverbrennungsaktion“, mit der man die eigene Klientel bediene, kritisierte die FPÖ.